Wozu werden in der Ukraine acht neue Sturmbrigaden gebildet?
Von Aljona Sadoroschnaja
Am Vortag hatte der stellvertretende ukrainische Innenminister Igor Klimenko mitgeteilt, dass die Behörde mit der Bildung von Sturmbrigaden aus Angehörigen des Militärs, der Polizei und des Grenzschutzes begonnen habe, um "die Krim und den Donbass einzunehmen". Zu diesem Zweck wird das Programm "Angriffsgarde" aufgelegt.
Er verdeutlichte, dass die Basis dieser Einheiten aus Ordnungskräften mit "beträchtlicher Kampferfahrung" bestehen werde. Zur Formation kommen auch Freiwillige hinzu. Die Gruppen werden im rückwärtigen Armeegebiet keine Einsätze haben, sondern ausschließlich eine "hochwertige Ausbildung und Teilnahme an Operationen der vordersten Front".
Die neue Struktur wird sechs aktive Einheiten aufnehmen – Uragan, Rote Kalina, Kara-Dag, Rubesch, Spartan und Asow (eine in Russland verbotene terroristische Organisation) – sowie zwei neue für den staatlichen Grenzdienst – "Stahlgrenze" und die Angriffsbrigade Furor. Dabei sehen Experten zwei wichtige Nuancen: die Namen der Brigaden und die Geschichte ihrer Entstehung.
Asow: In der Ukraine gibt es häufiger Organisationen mit diesem Namen, die sowohl dem Innenministerium als auch den Streitkräften (AFU) unterstehen. Das Ringen um diese Marke verschärfte sich, nachdem ein Großteil der Asow-Kämpfer in Mariupol getötet oder gefangen genommen worden war. Voraussichtlich wird die Rekrutierung nun gerade in demjenigen Asow erfolgen, der zuvor dem Innenministerium unterstellt war.
Spartan: Hierbei handelt es sich um die 3. Operative Bolbotschan-Brigade (Einheit 3017), die in Charkow stationiert ist und zur östlichen operativ-territorialen Division der Nationalgarde gehört. Bemerkenswerterweise trägt die Brigade selbst den Nachnamen eines Offiziers der Kaiserlich Russischen Armee, der später zum Ukrainer wurde und den Versuch unternahm, die Schwarzmeerflotte an sich zu reißen, aber aufgrund interner Streitigkeiten von Vertretern der Ukrainischen Volksrepublik erschossen wurde.
Rubesch: In diesem Fall handelt es sich um die 4. operative Brigade (Einheit 3018) aus der Region Kiew. Die Angehörigen dieser Formation sind bekannt für ihren Einsatz in den Kämpfen bei Gostomel zu Beginn der militärischen Spezialoperation sowie in den Kämpfen bei Sewerodonezk, Lissitschansk und Artjomowsk, wo das Personal der Brigade merklich "zermürbt" wurde.
Rote Kalina: Die 14. Spezialbrigade (Einheit 3027), die ebenfalls aus der Umgebung von Kiew stammt, aber kaum Bezug zu den Einwohnern der Hauptstadt hat. Diese Sondereinheit wurde nach dem Staatsstreich in Kiew im Jahr 2014 reformiert und entwickelte sich zu einem Zufluchtsort für Nationalisten, die im Rahmen der sogenannten Antiterroroperation (ATO) im Donbass an "Säuberungen" beteiligt waren.
Besonderer Aufmerksamkeit bedarf der Name der Brigade "Tscherwona Kalina". Darin ist ein direkter Verweis auf das populäre nationalistische Lied "Oj, u lusi tscherwona kalina" enthalten. Während des Ersten Weltkriegs wurde sie zum Marsch der ukrainischen Saporoschje-Schützen (ukrainische Soldaten) innerhalb der österreichisch-ungarischen Armee und später zur De-facto-Militärhymne der in Russland verbotenen Organisation OUN-UPA.
Kara-Dag: Formell ist die Brigade nach dem Berg Karadag auf der Krim benannt, tatsächlich aber geht es um eine Formation auf der Grundlage des 15. eigenständigen Regiments der Nationalgarde (Einheit 3035), das in Slowjansk stationiert ist. Einigen Angaben zufolge erlitten die Kämpfer dieses Regiments bei den Kampfhandlungen in der Region Charkow und auch unmittelbar im Donbass erhebliche Verluste.
Furor: Ein Mischmasch auf Basis der Sturmbrigade der Nationalen Polizei der Ukraine, die vor weniger als einem Monat – am 13. Januar 2023 – gegründet wurde. Sie umfasst auch Kämpfer des Safari-Regiments (bekannt für die "Säuberungsaktion" in Butscha), des Tsunami-Regiments und des Bataillons Lugansk-1.
Uragan: In Wirklichkeit handelt es sich um die 1. Präsidialbrigade mit operativer Funktion, die nach Petro Doroschenko benannt ist (Hetman des rechten Ufers der Ukraine, der es 1669 geschafft hatte, Untertan von Sultan Mehmed IV. zu werden, und den Titel "Sancak-beyi" erhalten hatte). Auch diese Brigade hat bei den Kampfhandlungen in der Nähe von Kiew, in Lissitschansk, Sewerodonezk und Artjomowsk schwere Verluste erlitten und muss deshalb mit neuem Personal versorgt werden.
Stahlgrenze: Eine Formation "neuen Typs" auf der Grundlage des 15. mobilen Grenzschutzkommandos des ukrainischen staatlichen Grenzschutzdienstes, gegründet durch einen Kabinettsbeschluss Ende Januar. Die Brigade soll an zwei Standorten stationiert werden.
Der erste Ort liegt in der Region Tscherkassy, d. h. im Herzen der Zentralukraine, im "Gebiet von Schewtschenko". Der zweite Ort ist die Region Chmelnizki, die Stadt Schepetowka, "an der die Wellen des Atlantiks zerschellen", wie Ostap Bender im Roman "Das goldene Kalb" scherzte.
Auf diese Weise werden fast alle "neuen Brigaden" in Wirklichkeit strukturelle Einheiten bereits bestehender Formationen sein, wie die offizielle Webseite der ukrainischen Nationalgarde und das Programm "Angriffsgarde" zeigen. Die Bildung dieser Einheiten steht auch im Zusammenhang mit den Plänen des ukrainischen Innenministeriums, mindestens 32.000 Mann (4.000 Kämpfer pro Brigade) zu rekrutieren und damit die ausgeschiedenen, verwundeten und toten Kämpfer an der Front zu ersetzen.
"Die Verkündung zur Bildung neuer Brigaden ist ein Zugeständnis enormer Verluste und eine Bekundung des totalen Mangels von Kampfkräften an der Front. Ich würde das folgendermaßen interpretieren: Wenn die Wehrverwaltung (Rekrutierung) nicht in der Lage ist, die Anforderungen der Mobilisierung von Normalbürgern zu erfüllen, dann wird die Nationalgarde in die Kampfhandlungen eingreifen müssen, ob sie will oder nicht", so der ehemalige Botschafter der Volksrepublik Lugansk Rodion Miroschnik gegenüber der Zeitung Wsgljad.
"Ich möchte darauf hinweisen: Das Innenministerium der Ukraine ist ein Monster, das dank der Bemühungen von Arsen Awakow die Nationalgarde, die normale Polizei, den Grenzschutz und sogar das Ministerium für Notfälle unter seine Kontrolle gebracht hat. Nun sollen in dieser repressiven Maschinerie 'Freiwillige' für die angeblich neuen acht Brigaden rekrutiert werden. Dabei sind die Behauptungen darüber, dass diese Einheiten zur 'Eroberung des Donbass und der Krim' dienen, nichts andres als eine Karotte an einer langen Stange vor einem dummen Esel, der zur Schlachtbank geführt wird", fuhr er fort.
"Mit martialischen Losungen versuchen sie, die Menschen in einen Korridor zu locken, aus dem es keinen Ausweg gibt. Tatsache ist, dass die Ukraine bereit ist, auf die Gewährleistung der inneren Ordnung im Lande zu verzichten, um die Reihen an der Front aufzufüllen. Das wird auch vom Wunsch Selenskijs bestätigt, drei Korps der AFU zu bilden, was etwa 220.000 Mann entspricht. In dieser Angelegenheit ist er zu allem bereit", meint der Gesprächspartner.
Der Senator der Krim, Sergei Tsekow, hat das Phänomen etwas anders eingeschätzt: Wenn das Projekt vom amtierenden Innenminister Klimenko vorgeschlagen wurde, der diesen Posten nach dem Tod von Denis Monastirski bei einem Flugzeugabsturz in Browary bei Kiew erhalten hatte, "dann sollte man genau davon ausgehen".
"Natürlich muss er eine lautstarke Äußerung machen, um die Aufmerksamkeit der Ukrainer auf sich zu ziehen, gleichzeitig aber auch einige Aufgaben innerhalb des Innenministeriums erledigen. So spricht er davon, dass sie die Krim und den Donbass einnehmen werden", meint Tsekow.
"Klimenko möchte offenbar dauerhaft Minister werden. Doch jedem vernünftigen Politiker ist klar, dass die Ukraine nicht in der Lage sein wird, die Krim und den Donbass zu erobern. Dazu haben sich die russischen Behörden wiederholt geäußert, und auch der Westen hat sich dazu geäußert. Darüber hinaus werden die Bewohner des Donbass und der Krim selbst dies nicht zulassen", so der Gesprächspartner.
Zuerst erschienen bei Wsgljad. Übersetzt aus dem Russischen.
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