"Zeit"-Recherchen belegen massiven globalen Betrug mit CO₂-Zertifikaten
Viele ahnten bereits, dass CO₂-Zertifikate nicht wirklich dazu dienen, die Auswirkungen des Klimawandels zu reduzieren, sondern vielmehr eine Art "Ablasshandel" darstellen. Bisher gehörten derartige Befürchtungen eher in die Kategorie "Verschwörungstheorie", doch nun belegen Recherchen der Wochenzeitung Zeit Online das globale Ausmaß des Skandals.
Der Handel mit CO₂-Zertifikaten boomt weltweit. Konzerne wie Shell, Gucci, Apple, Volkswagen und Disney zahlen Geld dafür, dass irgendwo auf der Welt ein Klimaschutzprojekt Kohlendioxid einspart, welches die Firma weiterhin ausstößt. Der Handel darüber wird mit Zertifikaten geregelt, die die Firma für "eingespartes" CO₂ erhält. Auf den ersten Blick klingt dies verlockend, doch hierfür sind Institutionen nötig, die garantieren, dass das CO₂ in den entsprechenden Projekten auch wirklich eingespart wird.
Dies erfolgt vor allem durch den Zertifikate-Anbieter Verra, dem weltweit führenden Zertifizierer für CO₂-Kompensation. 75 Prozent des Emissionshandels auf dem freiwilligen, nichtstaatlichen Markt werden unter Aufsicht von Verra eingespart. Normalerweise gehen die Geschäfte folgendermaßen vonstatten: Shell kauft beispielsweise über einen Händler Zertifikate, um sich von der eigenen Emission "freizukaufen". Projektbetreiber sorgen dafür, dass der CO₂-Ausstoß kompensiert wird – beispielsweise indem ein Stück Regenwald nicht wie geplant abgeholzt wird. Die Organisation Verra bestimmt nun, wie viele Zertifikate sich die Projekte anrechnen dürfen.
Zahlreiche Unternehmen werben nun weltweit damit, wie "klimafreundlich" sie angeblich sind. Doch wie Recherchen der Zeit, des Guardian und des britischen Recherchepools Source Material zeigen, wurden über Jahre CO₂-Zertifikate verkauft, die es gar nicht hätte geben dürfen. In zahlreichen Waldschutzprojekten wurde das Kompensationspotential offenbar systematisch überbewertet. Das liegt daran, dass die Regeln des Anbieters dies zulassen und die Aufsicht versagt.
Bereits zuvor hatte es in diesem Kontext Zweifel an einzelnen Waldschutzprojekten gegeben. In zwei Studien hatten Forschungsteams 29 der 87 Waldschutzprojekte untersucht, die von Verra zertifiziert sind. Die Ergebnisse legen nahe, dass 90 Prozent der Zertifikate wertlos sind. Auf dem Markt wurden demnach 89 Millionen Tonnen CO₂ als "Geisterzertifikate" gehandelt. Dieser Befund bezieht sich allerdings nur auf ein Drittel der untersuchten Projekte, die Dunkelziffer dürfte entsprechend höher liegen.
Das Prinzip von Waldschutzprojekten ist einfach: Intakte Wälder ziehen Kohlendioxid aus der Luft und speichern es. Das gebundene Kohlendioxid trägt nicht mehr zum Klimawandel bei. Damit die Projekte funktionieren, müssen die Wälder allerdings über viele Jahre intakt bleiben. Bäume können jedoch bei Stürmen oder Bränden zerstört oder auch abgeholzt werden. Ein auf Waldschutzprojektion basierender Emissionshandel birgt also ein Risiko – und Raum für Spekulationen.
Wegen derartiger Unsicherheiten hatte die UN bereits 1997 im Kyoto-Protokoll beschlossen, den Schutz von Wäldern nicht in ihr staatliches Kompensationsprogramm aufzunehmen. Mit entsprechenden Programmen wurde Industrienationen ermöglicht, ihren CO₂-Ausstoß über Projekte in Drittländern zu kompensieren. Auch in weiteren Programmen wurden entsprechende Projekte ausgeschlossen, stattdessen legte man den Fokus auf erneuerbare Energie und Baumpflanzungen, nicht jedoch auf den Schutz bestehender Wälder. Dies sah man als zu riskant an.
Konzernvertreter sahen dies jedoch anders und etablierten 2006 ihren eigenen Standard, der einige Jahre später zum Marktführer auf dem freiwilligen Markt werden sollte. Unter den Gründern finden sich bekannte Namen wie das berüchtigte Weltwirtschaftsforum (WEF) und die "Climate Group", ein globaler Zusammenschluss von Politikern und Unternehmen wie BP, Starbucks und Allianz. Ebenso vertreten sind der internationale Wirtschaftsrat WBCSD und die IETA, der größte Lobbyverband des Emissionshandels, zu der auch die Deutsche Bank und RWE zählten.
Laut der Zeit belegen jedoch nicht nur Studien, sondern auch Einzelbeispiele, wie aufgebläht der Zertifikatehandel ist. So gaben die Projektbetreiber des Schutzgebietes Alto Mayo in Peru an, dass in den nächsten 60 Jahren 60 Prozent des Regenwaldes zerstört werden. Die Zahlen lagen doch viermal höher als in einem Vergleichsgebiet direkt nebenan. Dennoch erteilte Verra die vorgesehenen Zertifikate. Auch der Betreiber South Pole gab 2012 beispielsweise an, sein Projekt werde 1,7 Millionen Tonnen CO₂ einsparen. Ein Jahr später waren es mit einer neuen Rechnung dann auf einmal 6,6 Millionen Tonnen CO₂.
Zudem gebe es in den Regeln von Verra, nach denen die Zertifikate erteilt werden, zahlreiche Schlupflöcher, fragwürdige Angaben der Projektbetreiber und kuriose Rechnungen, die zeigen, wie willkürlich die Zertifikate entstehen. In dem Artikel heißt es:
"Jedes Waldschutzprojekt beruht auf einer Spekulation über die Zukunft. Und jedes Projekt birgt einen natürlichen Anreiz, falsch zu spekulieren: Denn je mehr Abholzung ein Projektbetreiber in seinem Wald erwartet, desto mehr Zertifikate kann er produzieren. Je düsterer seine Prognose, desto mehr Geld kann er also verdienen."
Einige beteiligte Wissenschaftler räumten die Probleme des Zertifikatehandels auch ein. Der Ökologe Lucio Pedroni, der Verras seit Jahren berät und das Regelwerk mit erstellte, sagte:
"Leider wurde das System, das Verra aufgebaut hat, von einigen missbraucht, was bei einigen Projekten zu überhöhten Prognosen geführt hat."
Auch Charlotte Streck, Potsdamer Professorin und Klimaberaterin, die von 2019 bis 2021 im Vorstand von Verra saß, erklärte, die Berechnungen, wie viel CO₂ ein Wald kompensieren kann, ließen sich so verzerren, dass Projekte mehr Zertifikate erhalten, als sie sollten.
"Man hätte das früher erkennen können. Man war in dem System auch selbstgefällig."
Verra selbst wies die Vorwürfe gegenüber der Zeit zurück. Bildlich gesprochen gebe es neben Überschätzungen auch Unterschätzungen, so die Begründung.
Laut Axel Michaelowa gehe es Verra aber vor allem um Macht – und darum, ein Imperium zu errichten. Im Fokus steht dabei neben dem Markt der Unternehmen auch der der Staaten. Bisher können Länder nur aus von den UN zugelassenen Projekten Emissionsrechte erwerben. Laut dem Pariser Klimaschutzabkommen von 2016 können Staaten dann selbst entscheiden, welche Zertifikate sie zulassen. Für den Zertifizierer steht daher viel auf dem Spiel, denn es geht darum, seine Macht auszubauen. Passenderweise befinden sich die Büros des Zertifikatehändlers bereits an der richtigen Stelle – nicht einmal einen Kilometer vom Weißen Haus entfernt.
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