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ARD-Tagesschau ‒ "Erklär-Bär für Idioten"

Der Tagesschau-Bericht vom 7. März um 20 Uhr über die angeblich wahren Hintergründe der Nord Stream-Sprengungen war ein erneuter Fall fürs intensive Fremdschämen. Das ist ein Gefühl, das alle, die immer noch "öffentlich-rechtliche" Sender sehen und hören, mit zunehmender Häufigkeit empfinden. Was war passiert?
ARD-Tagesschau ‒ "Erklär-Bär für Idioten"

Eine Analyse von Rainer Rupp

Es ist schon interessant, dass einen guten Monat lang kein Medium des westlichen Mainstreams vorurteilsfrei, wenn überhaupt, Seymour Hershs Enthüllungen über die Täterschaft der Nord Stream-Sprengungen erwähnt hat. Aber am 7. März haben alle, als wäre es eine koordinierte Aktion, fast zeitgleich ein neues Narrativ zur Vertuschung der wahren Täter gebracht.

Auch die ARD brachte die Story als Aufmacher an erster Stelle im Abendprogramm ihrer Tagesschau. Die Sprecherin kündigte wirklich Sensationelles an. Bisher sei es "nicht klar" gewesen, "wer hinter dem Anschlag steckt". Nun aber gebe es offenbar eine Spur und die führe laut Recherchen der ARD zu einer pro-ukrainischen Kommandogruppe. Wörtlich heißt es weiter:

"Nach den Lecks an den Nord Stream-Pipelines am 26. September vergangenen Jahres war schnell klar gewesen, dass es sich hier um einen gezielten Anschlag gehandelt haben muss. Jetzt ist deutschen Ermittlungsbehörden offenbar ein Durchbruch gelungen, wie Recherchen des ARD-Hauptstadtstudios, des Politikmagazins Kontraste, des SWR und der Zeit belegen. Demnach wurde der Angriff auf die Pipelines von deutschem Boden aus gestartet."

"Am 6. September 2022 soll sich ein 6-köpfiges Kommando in Rostock auf eine Jacht begeben haben. Die 5 Männer und eine Frau sind bislang offenbar nicht namentlich identifiziert. Ermittler konnten lediglich 2 gut gefälschte Ausweise feststellen. Einen Tag später soll die Jacht im Ort Wieck auf dem Darß Station gemacht haben. Später wurde das Boot noch einmal in der Nähe der dänischen Insel Christiansø bei Bornholm lokalisiert. Auf dem Tisch der Jacht konnten die Ermittler den Recherchen zufolge Spuren von Sprengstoff nachweisen. Außerdem stellte sich heraus, Spuren führen in Richtung Ukraine."

"Bereits im Herbst soll ein westlicher Geheimdienst einen Hinweis an europäische Partnerdienste übermittelt haben, wonach ein ukrainisches Kommando für die Zerstörung verantwortlich sei. Demnach soll es noch weitere geheimdienstliche Hinweise gegeben haben, die auf eine pro-ukrainische Gruppe hindeuten."

"Doch auch wenn Spuren in die Ukraine führen, heißt das nicht, dass die ukrainische Regierung hinter dem Anschlag stecken muss, denn in den internationalen Sicherheitskreisen wird nicht ausgeschlossen, dass es sich auch um eine Operation unter falscher Flagge handeln könne. Das würde bedeuten, es könnten auch bewusst Spuren gelegt worden sein, die auf die Ukraine als Drahtzieher hindeuten sollen. Der Generalbundesanwalt, der die Ermittlungen zu dem möglichen Sabotageangriff leitet, lehnte heute eine Stellungnahme zu den neuen Entwicklungen ab."

Dies war der Wortlaut der ARD-Sendung vom 7. März abends um 20:00 Uhr. Am selben Tag hatte die New York Times (NYT) ‒ nach deutscher Zeitrechnung um die Mittagszeit ‒ einen eigenen Bericht zu diesem neuen Narrativ über die Täter hinter der Nord Stream-Sprengung gebracht. In Ergänzung zu dem, was wir oben bereits von der Tagesschau erfahren haben, heißt es im NYT-Bericht:

"Die Überprüfung der neu gesammelten Geheimdienstinformationen deutet darauf hin, dass es (eine Gruppe von) Gegner des russischen Präsidenten Wladimir W. Putin waren, die hinter den Anschlägen stecken, dass aber die Informationen keine Rückschlüsse über die Mitglieder der Gruppe zulassen oder darüber, wer die Operation geleitet oder bezahlt hat."

"US-Nachrichtenoffiziere lehnten es ab, Näheres über die Art der neuen Geheimdienstinformationen zu sagen, oder auf welche Art und Weise sie erlangt wurden, oder über Details oder die Belastbarkeit der darin enthaltenen Beweise zu sprechen. Sie haben betont, dass es kein Material für verlässliche Schlussfolgerungen gibt."

Das lässt laut NYT "die Möglichkeit offen, dass die Operation von einer Stellvertretertruppe mit Verbindungen zur ukrainischen Regierung oder ihren Sicherheitsdiensten durchgeführt wurde." Etwas später heißt es dann aber in demselben NYT-Artikel:

"Die Geheimdienstbeamten, die die Informationen überprüft haben, sagten, sie glaubten, dass die Saboteure höchstwahrscheinlich ukrainische oder russische Staatsbürger, oder eine Kombination aus beidem sind."

Zugleich hätten die Geheimdienstler gesagt, "dass keine amerikanischen oder britischen Staatsangehörigen beteiligt waren."

Weiter hätten die Geheimdienstbeamten gesagt:

"Der Sprengstoff wurde höchstwahrscheinlich mithilfe erfahrener Taucher platziert, die nicht für Militär- oder Geheimdienste zu arbeiten schienen, die die neuen Geheimdienstinformationen überprüft haben. Es ist jedoch möglich, dass die Täter in der Vergangenheit eine spezielle staatliche Ausbildung erhalten haben."

Was "lehrt" uns das?

Erstens, hier wurde mit heißer Nadel ein Narrativ gestrickt, das nur Idioten glauben können. Das könnte auf zunehmende Nervosität in den deutschen und US-amerikanischen Polit-Spitzen hindeuten, die vor dem Hintergrund der Enthüllungen von Seymour Hersh zunehmend peinliche Fragen abschmettern wollen.

Zweitens ist das Narrativ nicht nur in sich widersprüchlich, sondern sagt alles und zugleich nichts, nach dem Motto, wir vermuten, aber nichts Genaues weiß man nicht.

Drittens, das Narrativ entlastet nicht nur explizit die Amerikaner und Briten, sondern bringt auch wieder die Russen ins Spiel.

Viertens ist verwunderlich, dass die amerikanische Version des Narrativs vor der deutschen veröffentlicht wurde, die angeblich auf Recherchen des ARD-Hauptstadtstudios, des Politikmagazins Kontraste, des SWR und der Zeit beruht, die anscheinend – zumindest teilweise – bei der NYT abgeschrieben haben.

Fünftens fällt der zeitliche Zusammenhang auf zwischen dem Besuch von Scholz bei Biden in Washington und der Bekanntmachung, dass im Rahmen einer erfolgreichen Zusammenarbeit der deutschen und amerikanischen Geheimdienste ein Durchbruch bei der Suche nach den Tätern erzielt wurde. Und die Lösung ist so genial zusammengeschustert, dass alle Probleme einer US-amerikanischen oder britischen oder norwegischen oder deutschen oder ukrainischen oder sonstigen staatlichen Verwicklung in die Sprengung vom Tisch sind.

Die Lösung heißt: Es war eine nicht-staatliche Gruppe aus sechs unbekannten, Putin hassenden Ukrainern und Russen. Wie schon zuvor auf dem Schutthaufen des World Trade Centers in New York ein unversehrter Pass von einem der angeblichen Al-Qaida-Attentäter gefunden worden war, haben auch die Pipeline-Attentäter bequemerweise zwei "hervorragend gefälschte Pässe", wahrscheinlich auf dem Boot, hinterlassen.

Dem technischen Können und dem ungeheuren Arbeitseinsatz der sechs Attentäter muss man jedoch Hochachtung zollen. Sie haben das Unmögliche möglich gemacht und mit einer kleinen Jacht über eine Tonne hochexplosiven Sprengstoff in einem hochkomplexen Verfahren an verschiedenen Stellen der Pipeline unbemerkt von den vielen aufmerksamen Augen in diesem Teil des Seegebietes in wochenlanger schwerer Arbeit mit primitiven Mitteln an die freizuschaufelnden Pipelines am Meeresgrund verbracht. In jeder Hinsicht stellt dieses neue Narrativ eine wahrhaft unglaubliche Geschichte dar.

Man muss kein Russe sein, wie zum Beispiel der Kremlsprecher Dmitri S. Peskow, um die Glaubwürdigkeit der westlichen Geheimdienste, die hinter dem neuen Narrativ für Idioten stecken, zu bezweifeln. Zwar wird es den Mainstream-"Qualitäts"-Medien sicherlich auch diesmal gelingen, einem Teil der westlichen Bevölkerung diesen Blödsinn zu verkaufen, aber die Mehrheit der Weltbevölkerung weiß längst, was sie von Medien-Berichten zu halten haben, die auf Erzählungen von anonymen US- oder anderen westlichen Geheimdienstlern basieren.

In der New York Times veröffentlichte Berichte anonymer US-Geheimdienstler stellen nachweislich das Gegenteil einer Erfolgsgeschichte in puncto Glaubwürdigkeit dar. Egal ob bei den US-Kriegsvorbereitungen gegen Jugoslawien, Afghanistan, Irak, Libyen, Syrien oder jetzt in der Ukraine ‒ immer hat das Leitmedium New York Times unter Berufung auf anonyme Geheimdienstquellen die US-Öffentlichkeit und in deren Folge die transatlantische Öffentlichkeit mit falschen Nachrichten auf Kriegskurs manipuliert.

Aber es heißt, dass auch in der größten Lüge nicht selten ein Kern von Wahrheit versteckt ist, und das ist auch im neuen Nord Stream-Narrativ der Fall. Denn dort lautet eine Stelle folgendermaßen:

"Demnach soll es noch weitere geheimdienstliche Hinweise gegeben haben, die auf eine pro-ukrainische Gruppe hindeuten."

Das ist ein deutlicher Hinweis auf die wahren Täter, nämlich die CIA, genau wie Seymour Hersh es herausgearbeitet hat.

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