Ex-Pentagon-Berater: Selenskij war im März zur Neutralität bereit
Der ukrainische Präsident Wladimir Selenskij ist im März bereit gewesen, einige der Moskauer Friedensbedingungen zu erfüllen. Dies erklärte kürzlich der pensionierte Oberst der US-Armee, Douglas Macgregor, in einem Interview. Er warf dem ehemaligen britischen Premierminister Boris Johnson vor, eine Einigung verhindert zu haben.
Als ukrainische und russische Delegationen im März in Istanbul zusammenkamen, tauchten Nachrichten über ein mögliches Abkommen auf, das vorsah, dass Kiew auf seine Ambitionen, der NATO beizutreten, verzichte und der Neutralität zustimme, im Gegenzug für den Rückzug Russlands auf die Frontlinie, die es vor dem 24. Februar gehalten hatte. Einige Tage später erklärte Selenskij, dass er in dem von den russischen Streitkräften geräumten Gebiet Beweise für Kriegsverbrechen gefunden habe, woraufhin die Verhandlungen abgebrochen wurden.
In einem Interview mit dem Militärhistoriker Michael Vlahos, das am Samstag veröffentlicht wurde, behauptete Macgregor, dass das Vereinigte Königreich für das abrupte Ende der Friedensgespräche verantwortlich sei. So sagte der pensionierte Oberst der US-Armee:
"Wir haben Beweise dafür, dass Herr Selenskij gegen Ende März sagte: 'Nun, wir könnten mit der Neutralität leben', und als diese Nachricht Washington und London erreichte, waren die Leute empört."
Boris Johnson, so Macgregor weiter, habe die Interessen Washingtons vertreten und gesagt: "Auf keinen Fall, wir werden euch bis zum bitteren Ende unterstützen. Ihr müsst euch behaupten und um jeden Zentimeter der Ukraine kämpfen."
Macgregor ist nicht der erste Vertreter der USA, der andeutet, dass Selenskij im März zum Frieden bereit gewesen sei. Fiona Hill, eine erfahrene US-Diplomatin, die in der Administration des ehemaligen US-Präsidenten Donald Trump als leitende Direktorin des Nationalen Sicherheitsrats der USA für Europa und Russland zuständig war, schrieb im September, dass in Istanbul eine "Zwischenlösung" vereinbart worden sei.
Im Mai brachten auch ukrainische Medien das Scheitern dieser Gespräche mit dem auf Kiew ausgeübten Druck durch Johnson in Verbindung. Der damalige britische Premierminister hatte Kiew am 9. April besucht – Berichten zufolge ohne Ankündigung – und laut der Zeitung Ukrainskaja Prawda zu den Verantwortlichen gesagt, dass "selbst wenn die Ukraine bereit ist, einige Vereinbarungen über Garantien mit Putin zu unterzeichnen, sie [der Westen] es nicht sind".
Jetzt, fast zehn Monate nach Beginn des Konflikts, hat Selenskij Verhandlungen mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin untersagt und versprochen, alle Regionen Donezk, Lugansk, Cherson und Saporoschje zurückzuerobern, die im September für den Beitritt zur Russischen Föderation gestimmt hatten. Der ukrainische Staatschef hat auch geschworen, die Krim zu erobern, die seit einem Referendum im Jahr 2014 Teil der Russischen Föderation ist.
Der Pressesprecher des Kremls, Dmitri Peskow, erklärte wiederholt, dass Russland nach wie vor offen für Gespräche sei, warnte aber im Oktober davor, dass westliche Mächte einbezogen werden müssten, da eine Vereinbarung mit der Ukraine allein auf Befehl des Westens "sofort gekündigt" werden könne.
Selenskij selbst geht wohl von "Friedenszeiten" im nächsten Jahr aus. Dies geht zumindest aus seinen Aussagen in einem Interview mit der Nachrichtenplattform Politico vom 7. Dezember hervor, in dem er erklärt hatte, dass die Ukrainer "auch nächstes Jahr die einflussreichsten sein werden, aber schon in Friedenszeiten". Das Politikmagazin hatte ihn vergangene Woche zur "mächtigsten Person in Europa" in diesem Jahr gekürt.
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Am 24. Februar kündigte der russische Präsident Wladimir Putin an, gemeinsam mit den Streitkräften der Donbass-Republiken eine militärische Spezialoperation in der Ukraine zu starten, um die dortige Bevölkerung zu schützen. Die Ziele seien, die Ukraine zu entmilitarisieren und zu entnazifizieren. Die Ukraine spricht von einem Angriffskrieg. Noch am selben Tag rief der ukrainische Präsident Wladimir Selenskij im ganzen Land den Kriegszustand aus.
Der Westen verurteilte den Angriff, reagierte mit neuen Waffenlieferungen, versprach Hilfe beim Wiederaufbau und verhängte Sanktionen gegen Russland.
Auf beiden Seiten des Konfliktes sind zahlreiche Soldaten und Zivilisten getötet worden. Moskau und Kiew haben sich gegenseitig verschiedener Kriegsverbrechen beschuldigt. Tausende Ukrainer sind mittlerweile aus ihrer Heimat geflohen.