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Neue Dimension des Krieges: Russische Neonazis greifen Russland von ukrainischem Territorium aus an

Eine große Gruppe ukrainischer Saboteure drang am Donnerstag ins russische Gebiet Brjansk ein und schoss auf Zivilisten. Die Terroristen gehören dem neonazistischen Netzwerk "Russischer Freiwilligenkorps" an. Dessen Gründer Denis Nikitin organisierte Hooligan-Kämpfe und lebte lange in Deutschland.

Eine Analyse von Wladislaw Sankin

Am Donnerstag überquerte eine Sabotage-Gruppe die russisch-ukrainische Grenze und drang in zwei russische Dörfer im Gebiet Brjansk ein. Deren Zahl war zunächst unklar, aber es könnte sich um mehrere Dutzend Personen handeln, sodass viele russische Medien von einem größeren Terrortrupp sprechen. Auch Präsident Putin sprach von einer "terroristischen Attacke". 

Berichten von Augenzeugen zufolge schossen die Eindringlinge auf ein Auto mit Zivilisten. Laut dem FSB wurde dabei ein Mann getötet und ein zehnjähriges Kind verletzt. Bei wahllosem Schießen im Dorf Ljubetschany starb ein weiterer Zivilist – 57-jähriger Mann. Nach einiger Zeit zogen die Saboteure ab. Inzwischen sind die Dörfer wieder unter Kontrolle russischer Sicherheitskräfte, das Gelände wird entmint. 

Im Laufe des Tages hat das sogenannte "Russische Freiwilligenkorps" (RFK) die Verantwortung für die Ereignisse übernommen. Die Bewegung veröffentlichte ein Video, das vor einer Klinik in einem der beiden Dörfer gefilmt wurde, und rief zum bewaffneten Aufstand gegen das "Regime" auf.

Auf einem der Videos haben die Beobachter schnell einen international bekannten russischen Neonazi und Organisator der Faustkämpfe in der Hooligan-Szene, Denis Nikitin, erkannt. Auf einem anderen einen ehemaligen Kämpfer des Neonazi-Regiments "Asow", der im vergangenen Jahr aus Russland in die Ukraine kam. 

Das RFK wurde im August 2022 von Nikitin gegründet. Nikitin ist kein Unbekannter, er ist medial aktiv und gibt gerne Interviews. Nach seinen eigenen Angaben hält er sich seit 2017 in der Ukraine auf, die für ihn ein "Zuhause" geworden sei. Zuvor hatte er viele Jahre in Deutschland als "Kontingent-Flüchtling" verbracht, er besitzt einen deutschen Aufenthaltstitel.

Nikitin ist ein Pseudonym, sein echter Name lautet Kapustin. Unter diesem Namen stand er als einflussreicher Neonazi und Hooligan unter Beobachtung deutscher Sicherheitsorgane. Das Magazin Vice hatte ihm im Oktober 2017 einen großen Artikel gewidmet. Diesem zufolge verknüpfte er die deutsche und russische Hooligan-Szene, organisierte europaweite Kampf-Events und schuf die Bekleidungsmarke "White Rex" – alles mit einem Hauch rechtsextremer Ideologie. Beschrieben wird er als "rechtsextremer Hooligan aus Moskau sowie Gründer der Neonazi- und Kampfsportmarke White Rex". 

Nun sind Nikitin und sein Korps als Teil der "Ausländischen Legion" in die Strukturen der ukrainischen Armee integriert und befinden sich im engen Austausch mit allen Kampfeinheiten der ukrainischen Streitkräfte. Über einen Berater des Präsidenten habe er direkten Draht zur Regierung in Kiew.

Sein politisches Programm ist einfach – das "Regime" von Wladimir Putin zu stürzen und Russland in viele kleinere Staaten zu reißen. Am modernen Russland gefällt ihm nicht, dass "Tschetschenen" und "Tadschiken" dort das Sagen haben. Kampf und Krieg sind für Nikitin und seine Gefolgsleute Normalzustand. Die Tötung von Zivilisten nimmt er in Kauf, da sie in ihm durch "Propaganda" einen Feind sehen. In Symbolik und Ideologie seiner Bewegung gibt es viele Anklänge an die von Nazi-Deutschland gebildete "Russische Befreiungsarmee" von General Wlassow. 

Der einflussreiche russische Militärkorrespondent und Mitglied der Gesellschaftlichen Kammer Alexander Kots ruft nach diesem Vorfall dazu auf, ukrainische Militärorgane als terroristische Organisationen einzustufen. Auch andere politische Beobachter sehen das ähnlich.

Es gibt in der Tat wenig Zweifel, dass der ukrainische Staat unmittelbar hinter der Attacke steht und dass die Gruppe von Nikitin nach einem Plan handelte. Einen Beleg dazu lieferte der Sprecher des ukrainischen Aufklärungsdienstes GUR Andrei Jussow. GUR ist unmittelbar in die Strukturen des ukrainischen Verteidigungsministeriums eingegliedert und gilt als Selenskij-nah. Der ukrainische Telegram-Kanal KTime zitiert ihn wie folgt:

"Die Russische Föderation ist heute ein Gebilde, in dem es eine Vielzahl von interethnischen, interreligiösen, soziopolitischen und anderen Konflikten gibt. Heute gibt es eine öffentliche Erklärung des RFK. Das sind Menschen, die mit Waffen in der Hand gegen Putins Regime und diejenigen, die ihn unterstützen, kämpfen ... Vielleicht beginnen die Russen aufzuwachen, etwas zu erkennen und konkrete Maßnahmen zu ergreifen."

Viele russische Medienbeobachter verweisen in diesem Zusammenhang auf viele eingestreute Falschnachtrichten in den ersten Stunden, als noch wenig über die Attacke bekannt war. So war anfangs von einer Geiselnahme von hundert Personen die Rede. Dadurch wird deutlich: Die Gruppe von Nikitin, die offenbar nur aus einem Haufen marginaler Absteiger besteht, bekam durch ihren Coup maximale mediale Aufmerksamkeit und damit einen viel höheren Bekanntheitsgrad. 

Diese Aktion, die laut russischen amtlichen Angaben zivile Opfer mit zwei Toten und einem schwer verletzten Kind forderte, könnte schwere, nicht kalkulierbare Folgen für die ukrainische militärische Führung haben. In Russland wird schon seit Langem darüber diskutiert, die ukrainischen offiziellen Organe als terroristische Organisationen einzustufen. Und der russische Präsident, der noch vor seiner Amtseinführung ein hartes Vorgehen gegen den damaligen terroristischen Untergrund im Land eingeleitet hatte, bezeichnete diese Attacke des RFK bereits als "terroristisch". Damit ist die Richtung für eine weitere politische Bewertung durch Politik und Gesellschaft vorgegeben.

In den 2000er Jahren wurden nahezu alle Anführer der Terroristen durch ausgeklügelte Geheimoperationen des FSB im Nordkaukasus liquidiert. Die Erinnerung an diese schweren Zeiten ist in Russland wach. Hinzu kommt ein wichtiges Detail: Damals kämpften die ukrainischen militanten Nationalisten an der Seite der Terroristen.

In der Bekämpfung des Terrorismus haben russische Sicherheitsorgane weltweit einzigartige Erfahrung. Wenn Kiew nach einer Reihe von Frontniederlagen von den Westmächten zu einer Lösung des Konflikts gedrängt wird, könnte Russland die Terrorismus-Karte "Mit Terroristen verhandelt man nicht" ausspielen. Die RFK-Attacke hat es um mehrere Schritte näher zu dieser Position gebracht.

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