Sanktionsschaden: Chinesische Anleger scheuen Schweizer Banken
Die Neutralität der Schweiz ist Kernstück ihres langjährigen Geschäftsmodells, Anlegern aus aller Herren Länder eine sichere Unterkunft für ihr Geld zu bieten. Bei den Sanktionen gegen Russland hat die Schweiz dieses Prinzip erstmals infrage gestellt. Nun werden die Folgen sichtbar.
Nach einem Bericht der Financial Times sollen wohlhabende Chinesen mittlerweile davor zurückschrecken, ihr Geld auf ein Schweizer Konto zu bringen. "Ich habe statistische Belege dafür, dass wörtlich hunderte Kunden, die Konten eröffnen wollten, es jetzt nicht tun", sagte ein für Asien zuständiger Banker der FT.
Vertreter von sechs der zehn größten Schweizer Banken wurden befragt, und alle äußerten das Gleiche. "Die Frage der Sanktionen war Thema für die Kunden", erklärte ein weiterer Banker. "Sie fragten, ob ihr Geld bei uns sicher sei."
Asien ist für die Banken der Schweiz ein wichtiger Markt, und ein Verlust dieser Kundschaft wäre schwer zu verkraften. Die Banken, berichtet die FT, würden Strategien durchspielen, wie sie mit einer Verschlechterung der Beziehungen zu China umgehen könnten. "Sie alle versuchen, sich auf das vorzubereiten, was als Nächstes kommt", sagte Andreas Venditti, Analytiker bei Vontobel.
In den letzten Tagen wurde deutlich, dass die USA eine Sanktionsrunde gegen China anstreben. Signal dafür war unter anderem der Beschluss der deutschen Bundesregierung, Komponenten von Huawei aus dem deutschen Mobilfunknetz auszuschließen. Inzwischen hat sich die Debatte auf Halbleiter und sogar Solarzellen erweitert.
Die Schweizer Banken fürchten insbesondere das Einfrieren von Konten. Auch wenn von den insgesamt 46,1 Milliarden Schweizer Franken, die russische Anleger auf Schweizer Konten liegen haben, nur 7,5 Milliarden eingefroren sind, erzeugte dieser Schritt doch weitreichende Erschütterungen, und die chinesischen Kunden dürften nicht die Einzigen sein, die darüber nachdenken, auf die Dienste Schweizer Banken zu verzichten. Zehn Prozent des Schweizer Bruttoinlandsprodukts resultiert aus dem Bankgeschäft.
Die Schweizer Regierung beteuert zwar, nach wie vor zur Neutralität zu stehen, aber der Schweizer Außenminister Ignazio Cassis hat sich für einen "kooperativen" Umgang mit ähnlich gesinnten Partnern ausgesprochen, was sich in eine stärkere Annäherung an die US-Politik übersetzen lässt.
In der Bevölkerung findet eine solche Vorstellung nicht viele Freunde. Über Jahrhunderte hinweg war die Neutralität die Überlebensgarantie des kleinen Staates und wurde zum Kern des Selbstwertgefühls. Gleichzeitig hängt nicht nur das Bankgeschäft an dieser Neutralität, sondern auch die Beliebtheit der Schweiz als Sitz internationaler Organisationen, vom Internationalen Komitee vom Roten Kreuz bis hin zur Bank für Internationalen Zahlungsausgleich. Der tatsächlich von der Neutralität abhängige Teil des Bruttoinlandsprodukts dürfte also deutlich über zehn Prozent liegen.
Die größte Befürchtung der gegenwärtigen Schweizer Regierung ist daher ein Volksentscheid, der sie zu einer strengeren Beachtung der Neutralität verpflichten könnte. Bisher ist noch keiner geplant, aber solche Meldungen wie jene über die chinesischen Kunden werden die Debatte verschärfen.
Rücksichten seitens der Vereinigten Staaten sind nicht zu erwarten, wenn dort die Eskalationsspirale der Sanktionen einmal in Gang gesetzt wird. In der EU ist bezogen auf Russland mittlerweile im Gespräch, russische Diamanten doch zu sanktionieren. Belgische Einsprüche dagegen verlieren an Wirkung, auch wenn die reale Folge dieser Sanktion nur sein dürfte, dass sich das Zentrum des globalen Diamantenhandels von Antwerpen nach Asien verlagert.
Die Schweiz hat mit ihrer Befolgung der Sanktionen einer Europäischen Union, deren Mitglied sie nicht einmal ist, nicht nur die chinesische Kundschaft verschreckt, sondern vermutlich ebenso die indische und die lateinamerikanische. Womöglich sind sogar die Einlagenabflüsse, unter denen Credit Suisse Ende vergangenen Jahres so massiv zu leiden hatte, Folge dieser politischen Entscheidung. Die Schweizer Politik wie die Schweizer Banken haben schwierige Zeiten vor sich.
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