Die nächste Mine in der Finanzwelt: Gewerbeimmobilien
Credit Suisse wurde von UBS geschluckt, der Kurs der Deutschen Bank hat sich nach dem enormen Absturz Ende vergangener Woche wieder beruhigt und Bundeskanzler Olaf Scholz hat außerdem erklärt, alles sei in Ordnung. Allerdings lauert in den USA und vermutlich ebenso in Europa bereits das nächste Problem: Gewerbeimmobilien.
Die Preise für Gewerbeimmobilien sind in den USA deutlich gefallen. Das Handelsblatt zitiert einen Index, der von 153 auf 132 Punkte gesunken ist. Das ist ein Rückgang um 14 Prozent. Das klingt für sich genommen noch nicht dramatisch. Es kommen aber weitere Faktoren hinzu. Zum einen sind die Hypotheken für Gewerbeimmobilien selten langfristig, das heißt, sie müssen regelmäßig refinanziert werden. Für das Jahr 2023 geht Morgan Stanley von einem Refinanzierungsbedarf von 450 Milliarden US-Dollar aus, in den Folgejahren liegt er noch höher. Diese Refinanzierung erfolgt aber in einer Phase fallender Preise zu deutlich höheren Zinssätzen. Schließlich lagen die Leitzinsen all die Jahre seit der Finanzmarktkrise 2008 nahe null. Einem sinkenden Wert der Immobilie stünde dann also eine deutlich teurere Hypothek gegenüber.
Verstärkt wird das Ganze durch die Tendenz zum Home Office, die gerade in den Regionen mit besonders hochpreisigen Bürogebäuden ausgeprägt ist, also genau dort zu Leerstand und entsprechendem Preisverfall führt, der nur deshalb nicht ausgeprägter ist, weil jeder mögliche Verkäufer solcher Immobilien versuchen wird, einen Verkauf mit Verlust zu vermeiden. Das bedeutet aber gleichzeitig, dass ein noch deutlicherer Absturz der Immobilienwerte möglich ist, wenn die Refinanzierungen scheitern.
Ein möglicher Grund für dieses Scheitern hängt mit einer Entwicklung zusammen, die der Zusammenbruch der Silicon Valley Bank ausgelöst hat. Viele Kunden kleinerer Regionalbanken zogen ihr Geld von dort ab und verlagerten es auf Konten von Großbanken, weil sie nur bei jenen "TBTF"-Banken (too big to fail, zum Scheitern zu groß) mit Sicherheit davon ausgehen, dass die Regierung diese Banken um jeden Preis stützen wird. Das heißt, die Regionalbanken haben deutlich weniger Mittel zur Verfügung und müssen dementsprechend bei der Kreditvergabe vorsichtiger agieren.
Es sind aber vor allem Regionalbanken, die Gewerbeimmobilien finanzieren. Das ist in Deutschland nicht wesentlich anders, dafür muss man nur auf die Tätigkeit der örtlichen Sparkasse blicken. Diese kleineren Banken finanzieren 65 Prozent der Gewerbeimmobilien. Und bei der Frage, ob neue Hypotheken für diese Gewerbeimmobilien vergeben werden, geht es nicht nur um vernünftige Kalkulation, sondern um harte Vorschriften, die diesen kleineren Banken untersagen, bei schwindenden Einlagen das Kreditvolumen beizubehalten oder gar zu erhöhen. Die restlichen 35 Prozent der Finanzierung von Gewerbeimmobilien erfolgen übrigens durch CMBS, und wer bei den letzten drei Buchstaben an die Bankenkrise 2008 denkt, liegt genau richtig, es handelt sich dabei um verbriefte und weiterverkaufte Hypotheken.
Die Eigentümer dieser Immobilien sind zudem oft REITs, Real Estate Investment Trusts, deren Anteile gehandelt werden und aus denen sich Anteilseigner dementsprechend im Falle einer ungünstigen Entwicklung gern zurückziehen, was grundsätzlich dazu führt, dass sich Entwicklungstendenzen verstärken, bei einem Wertzuwachs ebenso wie bei einem Wertverlust. Man kann sich unschwer vorstellen, dass ein REIT mit Refinanzierungsbedarf, dessen Anleger gerade abspringen, auf eine Regionalbank trifft, deren Einlagen zurückgegangen sind. Das Ergebnis ist dann entweder ein Kreditausfall für die Regionalbank oder ein Notverkauf der Immobilie.
Der Kurs eines der größten REITs, Vornado, ist inzwischen auf den Wert des Jahres 1997 gefallen. Und auch für Europa rechnet die Citigroup mit Kursverlusten von 50 Prozent für Unternehmen wie Vonovia, obwohl diese Werte in den vergangenen zwölf Monaten bereits dramatisch gefallen sind. In dieser Entwicklung sind nicht einmal die jüngsten Zinserhöhungen der EZB oder die neuen Klimaschutzbeschlüsse der EU eingepreist.
"Die Sorge vor dem Engagement bei US-Gewerbeimmobilien spielten ebenfalls beim Kursrutsch der Deutschen Bank am vergangenen Freitag eine Rolle", schreibt das Handelsblatt und erwähnt, die Bank halte ein Portfolio von US-Gewerbeimmobilien in Höhe von 16,8 Milliarden Dollar. Eine erste Reaktion auf das Problem der Gewerbeimmobilien klingt auch weit realistischer als möglicher Auslöser des Kurssturzes vergangene Woche, als die Behauptung, es sei eine Wette von fünf Millionen Dollar auf steigende Kreditrisiken gewesen, die ihn ausgelöst hätte – eine Verschwörungstheorie, die das Handelsblatt an anderer Stelle selbst vertritt. Zero Hedge hatte sie bereits zu Wochenbeginn mit der einfachen Bemerkung abgehakt, wenn es keine Probleme gäbe, hätten diese fünf Millionen gar keine Folgen haben können. Bemerkt wurden dies nur, weil niemand dagegenhielt, also alle Marktteilnehmer die Überzeugung teilten, dass es Probleme mit Kreditausfällen geben werde.
Größere Investoren wie Morgan Stanley in den USA haben ihre Besorgnis über diese Entwicklung bereits geäußert und mit Sicherheit ihr eigenes Handeln entsprechend angepasst. Und auch wenn europäische Ratingagenturen erklären, das Problem habe für Europa keine Relevanz, heißt es doch, ein Drittel der verbrieften Gewerbeimmobilienkredite in Europa, die in diesem oder im kommenden Jahr auslaufen, hätten "große Refinanzierungsrisiken". Und Ausfallrisiken gibt es nicht nur bei kleinen Investoren. Jüngst zahlte eine Tochtergesellschaft von Pimco, ein Hedgefonds im Besitz der Allianz und lange der weltgrößte, Kredite in Höhe von 1,7 Milliarden Euro nicht zurück. Das bedeutet, es ist für die Firma schlicht günstiger, die Gebäude an die Bank zu verlieren, als den Kredit abzuzahlen. In den USA ist dieser Ausweg möglich, weil die Banken nach Übernahme einer Immobilie keine weiteren Forderungen an den Eigentümer stellen können.
Die REITs jedenfalls haben in diesem Monat in den USA bereits 24 Prozent verloren. Dennoch sind weitere Zinserhöhungen durch die FED nicht ausgeschlossen. Der letzte Faktor, der in der Berichterstattung selten erwähnt wird, der aber entscheidend sein könnte, wenn diese finanzielle Mine letztlich explodiert: Die Abkehr vom US-Dollar im Rest der Welt verläuft immer schneller. Damit endet auch die Möglichkeit, die Löcher wie im Jahr 2008 durch Gelddrucken zu stopfen, denn es war nur die Rolle des US-Dollars als Reservewährung, die verhinderte, dass die Erhöhung der Geldmenge in Inflation umschlug. Diese Zeiten sind unübersehbar vorbei.
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