Weiterer Tabubruch: USA denken offen über Atomwaffen für die Ukraine nach
Eine Analyse von Wiktorija Nikiforowa, RIA Nowosti
Q.E.D.: Das war es, was zu beweisen war. Vor einem Jahr hat Wladimir Selenskij auf der Münchner Konferenz den europäischen Staats- und Regierungschefs offen zu verstehen gegeben, dass die Ukraine das Budapester Memorandum für nicht erfüllt hält und sich daher nicht daran gebunden fühlt. Das war eine kaum verhüllte Ankündigung, Atomwaffen beschaffen zu wollen. Es sei daran erinnert, dass die Hauptverpflichtung der Ukraine im Budapester Memorandum darin bestand, ihre Atomwaffen aufzugeben.
Doch so einfach ist es in unserer Welt auch wieder nicht, in den Besitz einer Atombombe zu kommen. Selbst wenn der Anwärter auf die todbringende Waffe über eine entsprechende Technologie verfügt ‒ und die Ukraine hat sie. Erforderlich ist die Rückendeckung von einem Global Player. Seit mehreren Jahren hat das Kiewer Regime Washington gegenüber intensiv angebettelt, dass es der Ukraine diese Rückendeckung geben sollte.
In den USA gab es lange Zeit Widerstand dagegen. Die Amerikaner erinnerten sich daran, wie sie sich selbst für die Verabschiedung des Budapester Memorandums eingesetzt hatten: In den 1990er Jahren war Washington in Panik über die Gefahr unkontrollierter Verbreitung von Atomwaffen in den ehemaligen Sowjetrepubliken. Was wäre, wenn ein verzweifelter Nationalist in einem dieser Länder an die Macht käme und Europa oder sogar Amerika mit nuklearer Munition bombardieren wollte?
Doch heute wird das Thema der Weitergabe von Atomwaffen an die Ukraine ‒ oder der Segenerteilung zum Bau dieser Waffen ‒ in der amerikanischen Informationslandschaft offen ‒ und tendenziell wohlwollend ‒ diskutiert. Die Washington Post, das Sprachrohr des US-Militärs, war die Erste, die damit begann.
Dort erschien am 10. Februar die Kolumne eines berühmten amerikanischen Spezialisten für nukleare Abrüstung ‒ natürlich eine Ironie in sich selbst ‒, Jon Wolfsthal. Vor fünfzehn Jahren bemühte er sich intensiv um die nukleare Abrüstung Nordkoreas und war dabei völlig erfolglos.
Der Artikel trägt den Titel "Die Ukraine hat auf unser Versprechen hin ihre Atomwaffen abgegeben. Wir schulden ihr was." Illustriert wird er durch den charakteristischen Pilz einer Atomexplosion.
"Jeder Ausgang des gegenwärtigen Krieges, der die Souveränität der Ukraine untergräbt, wird ein Beweis dafür sein, dass Kiew einen Fehler gemacht hat, als es die Atomwaffen aufgab",
trumpft der Autor auf. Der Nichtverbreitungsexperte glaubt, dass der ukrainische Fall ein Vorwand für verschiedene Länder sein wird, sich nicht auf den amerikanischen Nuklearschirm zu verlassen, sondern sich einen eigenen zuzulegen ‒ denn dessen bloße Existenz ermöglicht es, wie wir gesehen haben, den Grad der Eskalation zu regulieren und Kriege zu gewinnen.
Wolfsthal argumentiert, dass die Ukraine bis zum Ende unterstützt werden müsse. Aber wie soll das gehen? Es wäre zwar schön, ihr alles zu geben, was sie verlangt, es besteht jedoch die ernste Gefahr einer nuklearen Konfrontation mit Russland. Wolfsthal räumt ein, dass die Regierung in Washington einen Dritten Weltkrieg fürchtet und deshalb offenkundig nicht bereit ist, der Ukraine Waffen zu geben und einen Vorwand zu bieten, die Krim militärisch anzugreifen. Der Nichtverbreitungsexperte findet diesen Anflug von Vernunft "traurig und bedauerlich".
Unterm Strich kommt der Experte zu dem Schluss, dass es zu einem globalen Atomkrieg kommen wird, wenn man der Ukraine "alles" gibt (einschließlich Atomwaffen). Wenn wenig gegeben wird, wird die Ukraine verlieren. Er sieht den einzigen Ausweg (und das ist eine sehr schlechte Nachricht für die Ukrainer) darin, den Konflikt so lange wie möglich hinauszuzögern, denn dann würde Russland definitiv verlieren. Könnte sein, dass es bis dahin keine Ukrainer mehr geben wird, aber wen in Amerika interessiert das schon?
Herr Wolfsthal beendet seine Kolumne mit einer unverschämten und erstaunlich dreisten Aufforderung an Russland und China, an der Reduzierung ihrer Atomwaffenarsenale zu arbeiten. Es ist natürlich ein einzigartiger Ansatz. Die größten Atommächte mit einem Haufen schwer bewaffneter Satelliten zu umgeben, unverhohlen Kriege zu führen und Konflikte zu provozieren, sich an massiven Sabotageakten wie der Sprengung von Nord Stream zu beteiligen und gleichzeitig Verhandlungen und Abrüstung zu fordern, als ob nichts geschehen wäre. Klar doch, wir haben Sie gehört.
Trotz des heuchlerischen Geredes über die Risiken der nuklearen Weiterverbreitung sind die Äußerungen des US-Experten eine kaum verhohlene Drohung gegen Russland. "Reduzieren Sie Ihre Arsenale, wir denken in der Zwischenzeit darüber nach, wo und wer neue Atomwaffen erhalten wird."
The Atlantic, wohl die am stärksten russophobe Zeitschrift in den USA, hat kürzlich dasselbe Thema aufgegriffen. Auch Eric Schlosser hat große Angst vor einem russischen Sieg. Wenn dies geschieht, so der bekannte Journalist, würden verschiedene Länder plötzlich ein Atomwaffenarsenal aufbauen wollen. Zum Beispiel wäre es "verlockend" für ehemalige Sowjetrepubliken.
Gleichzeitig richten sich die Drohungen gegen China. Japan verfügt über Tonnen waffenfähigen Plutoniums und könnte innerhalb eines Jahres eine Atomwaffe bauen, argumentiert Schlosser. Südkorea könnte das Gleiche in zwei Jahren tun. Taiwan könnte es in wenigen Jahren schaffen, wenn es wollte.
Die US-Experten beherrschen den primitiven Gangster-Stil der Kommunikation: kaum verhüllte Drohungen, Anspielungen, ein heuchlerisches "Lasst uns zusammenleben", ständige Versuche zu provozieren und sich der Verantwortung zu entziehen. Aus dem Gangsterslang ins Russische übersetzt: Das US-Establishment versucht, der Welt Angst zu machen, indem es Atomwaffen an Länder liefert, die Washington gegen Russland und China aufhetzen will. Gleichzeitig sendet es China und Russland die Botschaft, dass der einzige Weg zu einer "gütlichen" Einigung darin besteht, ihr jeweiliges Atomwaffenarsenal unter amerikanische Kontrolle zu stellen. Ein "netter Versuch".
Übersetzt aus dem Russischen. Der Artikel ist am 13.02.2023 auf ria.ru erschienen.
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Am 24. Februar kündigte der russische Präsident Wladimir Putin an, gemeinsam mit den Streitkräften der Donbass-Republiken eine militärische Spezialoperation in der Ukraine zu starten, um die dortige Bevölkerung zu schützen. Die Ziele seien, die Ukraine zu entmilitarisieren und zu entnazifizieren. Die Ukraine spricht von einem Angriffskrieg. Noch am selben Tag rief der ukrainische Präsident Wladimir Selenskij im ganzen Land den Kriegszustand aus.
Der Westen verurteilte den Angriff, reagierte mit neuen Waffenlieferungen, versprach Hilfe beim Wiederaufbau und verhängte Sanktionen gegen Russland.
Auf beiden Seiten des Konfliktes sind zahlreiche Soldaten und Zivilisten getötet worden. Moskau und Kiew haben sich gegenseitig verschiedener Kriegsverbrechen beschuldigt. Tausende Ukrainer sind mittlerweile aus ihrer Heimat geflohen.