Mehr Waffen und Geld für Kiew: USA und NATO "mit Eskalationsdynamik zufrieden"
Analyse von Alexei Latyschew und Aljona Medwedewa
Washington berücksichtigt bei den Waffenlieferungen an die Ukraine kaum die Risiken einer Eskalation des Konflikts, wie US-Verteidigungsstaatssekretär Colin Kahl mitteilte. Die wichtigsten Faktoren bei der Bestimmung des Hilfeumfangs für die ukrainischen Streitkräfte sind die Bedürfnisse des Kiewer Regimes und Washingtons eigene Finanz- und Verteidigungsmöglichkeiten. Eine ähnliche Position äußerte NATO-Chef Jens Stoltenberg. Ein Eskalationsrisiko in der Ukraine sei ihm zufolge für die Allianz nicht so gefährlich wie ein Sieg Russlands. Solche Äußerungen deuten Experten zufolge darauf hin, dass der Westen beabsichtigt, die Konfrontation in der Ukraine zu verschärfen.
Bei den Waffenlieferungen an Kiew ziehen die USA das Risiko einer Eskalation in der Ukraine kaum in Betracht, sagte Colin Kahl, der Pentagon-Vize für Politik, bei einer Anhörung im Repräsentantenhaus:
"Im Großen und Ganzen glaube ich nicht, dass wir unsere Sicherheitshilfe für die Ukraine hauptsächlich aus Eskalationsgründen zurückhalten. Die meisten Entscheidungen über die Sicherheitshilfe treffen wir aufgrund unserer Einschätzung der aktuellen Bedürfnisse der Ukraine."
Dabei spielten auch eigene Finanz- und Verteidigungsinteressen der USA eine Rolle, fügte Kahl hinzu.
"Was können wir der Ukraine zur Verfügung stellen, ohne dass dies unsere Fähigkeit und Bereitschaft, auf Krisen im Bereich unserer nationalen Sicherheit in anderen Teilen der Welt zu reagieren, beeinträchtigen würde? Das sind unsere zwei Einschätzungskriterien."
Der Pentagon-Beamte zeigte sich über etwaige Eskalationsrisiken nicht nur unbesorgt, sondern mit der jetzigen Eskalationsdynamik ausdrücklich zufrieden:
"Derzeit sind wir damit relativ zufrieden, wo wir uns in einer Eskalationsdynamik mit Russland befinden. Wir lassen darüber mit Kollegen aus Geheimdiensten ständig beraten, um den Regler in etwa richtig einzustellen, ohne uns selbst einem Abschreckungseffekt anheimzugeben."
Am selben Tag gab NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg auf einer internationalen Konferenz in Helsinki eine ähnliche Erklärung ab. Er sagte unter anderem, dass ein Eskalationsrisiko im Konflikt in der Ukraine für die Allianz nicht so gefährlich sei wie ein Sieg Russlands.
"Ich höre Bedenken, dass unsere Unterstützung das Risiko einer Eskalation erhöht. Aber es gibt keine risikofreien Optionen. Keiner soll also bezweifeln, dass der Sieg des Präsidenten Putin in der Ukraine das größte Risiko ist", sagte Stoltenberg. Die NATO müsse jetzt ihre Versprechen an Kiew in Bezug auf schwere Waffen und Ausbildung ukrainischer Soldaten dringend erfüllen, forderte er. Ähnliche Worte äußerte Stoltenberg auch bei der jüngsten Sicherheitskonferenz in München.
Eskalationsgrad steigt
Analysten zufolge gibt die Rhetorik westlicher Führungen Aufschluss über den Umfang und die Zusammensetzung der Waffenlieferungen an Kiew. Zu Beginn des Konflikts hielten sich die USA und die NATO mit der Übergabe schweren Kriegsgeräts an die Ukraine zurück. Jetzt versorgt die Allianz das Land bereits mit Leopard- und Challenger-Panzern. Künftig sollen die Streitkräfte der Ukraine auch Panzer vom Typ M1 Abrams erhalten.
Washington versorgt die Ukraine zudem mit Munition für Mehrfachraketenwerfer mit einer Reichweite von bis zu 150 Kilometern. Vor diesem Hintergrund wird im Westen offen die Möglichkeit diskutiert, Raketen mit größerer Reichweite sowie Kampfflugzeuge an Kiew zu liefern.
Einen erheblichen Teil dieser Waffen erhält Kiew im Rahmen des Leih- und Pachtgesetzes (lend-lease) quasi kostenlos. Wie Celeste Wallander, Staatssekretärin für Internationale Sicherheitsfragen im US-Verteidigungsministerium, bei einer Anhörung im Repräsentantenhaus mitteilte, hat die Ukraine bei US-amerikanischen Rüstungsunternehmen bislang keine großangelegten Anträge gestellt:
"[Die Ukrainer] haben im Moment für solche große Bestellungen kein Geld im Budget." Washington müsse die Ukraine aber dazu bringen, ihre Verteidigungsausgaben selbst zu planen.
Experten zufolge zeugt solches Herangehen an die Aufrüstung der ukrainischen Armee davon, dass der Westen die Lage in der Ukraine eskalieren will.
"Die Vereinigten Staaten demonstrieren eine ernsthafte Eskalation bei der Waffenversorgung der Ukraine. Diese Lieferungen werden fortgesetzt, obwohl der Westen sie natürlich nicht unendlich durchführen kann. Erstens sind ihre Ressourcen beschränkt. Zweitens werden sie früher oder später die Sinnlosigkeit dieser Lieferungen erkennen", sagte Alexei Podberjoskin, Chef des Zentrums für Militärpolitische Studien, in einem Interview mit RT.
Auch der russische Vizeaußenminister Sergei Rjabkow sagte am 22. Februar, dass Washington seit Beginn des Konflikts den Weg der Eskalation geht.
"Nach Beginn der speziellen Militäroperation sehen wir, dass die USA, ihre Satelliten und Handlanger die Lage in und um die Ukraine weiter eskalieren wollen. Es sei daran erinnert, das alles hat begonnen mit intensiven Diskussionen innerhalb der NATO, ob der Ukraine Handfeuerwaffen und kugelsichere Westen zur Verfügung gestellt werden sollen. Jetzt werden mögliche Lieferungen von Kampfflugzeugen diskutiert. Geplant ist, Panzer zu liefern", sagte Rjabkow in einer Plenarsitzung des russischen Föderationsrates. Er betonte, dass diese Politik des Westens an der Entschlossenheit Russlands, alle Aufgaben der speziellen Militäroperation in vollem Umfang zu erfüllen, nichts ändern werde.
"Dieses Manöver hilft dem westlichen Block und seinen Marionetten in Kiew nicht, ihre Ziele zu erreichen. Die Tatsache aber ist, dass der Grad der Eskalation steigt. Die USA provozieren uns und machen keinen Hehl daraus, dass es ihr Ziel ist, Russland eine strategische Niederlage beizubringen. Unter solchen Umständen ist es unmöglich, die Geschäfte im wichtigsten Bereich der Waffenkontrolle wie früher zu führen", sagte der Minister. Gerade aus diesem Grund habe Russland die Entscheidung getroffen, den New Start-Vertrag auszusetzen.
Bemerkenswert ist, dass man nicht nur in Russland die Gefahren dieser Politik des Westens begreift. Ähnlich wird die Lage auch China eingeschätzt. Wie Chinas EU-Botschafter Fu Cong Ende Februar gesagt hat, führen die Versuche westlicher Länder unter der Führung der USA, Russland eine Niederlage zuzufügen, zu einem "brutalen Dauerkrieg", der große Risiken für die Weltgemeinschaft darstellt.
Kurs in Richtung Verschärfung
Erklärungen westlicher Beamter, dass ein Eskalationsrisiko nicht so gefährlich wie ein Sieg Russlands sei, bedeuten Experten zufolge eben beileibe nicht, dass es für die USA und die NATO keine rote Linien mehr gibt.
"Einer der wichtigsten Grundsätze der US-Politik ist die Kontrolle über die Eskalation, damit diese nicht zu einem nuklearen Konflikt ausartet. Die Worte von Stoltenberg und Kahl sollen daher gerade aus diesem Blickwinkel betrachtet werden: Eine Eskalation in der Ukraine ist für sie annehmbar, aber nicht bis einschließlich zum nuklearen Schlagabtausch", sagte Podberjoskin.
(Anm. d. Red.: Dahingehende Aussagen – mal mit mehr, mal mit deutlich weniger Bravado – machten auch die US-Politiker bei der oben zitierten Anhörung.)
Somit sei der Westen für jegliche feindliche Schritte gegen Russland bereit, solange sie kein Risiko eines nuklearen Konflikts mit sich bringen, meinten Politologen. Laut Podberjoskin berge diese Politik des Westens ernsthafte Gefahren für die globale Sicherheit. "Diese Politik ist natürlich gefährlich, weil sie unumgänglich zur Zuspitzung der Konfrontation führt. Das Bestreben Kiews und des Westens, den russischen Territorien, darunter auch den neuen, Schaden zuzufügen, wird Russland unumgänglich zu Gegenmaßnahmen zwingen", sagte der Experte.
Wladimir Winokurow, Professor an der Diplomatischen Akademie des Außenministeriums der Russischen Föderation, sagte in einem Gespräch mit RT, dass die Verschärfung der Eskalation seitens des Westens darauf hindeuten könnte, dass die USA und die NATO in der Ukraine in eine Sackgasse geraten sind.
"Sie drängen Selenskij und seine Umgebung zu einer weiteren Eskalation, darunter auf der Krim. Ich denke aber, dass es hier eher um die letzten Schreie der Verzweiflung geht, denn heute beobachten wir, dass die Initiative an der Front aufseiten der russischen Streitkräfte liegt", schlussfolgerte der Experte.
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Übersetzt aus dem Russischen.
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