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Niederländisches Gericht ignoriert unbequeme Beweise beim MH17-Urteil

Am Donnerstag hat ein niederländisches Gericht ein Urteil über den Absturz des Flugs MH17 bei Donezk im Juli 2014 gefällt. Demnach sei das malaysische Flugzeug von Milizionären der DVR abgeschossen worden. Allerdings wurden während des gesamten Prozessverlaufs "unbequeme" Beweise vom Gericht ignoriert.

Am Donnerstag hat ein Gericht in Den Haag drei Personen wegen des Abschusses des Flugzeugs MH17 der Malaysia Airlines und des damit verursachten Todes von 298 Passagieren und Besatzungsmitgliedern im Jahr 2014 für schuldig befunden. Das Gericht erklärte, die Schuld des russischen Staatsbürgers und ehemaligen Befehlshabers der Milizionäre der DVR Igor Girkin (Strelkow) sowie zweier seiner Untergebenen – des russischen Bürgers Sergei Dubinski und des ukrainischen Bürgers Leonid Chartschenko sei erwiesen. Sie wurden in Abwesenheit zu jeweils lebenslänglichen Haftstrafen verurteilt und außerdem verpflichtet, den Angehörigen der Verstorbenen eine Entschädigung von mindestens 16 Millionen Euro zu zahlen.

Nach der Beurteilung durch dieses Gericht sei das Flugzeug mit der Flugnummer MH17 im Jahr 2014 unter Einsatz eines Luftabwehrsystems 9K37 Buk abgeschossen worden. Die dabei eingesetzte Rakete sei aus der Ortschaft Perwomaiskoje abgefeuert worden, die zum damaligen Zeitpunkt unter der Kontrolle durch die DVR-Miliz stand. Einer der angeblich Beteiligten, der Kommandant der Donezker Hauptaufklärungsverwaltung Oleg Pulatow, wurde freigesprochen. Das Gericht fand keine überzeugenden Beweise, dass Pulatow zum Einsatz des Buk-Luftabwehrsystems beigetragen hätte. Es ist dabei anzumerken, dass Pulatow der einzige Angeklagte war, dessen Interessen von einem Anwalt vertreten werden konnten. Das niederländische Gericht konnte die Argumente der Verteidigung von Pulatow nicht widerlegen und sah sich veranlasst, Pulatow von allen Anschuldigungen freizusprechen.

In ihrem Urteil räumten die niederländischen Richter ein, dass das Ziel der Buk-Rakete ein Militärflugzeug gewesen war, so dass die malaysische Maschine versehentlich abgeschossen worden sei. Doch wie der vorsitzende Richter Hendrik Steenhuis betonte, schließe ein solcher Fehler einen Vorsatz nicht aus. Im Urteil wurde außerdem betont, dass die angeklagten Milizionäre über keinen Kombattanten-Status verfügten und somit überhaupt kein Recht hatten, die Rakete abzufeuern.

Die Katastrophe hatte sich am 17. Juli 2014 ereignet. Ein Flugzeug vom Typ Boeing 777 der Malaysia Airlines war auf dem Flug MH17 von Amsterdam nach Kuala-Lumpur in der Nähe von Donezk abgestürzt. Sämtliche Passagiere und Besatzungsmitglieder kamen dabei ums Leben. Kiew legte die Tragödie umgehend den Milizionären der DVR zur Last. Dabei übertrug die Ukraine ihre Rechte auf eine Untersuchung an die Niederlande, vertreten durch den Untersuchungsrat für Sicherheit, und an ein internationales "Gemeinsames  Ermittlungsteam" (Joint Investigation Team: JIT).

Wie der erste stellvertretende Vorsitzende des russischen Föderationsrats für internationale Angelegenheiten Wladimir Dschabarow gegenüber der Nachrichtenagentur RIA Nowosti erklärte, sei das jetzige Urteil vorhersehbar gewesen, allerdings sei es dennoch juristisch nichtig. Der Leiter des Duma-Komitees für internationale Angelegenheiten Leonid Sluzki bezeichnete seinerseits das Urteil als politisch motiviert und wies dabei insbesondere auf einen Mangel an Beweisen hin. Er erklärte der Nachrichtenagentur TASS, dass russische Spezialisten zu keinem Zeitpunkt für die Teilnahme an den Ermittlungen des JIT zugelassen wurden.

Dabei erinnerte RIA Nowosti daran, dass Russland die Aufzeichnungen seiner Radaranlagen für das Gebiet, aus dem die Rakete abgefeuert wurde, veröffentlicht hatte. Die Ukraine weigerte sich indessen, entsprechende Angaben und Aufzeichnungen ihrer drei Radaranlagen sowie der Tonaufzeichnungen der Gespräche zwischen dem Flugpersonal und den Fluglotsen dieses Fluges offenzulegen.

Außerdem hätten die Ermittler des JIT die von Russland bereitgestellten detaillierten Angaben des Herstellers von Buk-Luftabwehrsystemen, des russischen Konzerns Almas-Antei ignoriert, fügte Sluzki hinzu. Die von Almas-Antei dreifach angestellten Modellierungen zeigten, dass das malaysische Flugzeug durch eine Rakete abgeschossen wurde, die von einem Punkt 3,5 Kilometer südlich der damals von ukrainischen Streitkräften besetzten Ortschaft Saroschtschenskoje abgefeuert wurde. Dabei handelte es sich um eine Rakete vom Typ 9M38, die seit 1986 nicht mehr produziert wird und die seit 2011 von den russischen Streitkräften nicht mehr eingesetzt wird, so die Ausführungen von Almas-Antei weiter. Ein Abschuss mit einer russischen Rakete des moderneren Typs 9M38M1 sei indessen ausgeschlossen, da keine für diese Modifikation charakteristischen Beschädigungen am rekonstruierten Flugzeugwrack vorgefunden wurden.

Zusätzlich veröffentlichte Russlands Verteidigungsministerium im Jahr 2018 auch noch Unterlagen, die anhand der damals von der niederländischen Seite vorgelegten Seriennummer auf den Trümmern der Rakete deren Weg von der Herstellung der Waffe bis zur Militäreinheit, in der die Rakete stationiert wurde, nachverfolgen lassen. Demnach sei die Rakete im Jahr 1986 an eine Militäreinheit in der damaligen Ukrainischen SSR übergeben worden. Die Rakete wurde auch zu keinem Zeitpunkt zurück nach Russland  verlegt, während die entsprechende Einheit der ukrainischen Streitkräfte seit 2014 von Kiew bei Kämpfen im Donbass eingesetzt wurde.

Der Doktor der Rechtswissenschaften Professor Anatoli Kowler verwies auf ernste Verfahrensmängel bei dem Prozess in den Niederlanden. In einem Interview erklärte er der Zeitung Wsgljad:

"Russland wurde nie in das JIT aufgenommen, obwohl auch Australien und Malaysia dort aufgenommen wurden, mit der alleinigen Begründung, dass sich unter den Verstorbenen Staatsangehörige dieser Länder befanden. Doch bei allem Respekt, wo liegt Australien und wo der Tatort?"

Kowler erinnerte außerdem auf die von Pulatows Verteidigern vorgebrachten Anträge, Zeugen der Verteidigung in dem Prozess einzubeziehen. Diese Anträge wurden vom Gericht zurückgewiesen. Damit sei nach Kowlers Meinung ganz klar das im Artikel 6 der Europäischen Menschenrechtskonvention festgelegte Recht auf ein faires Verfahren verletzt worden. Kowler räumte ein:

"Trotzdem zeigte das Gericht eine gewisse Objektivität und wies darauf hin, dass keine Beweise vorliegen, dass Russland als Staat an dieser Katastrophe mitschuldig ist."

Der ehemalige Vertreter Russlands beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte Pawel Laptew äußerte die Ansicht, dass es sich bei dem Flugzeugabsturz und dem Urteil darüber um eine Provokation handelte, die "von Anfang bis Ende von den USA mit initiiert und durchdacht war". Er erklärte das so:

"Die USA legten ihre Satellitenbilder nicht vor. Danach übten sie Druck auf das internationale Gemeinsame Ermittlungsteam und auf die Rechtspflegebehörden aus, damit diese nicht mit Russland zusammenarbeiten, trotz Moskaus Aufrufen zur Zusammenarbeit in dieser Angelegenheit."

Der stellvertretende Leiter der Abteilung für Information und Publikation des russischen Außenministeriums Iwan Netschajew kündigte an, dass Russland das Urteil des Den Haager Gerichts untersuchen werde: "In solchen Fragen spielt jedes Detail eine Rolle." Wenig später erschien auf der Seite des russischen Außenamtes eine Erklärung, die verkündete:

"Sowohl der Verlauf als auch die Ergebnisse des Verfahrens zeugen davon, dass ihm  ein politischer Auftrag zugrunde lag, die von Den Haag und ihren Mitstreitern unterstützte Version über Russlands Mitschuld an der Tragödie zu bestätigen."

Während des gesamten Prozesses befand sich das Gericht in Den Haag unter einem beispiellosen Druck vonseiten niederländischer Politiker, Kulturschaffender und Medienvertreter, die ein politisch motiviertes Urteil erzwangen, fügte das Ministerium hinzu. Es verwies ferner auf einige zweifelhafte Details in der Position aufseiten der Ankläger.

Das Urteil sei mit Aussagen anonymer Zeugen sowie mit Angaben zweifelhaften Ursprungs sowie mit den vom Sicherheitsdienst der Ukraine (SBU) vorgelegten Unterlagen begründet, merkte das Ministerium an. Dabei ist der SBU der Ukraine in diesem Fall nicht nur eine befangene Partei, sondern wurde mehrmals der Vorlage falscher oder sich widersprechender Aussagen überführt. Das Ministerium erklärte weiter:

"Dagegen wurden die vom russischen Verteidigungsministerium freigegebenen Dokumente, die die Übergabe der Rakete mit der gleichen Seriennummer wie der auf dem Absturzort gefundenen an die Ukraine bestätigen, nicht beachtet."

Die Richter hätten außerdem die zum Zeitpunkt der Katastrophe von einem US-amerikanischen Satelliten über Donezk gefertigten Bildaufnahmen nicht erhalten. Auf eine entsprechende Anfrage antworteten die USA mit einer ausdrücklichen Weigerung, doch hätte auch dies keine kritischen Fragen vonseiten des Gerichts zur Folge gehabt.

Kowler wies ebenfalls darauf hin, dass während des Verfahrens nur "bequeme" Zeugenaussagen in die Beweisgrundlage aufgenommen wurden. So wurden etwa Aussagen über den Abschuss einer Rakete aus der von ukrainischen Streitkräften besetzten Ortschaft Amwrossijewka ignoriert. Die Begründung lautete, dass diese Zone zu weit von dem Punkt entfernt sei, an dem das Flugzeug von den Radaren verschwunden war. Kowler erklärte dazu:

"Diese Praxis wird als selektive Anwendung von Beweismitteln bezeichnet. Alle von den Anwälten verlangten Beweise müssen im Prozess verwendet werden. Obwohl sich die niederländische Justiz durch ein hohes Maß an Akribie und Skrupellosigkeit auszeichnet, scheinen in diesem Fall Ausnahmen gemacht worden zu sein."

Der Jurist merkte außerdem an, dass das Urteil ausgerechnet zu einem Zeitpunkt verkündet wurde, als wenige zuvor Tage eine mittlerweile nachweislich ukrainische S-300-Luftabwehrrakete auf polnischem Gebiet einschlagen war und dort zwei Zivilisten getötet hatte:

"Zuallererst wurden Vorurteile verkündet, dass diese Rakete von russischer Seite gekommen sei, doch später waren die USA noch objektiv genug, um die Beteiligung der Ukraine einzuräumen. Leider war solch eine Objektivität bei dem ganzen Verfahren über MH17 nicht gegeben."

Die Frage, ob Kiew dafür verantwortlich sei, dass der Luftraum über einem umkämpften Gebiet nicht gesperrt worden war, wurde schließlich vom Gericht überhaupt nicht berücksichtigt. Dabei sei es erwiesen, dass im Gebiet der von Kiew veranlassten sogenannten "Anti-Terror-Operation" ukrainische Luftabwehrsysteme, darunter vom Typ Buk, mit aktivierten Radaren und in Gefechtsbereitschaft stationiert wurden, erklärte das russische Außenministerium.

Beim Verfassen des Textes wurden Materialien der Zeitung Wsgljad verwendet.

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