Hersh zu Nord Stream-Anschlägen: Berichte über Segeljacht sind eine "Parodie"
Der US-Investigativjournalist Seymour Hersh hat sich erneut zu den Berichten über die pro-ukrainische Gruppe, die hinter den Anschlägen auf die Nord Stream-Pipelines stecken soll, geäußert. Hersh hatte zuvor in mehreren Artikeln mit Verweis auf anonym bleibende Quellen die Biden-Administration beschuldigt, hinter den Anschlägen auf die Pipelines zu stecken (RT DE berichtete).
Hershs ursprünglicher Bericht fand weltweit Beachtung, wurde aber von den großen Zeitungen und Fernsehsendern in den Vereinigten Staaten ignoriert. Als die Geschichte in Europa und anderswo im Ausland an Fahrt gewann, veröffentlichte die New York Times am 7. März einen Bericht, in dem US-Beamte zitiert wurden, die behaupteten, der amerikanische Geheimdienst habe Informationen gesammelt, die darauf hindeuteten, dass eine pro-ukrainische Gruppe die Pipelines sabotiert hätte.
Die NYT berichtete auch, dass ein europäischer Gesetzgeber, der von den Geheimdiensten seines Landes informiert wurde, gesagt habe, dass der Dienst Informationen über etwa 45 Schiffe sammelte, deren Transponder ausgeschaltet waren, als sie das Gebiet passierten, in dem die Pipelines gesprengt wurden. Eines dieser so genannten "Geisterschiffe" könnte die Minen platziert und später den Abzug betätigt haben.
Fast zeitgleich mit der New York Times veröffentlichte die deutsche Wochenzeitung Die Zeit einen Bericht über eine Untersuchung des Nord Stream-Bombenanschlags, die sie in Zusammenarbeit mit einem öffentlich-rechtlichen Fernsehsender recherchiert hatte. Demnach sollen die Täter eine Jacht genutzt haben, die von einer Firma in Polen gemietet wurde, die offenbar zwei Ukrainern gehört. Zu der Gruppe, die die Jacht mietete und die Zerstörung der Pipeline durchführte, gehörten angeblich ein Kapitän, zwei Taucher, zwei Tauchassistenten und ein Arzt. Die Täter sollen gefälschte Pässe genutzt und den benötigten Sprengstoff zum Tatort transportiert haben. Die Jacht soll in der Nähe der dänischen Insel Bornholm gefahren sein, die sich in der Nähe des Ortes befindet, an dem die Pipeline sabotiert wurde.
Die Zeit berichtete, die Jacht sei der Firma, die sie geleast hatte, in einem "ungereinigten Zustand" zurückgegeben worden, so dass deutsche Ermittler auf einem Kabinentisch Spuren eines Sprengstoffs finden konnten. Später hieß es, die Ermittler hätten auch zwei gefälschte ukrainische Pässe auf der Jacht gefunden. In einem späteren Bericht des deutschen Wochenmagazins Der Spiegel hieß es, die fragliche Jacht habe den Namen "Andromeda".
Am 3. April berichtete dann die Washington Post, dass einige europäische Ermittler inzwischen bezweifeln, dass die Gruppe der "Andromeda" die Pipelines ohne die Hilfe eines zweiten Schiffes hätte sabotieren können. Einige in Europa fragten sich, ob die Rolle der Andromeda "etwas zur Ablenkung oder nur ein Teil des Bildes" sei. Die Washington Post behauptete nicht, dass die Biden-Administration hinter den Anschlägen steckte, zitierte jedoch einen namentlich nicht näher genannten europäischen Diplomaten, der sagte, dass jeder sehen könne, dass dort eine Leiche liege, aber alle täten so, als sei alles normal.
"Es ist besser, nichts zu wissen", sagte der Diplomat.
Hersh wies auch darauf hin, dass die Post keinen amerikanischen Beamten, auch nicht anonym, zitierte, sondern nur einen "europäischen Diplomaten".
"Die Biden-Administration ist zu einer Nord Stream-freien Berichtszone geworden."
Für die CIA war dies laut Hersh ein erfolgreicher Versuch, die Welt auf mögliche Verdächtige außerhalb des naheliegendsten Täters, des Präsidenten der Vereinigten Staaten, zu konzentrieren.
Hersh hat nach den Berichten der NYT und der Zeit in einem Artikel auch die Vermutung geäußert, dass die Informationen, die die deutsche Bundespolizei sowohl der Zeit als auch dem Spiegel zur Verfügung gestellt hatte, vom US-Geheimdienst stammten. Einer der Autoren des Zeit-Berichts, Holger Stark, habe sich laut Hersh daraufhin bei ihm beschwert. Stark sagte, er habe "ausgezeichnete Quellen" bei der deutschen Bundespolizei, von denen er seine Informationen bezogen habe, und nicht von den Geheimdiensten. Hersh zufolge ging es jedoch um Annahmen in den Berichten, die man hätte hinterfragen müssen.
"Ich habe Stark zum Beispiel nicht gefragt, ob er sich wundert, warum eine amerikanische Zeitung, die fast viertausend Meilen entfernt ist, dieselbe Behauptung über eine Gruppe ungenannter Ukrainer, die nicht mit der Führung in Kiew in Verbindung stehen sollen, veröffentlicht, von der Beamte in Deutschland sagen, dass sie sie auch als Täter in Betracht ziehen."
Hersh sprach mit Stark zudem über eine Tatsache, die dieser erwähnte: Demnach hatten Beamte in Deutschland, Schweden und Dänemark kurz nach den Bombenanschlägen auf die Pipeline beschlossen, Teams an den Ort zu schicken, um die eine Mine zu bergen, die nicht explodiert war.
"Er sagte, sie seien zu spät gekommen; ein amerikanisches Schiff sei innerhalb von ein oder zwei Tagen zur Stelle gewesen und habe die Mine und andere Materialien geborgen."
Auf die Frage, warum die US-Amerikaner als Erste vor Ort waren, erklärte Stark lediglich: "Sie wissen doch, wie Amerikaner sind. Sie wollen immer die Ersten sein." Laut Hersh gab es jedoch noch eine andere, sehr offensichtliche Erklärung.
Ihm zufolge bestehe der Trick einer guten Propagandaoperation darin, den Zielpersonen ‒ in diesem Fall den westlichen Medien ‒ das zu liefern, was sie hören wollen. Ein nicht namentlich genannter Geheimdienstexperte erklärte dies gegenüber Hersh folgendermaßen:
"Wenn man eine Operation wie die Pipelines durchführt, muss man eine Gegenoperation planen ‒ ein Ablenkungsmanöver, das einen Hauch von Realität hat. Und es muss so detailliert wie möglich sein, damit es geglaubt wird."
Das Ziel der CIA im Fall der Pipeline war es also, eine Parodie zu produzieren, die so gut war, dass die Presse sie glauben würde. "Aber wo soll man anfangen? Man kann die Pipelines nicht durch eine Bombe aus einem Flugzeug oder durch Seeleute auf einem Gummiboot zerstören lassen."
"Aber warum nicht ein Segelboot? Jeder, der sich ernsthaft mit dem Ereignis beschäftigt hat, weiß, dass man ein Segelboot nicht in Gewässern ankern kann, die 260 Fuß tief sind" ‒ die Tiefe, in der die vier Pipelines zerstört wurden ‒ "aber die Geschichte war nicht an entsprechende Personen gerichtet, sondern an die Presse, die eine Parodie nicht erkennt, wenn sie vor ihnen liegt."
Der Geheimdienstexperte wies auch auf weitere offensichtliche Unstimmigkeiten in den Berichten hin:
"Man kann nicht einfach mit einem gefälschten Pass auf die Straße gehen und ein Boot mieten. Man muss entweder einen Kapitän akzeptieren, der vom Vermieter oder Jachteigentümer gestellt wird, oder jemanden haben, der über ein Befähigungszeugnis verfügt, wie es das Seerecht vorschreibt. Jeder, der schon einmal eine Jacht gechartert hat, weiß das."
Ähnliche Nachweise wären für die Tiefseetauchgänge, für die ein spezielles Gemisch aus Sauerstoff und Stickstoff verwendet wird, erforderlich. Daneben gebe es aber noch weitere Fragen:
"Wie kann ein 49-Fuß-Segelboot die Pipelines in der Ostsee finden? Die Pipelines sind nicht so groß und auch nicht auf den Seekarten verzeichnet, die mit dem Mietvertrag geliefert werden. Vielleicht wollte man die beiden Taucher ins Wasser lassen" ‒ was von einer kleinen Jacht aus nicht so einfach ist ‒ "und die Taucher danach suchen lassen. Wie lange kann ein Taucher in seinem Anzug unten bleiben? Vielleicht fünfzehn Minuten. Das bedeutet, dass ein Taucher vier Jahre brauchen würde, um eine Quadratmeile abzusuchen."
Der Geheimdienstexperte sagte weiterhin:
"Nichts davon ist passiert. Hören Sie auf, das mit der Realität zu verbinden. Es ist eine Parodie."
Die Berichte in der New York Times und in der Zeit enthielten auch keinerlei Hinweise darauf, dass ein Journalist an Bord gehen und die fragliche Jacht physisch untersuchen konnte. Sie erklären auch nicht, warum die Passagiere einer Jacht nach einer Anmietung gefälschte oder andere Pässe an Bord zurücklassen würden. Der Experte fuhr fort:
"Der Versuch, Fiktion in Wahrheit zu verwandeln, wird ewig weitergehen. Jetzt taucht nach den Ermittlungen das Bild eines Segelboots auf, das nicht zurückverfolgt werden kann ‒ ohne Kennzeichen, wo es eigentlich hingehört. Die Andromeda hat in der Presse den Piltdown-Menschen (die wissenschaftliche Fälschung von Überresten eines Frühmenschen, Anm. d. Red.) ersetzt."
Die Berichte der Mainstream-Medien lassen demnach nur die Schlussfolgerung zu, dass "die teuflische CIA eine Gegenoperation ausgeheckt hat, die auf den ersten Blick lächerlich und kindisch ist". Sie diene in erster Linie dazu, die von den Geheimdiensten bevorzugte "Wahrheit" durchzusetzen.
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