Fücks über Scholz, Macron und Draghi: "Befürchtung, dass die drei mit Friedensplan kommen"
Trotz Rohstoff- und Energieknappheit gehören Ralf Fücks und seine Frau Marieluise Beck zu denjenigen Politikern beziehungsweise Lobbyisten der Bundesregierung, die seit Kriegsbeginn in der Ukraine ein und aus gehen. Im Interview mit der Welt am Donnerstag gewährte Fücks nun Einblick in seine Weltsicht. Über die Situation in der Ukraine sagt er zu Beginn:
"Die Ukraine verfügt über große Kampfmoral und strategische Intelligenz. Woran es mangelt, sind Bewaffnung und Munition. Je länger der Krieg dauert, desto größer wird die Gefahr, dass die Ukraine in die Defensive gerät."
Die hohen Verluste der Ukraine begründet Fücks auch mit der angeblich fehlenden Unterstützung des Westens:
"Das liegt vor allem daran, dass die ukrainische Armee nicht über die nötigen Distanzwaffen verfügt, um den massiven Einsatz russischer Artillerie und die russischen Luftangriffe zu kontern. … Es gibt eine gewisse Verzweiflung darüber, dass sie von Westeuropa nicht genügend Unterstützung finden. Das gilt auch für Deutschland."
Mögliche diplomatische Lösungen oder gar Friedensverhandlungen sieht der Grüne kritisch:
"Es gibt Befürchtungen, dass Teile des Westens auf einen territorialen Kompromiss mit Russland hinarbeiten. Das läuft völlig konträr zur Haltung der ukrainischen Regierung und Gesellschaft. Russland hat mit massiven Kriegsverbrechen, mit der Bombardierung von Wohnquartieren, der gezielten Zerstörung der Infrastruktur, den Vergewaltigungen und der Verschleppung von Zivilisten ein hohes Maß an Erbitterung erzeugt. Kein ukrainischer Präsident würde es politisch überleben, jetzt Gebietsabtretungen an Russland zu unterschreiben. Das ist eine toxische Idee, nicht nur für die Ukraine, sondern für ganz Europa."
Fücks meint weiter:
"Wenn die Ukraine gezwungen würde, durch Verweigerung von Waffenhilfe einen Kapitulationsfrieden zu unterschreiben, würde das die europäische Friedensordnung über den Haufen werfen."
Dann wagt er einen Blick in die Zukunft und gibt, eingepackt in den Versuch, Russland zu dämonisieren, folgende Prognose:
"Ein Waffenstillstand, der Russland seine Eroberungen überlässt, wäre nur ein Zwischenspiel bis zum nächsten Angriff. Das erklärte Ziel Putins ist, in der Ukraine den Westen anzugreifen.
Im russischen Staatsfernsehen wird jeden Tag gepredigt, man befinde sich im Krieg mit der NATO. Es geht darum, die ganze Entwicklung seit 1990 wieder umzukehren. Wenn man das nicht ernst nimmt, landen wir in ein paar Jahren, wenn Russland sich militärisch erholt hat, im nächsten Krieg. Und der würde vermutlich auf NATO-Territorium ausgetragen."
Abschließend spricht er sich für einen EU-Beitritt der Ukraine aus und äußert die Hoffnung, dass der derzeitige Besuch der Staatschefs der Bundesrepublik, Italiens und Frankreichs nicht zur Befreiung des Donbass oder anderer territorialer Veränderungen führt:
"Die Befürchtung ist, dass die drei mit einem sogenannten Friedensplan kommen, mit dem die russischen Eroberungen faktisch zementiert werden. Dagegen erwartet Kiew ein klares Bekenntnis, die Ukraine mit aller Kraft zu unterstützen, diesen Krieg zu gewinnen. Die Zeit der Halbheiten ist vorbei."
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Auf beiden Seiten des Konfliktes sind zahlreiche Soldaten und Zivilisten getötet worden. Moskau und Kiew haben sich gegenseitig verschiedener Kriegsverbrechen beschuldigt. Tausende Ukrainer sind mittlerweile aus ihrer Heimat geflohen.