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Folter statt Pressefreiheit? Assange in der Klemme der britischen Politik

Während die Unterstützer von WikiLeaks-Gründer Julian Assange auf die neue australische Regierung hoffen und nach Spanien blicken, hat die britische Regierung einerseits Spähangriffe auf dessen Anwälte eingestanden, aber andererseits neue Gesetze vorangebracht.
Folter statt Pressefreiheit? Assange in der Klemme der britischen PolitikQuelle: www.globallookpress.com © Vuk Valcic/ Keystone Press Agency/ Global Look Press

Aktuell wird jeden Moment mit einer Entscheidung über die Auslieferung des WikiLeaks-Gründers Julian Assange an die USA gerechnet. Britische Gerichte haben im April das Auslieferungsersuchen der Vereinigten Staaten an die Innenministerin Priti Patel zur endgültigen Entscheidung weitergeleitet. Sie hat nun bis zum 18. Juli Zeit, den Beschluss bekannt zu geben. Derweil werden in Großbritannien Fakten geschaffen, die nicht nur Assanges Freiheit bedrohen.

Assanges Unterstützer hoffen noch, dass er in seinem Heimatland Australien in dem neu gewählten australischen Premierminister Anthony Albanese einen mächtigen Verbündeten hat. Der hatte sich bereits vor einiger Zeit gegen die Dauer-Inhaftierung von Julian Assange ausgesprochen. Der Labor-Politiker hatte zudem die Petition "Bring Julian Assange Home Campaign" unterschrieben und gefordert, dass Assange – auch wenn er nicht alle seine Handlungen gutheiße – endlich freigelassen wird. Berichten zufolge soll er kürzlich gesagt haben, er werde die USA bitten, die Anklage gegen Assange fallen zu lassen.

Seit dem Amtsantritt von Albanese steht diese Frage im Raum. Auf einer Pressekonferenz in der vergangenen Woche dazu befragt, sagte der australische Premier:

"Nicht alle auswärtigen Angelegenheiten werden am besten mit dem Lautsprecher erledigt."

Julians Bruder Gabriel Shipton zeigt sich Berichten zufolge vor diesem Hintergrund zuversichtlich und sieht eine große Veränderung gegenüber der Position früherer Regierungen, die den Fall Assange als Angelegenheit Großbritanniens darstellten:

"[Sie] haben immer gesagt 'Julian erhält konsularischen Beistand' und sagten Dinge wie 'das ist eine Angelegenheit der britischen Gerichte und die Regierung kann sich nicht einmischen.'

Sie haben sich mitschuldig gemacht an Julians Verfolgung und Inhaftierung, indem sie die Hände in den Schoß gelegt haben."

Er sagt, die Familie sei endlich zuversichtlich, dass Australien "hinter verschlossenen Türen" Gespräche führe, von denen sie hoffe, dass sie entscheidend sein könnten. Assanges Familie und Unterstützer zählen auf Albanese, um Druck auf das Vereinigte Königreich auszuüben, während die Frist für eine kritische Abschiebungsentscheidung näher rückt.

Ohnehin gibt es eine Reihe von Punkten, die nach rechtsstaatlichen Prinzipien zunächst geklärt werden sollten. So ist laut dem Richter Santiago Pedraz, der am Nationalen Gerichtshof von Spanien in dem Fall ermittelt, weiterhin offen, ob illegale Aufzeichnungen einer spanischen Sicherheitsfirma während Assanges Zeit in der ecuadorianischen Botschaft in London an Agenten des US-Geheimdienstes CIA weitergegeben wurden.

Wie die spanische Tageszeitung ABC im Juni berichtete, hatte Pedraz diesbezüglich den ehemaligen CIA-Direktor und US-Außenminister unter Donald Trump, Mike Pompeo, als Zeugen vorgeladen – auch um zu klären, ob die US-Regierung die Entführung oder gar Ermordung des WikiLeaks-Gründers Julian Assange geplant habe. Demnach hätten Beamte der CIA und der Trump-Administration "auf höchster Ebene" über eine mögliche Entführung oder Ermordung von Assange diskutiert. Dies habe ein ehemaliger hochrangiger Beamter der Spionageabwehr bestätigt. Konkret sollen sogar "Skizzen" oder "Optionen" für die Ermordung von Assange angefordert sein worden.

Pompeo, nach dessen eigenen Worten die CIA unter ihm als Direktor gelogen, betrogen und gestohlen hat, wurde vor das spanische Gericht geladen, wo er noch im Juni als Zeuge auftreten sollte, möglicherweise per Videoschalte. Bei der Untersuchung, ob die spanische Sicherheitsfirma UC Global Assange für den US-Geheimdienst ausspioniert hat, konnte Pedraz bisher kaum auf Unterstützung vonseiten US-amerikanischer oder britischer Behörden zählen.

Assange hatte im Jahr 2006 die Enthüllungsplattform WikiLeaks gegründet. Ab 2010 veröffentlichte WikiLeaks in Zusammenarbeit mit verschiedenen internationalen Medien wie dem Guardian, dem Spiegel, Le Monde, der New York Times und anderen geheime Dokumenten, die unter anderem von der US-Geheimdienstanalystin Chelsea Manning zur Verfügung gestellt wurden. So hat Assange es zum Ärger der betroffenen Regierungen ermöglicht, dass die Welt beispielsweise erfuhr, wie US-amerikanische Soldaten in Afghanistan und im Irak unbewaffnete Zivilisten sehenden Auges ermordeten, oder wie unschuldige Menschen zu Guantanamo-Insassen wurden, wo sie Folter ausgesetzt waren. Die USA suchen den WikiLeaks-Gründer wegen der Veröffentlichung von Geheimdokumenten. Denn damit soll er gegen das Spionagegesetz verstoßen und Menschenleben gefährdet haben, da das Gesetz die Beschaffung von Informationen im Zusammenhang mit der Landesverteidigung verbietet, die dazu verwendet werden können, die Interessen der USA zu untergraben oder ausländischen Staaten zu nützen.

Assange hat alle Vorwürfe bestritten. Seine Anwälte argumentieren, dass er nicht der US-Justiz unterstellt gewesen sei und legalen Journalismus betrieben habe. Weltweit fordern Unterstützer wie auch Menschenrechtsorganisationen seine Freilassung. Am Freitag wurde Assange als Ehrenmitglied der Schriftstellervereinigung PEN bekannt gegeben, und im Mai erhielt er den Günter-Wallraff-Preis mit der Begründung, dass er mit der Enthüllung von geheimem Bild- und Textmaterial zu möglichen Kriegsverbrechen der USA einen bedeutenden investigativen Beitrag zur Nachrichtenaufklärung geleistet und dafür immense Repressalien in Kauf genommen hat.

Der Australier wird seit über 3 Jahren in dem britischen Hochsicherheitsgefängnis Belmarsh gefangen gehalten, wo sich sein Gesundheitszustand laut seiner Ehefrau Stella Moris und der Einschätzung von Experten erheblich verschlechtert hat. Im Oktober 2021 soll er einen Schlaganfall erlitten haben. Zuvor hatte er sich sieben Jahre lang in der ecuadorianischen Botschaft in London verschanzt und war permanent mit der Verhaftung durch die britischen Behörden bedroht. Auch wurde von der spanischen "Sicherheitsfirma" UC Global bis in die intimsten Details ausspioniert.

Der spanische Richter Santiago Pedraz will geklärt sehen, inwieweit der US-Geheimdienst CIA Empfänger der illegalen Aufzeichnungen und Informationen über Assange und seine Anwälte ist. Spanischen Medien zufolge blockiert die britische Justiz die Untersuchungen jedoch, und auch das US-Justizministerium hat sich alles andere als kooperatv gezeigt. Während die seitens Spaniens angeforderten Informationen über die IP-Adressen amerikanischer Computer, die Zugang zu der von UC Global gesammelten illegalen Überwachung von Assange hatten, nicht herausgegeben wurden, sollen Beamte des US-Justizministeriums versucht haben, Pedraz Informationen über Identitäten der UC Global-Whistleblower zu entlocken.

Zuletzt hatte die Regierung in London anerkannt, dass die Rechte der Assange-Anwältin Jennifer Robinson durch Spähangriffe verletzt worden waren. Davon sei auch vertrauliches journalistisches Material betroffen gewesen, wie der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg am Donnerstag mitteilte. Robinson erhalte daher eine Zahlung von 1.000 Pfund (umgerechnet rund 1170 Euro). Bei der Klage vor dem Gerichtshof für Menschenrechte, die nun eingestellt wurde, war es auch um die Weitergabe von Informationen an die USA gegangen.

Wie genau die Star-Anwältin, die ebenso wie Amal Clooney bei der Kanzlei Doughty Street Chambers arbeitet, ausgespäht worden sein soll, wurde indes nicht bekannt. Die britische Regierung halte das aus angeblichen Gründen der "nationalen Sicherheit" unter Verschluss, sagte Robinson im Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur. Und weiter:

"Ich würde das auch sehr gerne wissen, weil es wichtige Fragen aufwirft darüber, welche Informationen weitergegeben wurden."

Mit der "gütlichen Einigung" habe die britische Regierung eingestanden, dass es einen hinreichenden Grund für die Annahme gebe, dass sie überwacht worden sei. "Die britische Regierung hat nun zugegeben, dass ihre Überwachungs- und Informationsaustauschvereinbarungen mit den USA meine Rechte verletzten. Das gilt auch für den Schutz von vertraulichem journalistischem Material," so Robinson, die seit mehr als zehn Jahren in dem Fall engagiert ist.

Diese Vorgänge werfen auch Fragen darüber auf, welche möglicherweise illegal erworbenen Informationen die britische und die US-amerikanische Regierung über den Fall Assange ausgetauscht haben.

Indes werden Bedrohungen der "nationalen Sicherheit" in Großbritannien aktuell neu definiert, was auch Auswirkungen auf Assange haben könnte. Am 6. Juni, während die Aufmerksamkeit auf das Misstrauensvotum gegen Boris Johnson gerichtet war, hat die konservative britische Regierung ein restriktives Gesetz von Innenministerin Priti Patel zur Wahrung von Staatsgeheimnissen (Official Secrets Act) vorangebracht.

Die bestehende Spionage-Gesetzgebung soll durch "eine Reihe neuer Straftatbestände und begleitender Befugnisse" ersetzt und enorm ausgeweitet werden, sodass für den britischen Staat unbequemer investigativer Journalismus entsprechend sanktioniert werden könnte. Daran, dass die Abgeordneten bei der Debatte Assange im Blick hatten, ließen einige gar keinen Zweifel. So hat der Tory-Abgeordnete Sir Robert Buckland klar gemacht, dass es darum gehen müsse, "sicherzustellen, dass diejenigen wie Julian Assange, die Daten ohne Rücksicht auf die Sicherheit von Mitarbeitern und anderen Betroffenen veröffentlichen, weiterhin strafrechtlich sanktioniert werden."

Bei einer Auslieferung an die USA drohen Assange bis zu 175 Jahre Gefängnis. Laut seinen Anwälten würde die Auslieferung einem "Todesurteil" gleichkommen, da ihm in den USA womöglich Einzelhaft und psychologische Folter bevorstehen könnten.

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