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"Ihr da unten …" – Debatte um Treibhausgase von Privatjets verdeutlicht Ungleichheit

Während die da unten, am Boden die Gürtel enger schnallen und überall Energie sparen oder noch teurer bezahlen sollen, heben immer mehr Vermögende ab. Auch für Kurzstrecken werden ungeachtet der Emissionen Privatflugzeuge benutzt. Angebliche "Lösungen" erweisen sich als heimtückisch.
"Ihr da unten …" – Debatte um Treibhausgase von Privatjets verdeutlicht UngleichheitQuelle: www.globallookpress.com © Cover Images/Keystone Press Agency/ Global Look Press

Kennen Sie das auch – das schlechte Gewissen, wenn man sich entscheidet, doch die Heizung aufzudrehen, statt sich an Kerzen zu wärmen? Oder den Rechtfertigungsdruck, weil man als Autofahrer zunehmend am Pranger steht – auch wenn man gute Gründe für die Unvermeidlichkeit des Autofahrens hat? Oder gar die Diskussionen innerhalb der Familie vielleicht, wenn man eine Flugreise machen will? Oder auch das Dilemma (nicht nur wenn man frisch verliebt ist), weil man gerade eine warme Dusche den Hygieneempfehlungen eines Herrn Kretschmann vorzieht?

Die Bevölkerung wurde im letzten Jahr in bisher ungekanntem, kaum für denkbar gehaltenem Maß dazu angehalten, an allen Ecken und ohne Ende Energie zu sparen. Die historischen Preissteigerungen taten ihr Übriges, viele etwa vom gewohnten Kraftstoffverbrauch abzuhalten. Und so erhielten jene Bürger Lob, wenn sie mit einer "gemeinsamen Kraftanstrengung" vermeintlich gar die Geopolitik beeinflussen und durch das private Frieren direkt die "russische Kriegskasse" austrocknen halfen.

Zeitgleich konnten in diesem Supersparjahr dieser an die Mehrheit adressierten Spartipps aber jene weiterhin in Saus und Braus leben, die vom zunehmend konzentrierten Reichtum profitieren.– Die zeigten sogar noch weniger Bodenhaftung als in den vorangegangenen Jahren – im wahrsten Sinne des Wortes. Denn im Jahr 2022 sind Flüge mit Privatjets in Deutschland auf ein Rekordniveau gestiegen.

Über 94.000 Starts von Business-Flugzeugen in Deutschland und damit etwa 8.000 mehr als im Vorjahr konnten sich im von Einbußen geprägten Jahr über die dicke Luft am Grund erheben, wo nicht wenige viel Nerven und geistige Energie opfern mussten, wenn sich die Menschen gegenseitig Vorhaltungen und das Leben schwer machten. Doch erscheint diese Aufregung als relative Energieverschwendung, da es sich vergleichsweise um "Peanuts" handelt.

Dem Bericht zufolge haben Privatjets europaweit im vergangenen Jahr Treibhausgas-Emissionen von etwa 10 Millionen Tonnen CO₂ verursacht. Laut den Zahlen, unter anderem bezugnehmend auf die Luftverkehrskontroll-Organisation EUROCONTROL, gingen zeitgleich etwa 260 Flüge täglich in die Luft, ein Zuwachs um 9 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Privatjet-Flüge machten damit etwa 12 Prozent des gesamten Flugverkehrs in Deutschland aus.

Fast drei Viertel der in Deutschland gestarteten Flüge seien kürzer als 500 Kilometer gewesen. Dabei werden laut zitierten Wissenschaftlern schon in der ersten Stunde eines solchen Flugs bei dem meistgenutzten Privatjet-Modell etwa 760 Kilogramm Kerosin verbraucht. Demnach gelangen mehr als 9 Tonnen Treibhausgase in der ersten Flugstunde in die Atmosphäre. Häufig geflogene Strecken waren demnach Hamburg – Sylt oder Berlin – München. Bei längeren Flügen war der mit Abstand häufigste Zielort die spanische Ferieninsel Mallorca.

Professor Stefan Gössling kritisierte in dem Beitrag solche Flüge als größtenteils  überflüssig: "Wir können aus Klima-Perspektive nicht länger zuschauen, dass viele Reisen mit dem Flugzeug gemacht werden, gerade mit Privat-Flugzeugen, die auch genauso gut mit der Bahn absolvierbar wären oder meinetwegen mit dem Privatwagen", so der seit Jahren zu den Auswirkungen des Flugverkehrs auf den Klimawandel forschende Wissenschaftler.

Was die Ungleichheit zwischen geschassten Autofahrer wie auch Steuerzahlern einerseits und andererseits denen, die es sich leisten können, weiter vertieft, ist die Tatsache, dass "kleinere" Betreiber von Privatjets obendrein vom europäischen Emissionshandel befreit sind, der eigentlich für jedes Luftverkehrsunternehmen obligatorisch ist.

Schon des Öfteren wurde berechnet, dass die sehr Vermögenden einen massiven Ressourcen- und Materialverbrauch allein schon durch ihren Lebensstil haben. Hinzu kommen Investitionen in umweltschädliche Bereiche, wie beispielsweise der Wohlfahrtsverband Oxfam im November letzten Jahres wieder mitteilte: "Emissionen durch den Lebensstil der Milliardäre, darunter ihrer Privatflugzeuge und Jachten, übersteigen diejenigen gewöhnlicher Personen um das Tausendfache."

Diesem Ungleichgewicht will der Klimaforscher Hans Joachim Schellnhuber mit dem uralten Vorschlag des Emissionshandels auf privatem Niveau beikommen. Demnach solle jede Person künftig ein Klimabudget von 3 Tonnen CO₂ jährlich haben. Wer über diese Verhältnisse leben möchte, müsse sich eben zusätzliche CO₂-Rechte kaufen. Bisher liegt der durchschnittliche CO₂-Verbrauch von Privatpersonen in Deutschland zwischen acht und zehn Tonnen. Millionäre kommen jährlich auf mehr als 100 Tonnen CO₂, Superreiche auf tausende Tonnen CO₂ pro Jahr.

Mit der vorgeschlagenen Maßnahme wäre es den Superreichen wohl dennoch weiterhin möglich, wie bisher zu leben, während der auch hierzulande signifikante Teil der Geringverdiener wohl zuschauen müsste und selbst der deutsche Durchschnittsbürger weiterhin mit dem Einsparen von Energie beschäftigt wäre. Allerdings lehnt der Bundesminister für Wirtschaft und Klimaschutz Robert Habeck (Bündnis 90/Die Grünen) eine solche Lösung mit dem Fokus auf Einzelpersonen ab. "Ich konzentriere mich jetzt nicht auf die Frage eines individuellen Budgets", erklärt Habeck im ARD Panorama-Interview.

Macht aber nichts, denn in einen Schweizer Bergort fliegen auch in diesem Jahr wieder rund 600 Konzernchefs und Politiker, die "die Zukunft gestalten" wollen, wenn zugleich große Unternehmen auf Kosten der Allgemeinheit ihre Gewinne erhöhen können. Davos ist dafür bekannt ist, dass viele mit dem Privatjet oder der Propellermaschine anreisen. Schon in seinem hierzulande 2021 erschienenen Buch nahm der US-Milliardär Bill Gates eine passende Überlegung vorweg:

"... ich besitze große Häuser und fliege mit Privatjets – tatsächlich bin ich mit so einem Flugzeug zur Klimakonferenz nach Paris gereist, wer bin ich also, mich berufen zu fühlen, irgendjemandem Vorträge über die Umwelt zu halten?"

Auch wenn sich der Mega-Investor Gates auf den knapp 300 folgenden Seiten selbst zu einem Teil der Lösung erklärt, bleibt diese Behauptung für die Mehrheit wohl eine eher berechtigte Frage. Aber dank der nie endenden Investitions- und Innovationswut einiger findiger Firmen sollen sich künftig eher noch mehr als weniger Menschen in die Lüfte erheben, beispielsweise mit Flugtaxis. Zum Glück sollen zwar nicht wenige davon elektrisch betrieben werden. Wie sich in Schweden zeigt, wird bereits in die Elektrifizierung der Industrie und des Verkehrs investiert, allerdings auch mit vermeintlich überholten Formen der Stromproduktion.

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