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Polarlichter und Blackouts: Forscher rechnen mit mehr folgenschweren Sonnenstürmen

Nach einem Sonnensturm waren kürzlich auch im Norden Deutschlands wunderschöne Polarlichter zu sehen. Doch es gibt auch potenziell bedrohliche Folgen einer solchen starken Sonneneruption – und das Weltraumwetter dürfte in den nächsten Jahren ungemütlicher werden.
Polarlichter und Blackouts: Forscher rechnen mit mehr folgenschweren SonnenstürmenQuelle: www.globallookpress.com © z03

Am 17. Februar brach ein Teil der Sonne aus. Ein durchdringend heller Lichtblitz – eine Sonneneruption – leuchtete kurz vom linken Rand unseres Sterns auf, wo er von der NASA-Raumsonde Solar Dynamics Observatory auf einem ultravioletten Bild eingefangen wurde. Letztendlich war diese Eruption jedoch relativ mild – die stärkste jemals aufgezeichnete Sonneneruption aus dem Jahr 2003 war im Vergleich dazu mehr als 100-mal so stark. Dennoch stehen wir kurz davor, in ein unbeständigeres Kapitel des elfjährigen Zyklus der magnetischen Aktivität der Sonne einzutreten. Sonneneruptionen sind neben koronalen Massenauswürfen und Strahlungsstürmen eine der drei Hauptformen der Sonneneruptionsaktivität, die laut Wissenschaftlern in den nächsten Jahren wahrscheinlich an Häufigkeit zunehmen werden.

Derzeit befindet sich unser Heimatstern in der ansteigenden Phase des 25. Sonnenzyklus. Dieser wird so genannt, weil Wissenschaftler 1755 begonnen hatten, detaillierte Aufzeichnungen über Sonnenflecken zu führen. Seither hat es insgesamt 25 solcher Zyklen gegeben. Der Höhepunkt dieser Periode, das sogenannte Sonnenmaximum, dürfte um 2025 erreicht werden. Das letzte Sonnenmaximum war 2014. Der damit verbundene Anstieg der Sonnenaktivität könnte sich nicht nur auf etwaige geplante Weltraumaktivitäten der NASA, sondern auch auf die Gegebenheiten hier auf der Erde auswirken. So wird das Sonnenmaximum im Jahr 2025 etwa mit dem NASA-Projekt Artemis III zusammenfallen, das Menschen auf die Mondoberfläche zurückbringen soll – nicht gerade der sicherste Ort während eines Sonnensturms.

Doch was ist ein solarer magnetischer Zyklus?

Die Sonne ist eine riesige Kugel aus brodelndem, überhitztem Plasma, das im Wesentlichen aus elektrisch geladenem Gas mit ungeheuer starken Magnetfeldern besteht. Aus Gründen, die die Astronomen noch nicht verstehen, nimmt die Aktivität dieser Magnetfelder in einem elfjährigen Zyklus zu und ab. In diesem Zyklus verändern sich auch die dunklen Flecken auf der Oberfläche des Sterns, die sogenannten Sonnenflecken, deren Anzahl zunimmt, je näher die Sonne ihrem Maximum kommt.

Sonnenflecken sind die Quelle der solaren magnetischen Eruptionen. Steigt die Sonnenaktiviät an, entstehen auch mehr sowie größere Sonnenflecken. Hierbei gilt: Je größer der Sonnenfleck, desto größer die Sonneneruption. Der aktuelle Sonnenzyklus sticht dabei in besonderem Maße hervor, da er bisher aktiver ist als von Astronomen vorhergesagt. Ebenso sind mehr Sonnenflecken auf der Sonne zu sehen, als ursprünglich prognostiziert wurde.

Werden Sonneneruptionen im Jahr 2025 Störungen auf der Erde verursachen?

Sonneneruptionen treten auf, wenn sich die Magnetfeldlinien in einem Sonnenfleck verdrehen und reißen. Die überschüssige Energie wird dann abgegeben, was zu einer Explosion mit drei möglichen Folgen führt. Die erste ist eine Sonneneruption, wie die vom 17. Februar, bei der hauptsächlich Photonen freigesetzt werden. Die zweite ist ein koronaler Massenauswurf oder eine große Freisetzung von Plasma in den interplanetaren Raum. Und der dritte ist ein Strahlungssturm, der durch die Beschleunigung von Energieteilchen wie Protonen und Ionen ausgelöst wird. Koronale Massenauswürfe können manchmal auch einen Strahlungssturm erzeugen, indem sie geladene Teilchen vor sich herschieben, während sie durch den Raum rasen.

Bei solchen Ereignissen wird der Sonnenwind, ein sonst relativ konstanter Teilchenstrom, den die Sonne ausstrahlt, zudem verstärkt. Bei einer Sonneneruption kann die daraus resultierende elektromagnetische Strahlung auf der Erde, wenn sie intensiv genug ist, etwa zu Funklöchern führen. Koronale Massenauswürfe (sogenannte CMEs) sind dagegen Ausbrüche, die wirklich Probleme verursachen können. Laut der Europäischen Weltraumbehörde ESA wird dabei Plasma "in einer Größenordnung von mehreren zehn Milliarden Tonnen Masse" in den Weltraum geschleudert. Das aus Elektronen, Protonen und den Kernen schwerer Elemente wie Helium, Sauerstoff oder Eisen bestehende Plasma kann einen geomagnetischen Sturm erzeugen, wenn es auf die Magnetosphäre unseres Planeten trifft, was zu beeindruckenden Polarlichtern an den Polen führt aber auch die Stromnetz- und Satellitentechnologie in Mitleidenschaft ziehen kann.

Im Bereich der Pole können Flugzeuginsassen dann außerdem schädliche Strahlung abbekommen. Bei einem größeren geomagnetischen Sturm kommt das die Erde schützende Magnetfeld dagegen zumeist nicht an. Dann kann ein solcher unsere Atmosphäre sogar so weit aufheizen, dass sie anschwillt und niedrig fliegende Satelliten in Mitleidenschaft zieht oder sie sogar aus ihrer Umlaufbahn reißt, wie es am 4. Februar 2022 bei 40 gerade gestarteten Starlink-Satelliten der Fall war. Kleinere Ausbrüche kann das Magnetfeld der Erde jedoch in der Regel abfangen. Zum Glück erreicht jedoch nicht jeder koronale Massenauswurf die Erde. Viele, wie der mit der Eruption vom 17. Februar verbundene Auswurf, fliegen in den Weltraum, weg von unserem Planeten.

Die Frage ist, ob noch weitere in unsere Richtung fliegen werden, während wir auf das Sonnenmaximum zusteuern. Jüngste Forschungen bestätigen, dass es in fast jedem Sonnenzyklus eine sehr, sehr große Eruption gibt. Es kommt also nur darauf an, in welche Richtung sie im Weltraum fliegt. Wirklich starke Sonneneruptionen können zu geomagnetischen Stürmen führen, die die Elektronik am Boden beschädigen, wie etwa der Sturm im Jahr 1989, der einige Stromnetze lahmlegte.

Heute sind die mit solchen Ereignissen verbundenen Risiken für unsere moderne Welt angesichts des technologischen Fortschritts allerdings erheblich größer als 1989 – und sei es nur, weil sich heute viel mehr Technologie im Weltraum befindet. So befanden sich Ende 2022 mehr als 5.700 Satelliten in der Umlaufbahn, während es 1989 noch weniger als 500 gewesen waren. Käme es zu einem extremen geomagnetischen Sturm, könnte das verheerende Folgen für die sich in unserer Umlaufbahn befindlichen Satelliten und somit auch für unsere von ihnen abhängige Gesellschaft haben. Sorge bereiten den Forschern vor allem die indirekten Effekte, die solche Stürme nach sich ziehen.

"Etwa beim extrem genauen Satellitenzeitsignal, das in der Medizintechnik oder beim ultraschnellen Börsenhandel verwendet wird", erklärte Jens Berdermann vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) im Interview mit dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND). Da unsere Gesellschaft zunehmend abhängig von Technologien jedweder Art ist, müssen die Wissenschaftler bei der Vorhersage von Sonneneruptionen noch viel besser werden. Zwar können Forscher Sonneneruptionen bereits heute vorhersagen, allerdings mit einer Genauigkeit, die Meteorologen im Vergleich zur Zehn-Tages-Vorhersage von Sonnenschein und Regen als ziemlich lausig bezeichnen würden.

Vorhersage von Sonnenstürmen gestaltet sich schwierig

"Es ist sehr schwer, die Veränderungen im Sonnenmagnetfeld zu simulieren, denn man braucht dafür große Rechenkapazitäten", gestand Svetlana Berdyugina vom Leibniz-Institut für Sonnenphysik in Freiburg ein. Für eine Simulation der kompletten Sonne reichten die derzeit verfügbaren Rechenkapazitäten jedoch nicht aus. Um verlässliche Vorhersagen treffen zu können, so Berdyugina, müsse man die vorhandenen Daten mithilfe von künstlicher Intelligenz nach Mustern durchsuchen. So könne es vielleicht gelingen, Vorboten für Sonnenstürme auszumachen. Mit anderen Worten: Es ist noch immer schwer zu bestimmen, inwieweit ein geomagnetischer Sturm den Betrieb und die Flugbahn von Satelliten und den normalen elektrischen Betrieb am Boden beeinflussen wird.

Dabei wäre eine frühe Vorhersage wichtig, um zumindest einen Teil der anfälligen Infrastruktur schützen zu können. Wissenschaftler analysieren dennoch täglich die Sonnenfleckenregionen, um die Bedrohungen zu beurteilen. Sie überwachen und registrieren Veränderungen in der Größe, Anzahl und Position der Sonnenflecken, um die Wahrscheinlichkeit einer auf die Erde gerichteten Sonneneruption und/oder eines CME aus einer aktiven Region zu beurteilen. Die NASA verfügt auch über eine Flotte von Raumsonden, die unter der Bezeichnung Heliophysics Systems Observatory (HSO) bekannt sind und die Sonne und ihren Einfluss auf das Sonnensystem, einschließlich der Auswirkungen des Weltraumwetters, untersuchen.

Das HSO besteht aus mehreren heliosphärischen, geophysikalischen und planetarischen Raumfahrzeugen, die die Sonne beobachten und ihre Aktivität messen. Zu diesen Satelliten gehören die Parker Solar Probe, die auf einer gewagten Mission die Sonne "berührt", und der Solar Orbiter der ESA, der zum ersten Mal einen Blick auf die unerforschten Polarregionen der Sonne wirft. Die Vigil-Mission der ESA, die Mitte 2020 gestartet ist, ist ebenso eine spezielle Mission zur Vorhersage des Sonnenwetters. Vigil wird die Sonne vom Lagrange-Punkt 5 aus beobachten, der etwa 150 Millionen Kilometer von der Erde entfernt ist.

In der Zwischenzeit wird die Sonne weiter auf das Sonnenmaximum im Jahr 2025 zusteuern. Aber auch nach diesem Höhepunkt sind Satelliten und Astronauten noch nicht vor Sonnenstürmen gefeit: Zwischen jetzt und 2028 oder 2029 kann es laut Wissenschaftlern jederzeit zu einer großen Eruption kommen, die auf die Erde trifft. Das wird sich wahrscheinlich nicht auf das tägliche Leben auswirken, aber die NASA und die Satellitenbetreiber werden die Sonne im Auge behalten müssen.

Das Carrington-Ereignis

In den vergangenen Jahrzehnten hat die Sonne ihr zerstörerisches Potenzial zwar nie in vollem Ausmaß gezeigt – erahnen lässt es sich aber anhand der Folgen des sogenannten Carrington-Ereignisses. Das Carrington-Ereignis war ein großer Sonnensturm gewesen, der Anfang September 1859 stattgefunden hatte, nur wenige Monate vor dem Sonnenmaximum von 1860. Im August 1859 hatten Astronomen in aller Welt fasziniert beobachtet, wie die Zahl der Sonnenflecken auf der Sonnenscheibe zunahm. Unter ihnen war auch Richard Carrington gewesen, ein Amateur-Himmelsbeobachter in der kleinen Stadt Redhill in der Nähe von London in England.

Am 1. September, als Carrington die Sonnenflecken skizziert hatte, war er von einem plötzlichen Lichtblitz geblendet worden. Carrington hatte ihn damals als "weiße Lichterscheinung" beschrieben. Das ganze Ereignis hatte etwa fünf Minuten gedauert. Bei der Eruption hatte es sich um einen großen koronalen Massenauswurf gehandelt, einen Ausbruch von magnetisiertem Plasma aus der oberen Atmosphäre der Sonne, der Korona. In 17,6 Stunden hatte der CME eine Strecke von mehr als 150 Millionen Kilometern zwischen der Sonne und der Erde zurückgelegt und seine Kraft auf unserem Planeten entfesselt. Nach Angaben der NASA brauchen CMEs normalerweise mehrere Tage, um die Erde zu erreichen.

Am Tag, nachdem Carrington die beeindruckende Eruption beobachtet hatte, erlebte die Erde einen noch nie dagewesenen geomagnetischen Sturm, bei dem Telegrafensysteme verrückt spielten und Polarlichter, die normalerweise nur in den polaren Breitengraden zu sehen sind, sogar in den Tropen zu sehen waren. Carrington zählte eins und eins zusammen und erkannte, dass die Sonneneruption, die er gesehen hatte, mit ziemlicher Sicherheit die Ursache für diese massive geomagnetische Störung war. Ein Zusammenhang, der zuvor noch nie hergestellt worden war. Ihm zu Ehren ist der Sonnensturm von 1859 heute daher als Carrington-Ereignis bekannt.

"Wenn man bedenkt, wie viele elektrische Geräte es mittlerweile gibt, dann kann man sich halbwegs vorstellen, was ein Carrington-Ereignis heute auslösen würde", veranschaulichte Berdermann. Berdermann und weitere Weltraumwetterforscher haben der Bundesregierung in einem gemeinsamen Schrieben daher den Aufbau eines nationalen Weltraumwetter-Zentrums, den Auf- und Ausbau boden- und satellitengestützter Beobachtungssysteme sowie die Erstellung einer Risikobewertung zu allen betroffenen Systemen und Services empfohlen. "Besondere Aufmerksamkeit muss den Auswirkungen auf betroffene Systeme gelten, insbesondere der Sicherstellung der Energieversorgung (Umspannwerke, Transformatoren) sowie aufstrebenden Neuentwicklungen wie im Bereich des autonomen Fahrens und der E‑Mobilität", schrieben die Wissenschaftler.

Zu unserem Glück treten Sonnenstürme wie das Carrington-Ereignis nach Angaben von NOAA SciJunks etwa alle 500 Jahre auf. Sonnenstürme, die nur halb so stark sind wie das Carrington-Ereignis, treten jedoch häufiger auf, etwa alle 50 Jahre.

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