Washington sollte den BRICS aus dem Weg gehen
Von Dmitri Kossyrew
Die übliche – und falsche – Sichtweise auf die Ergebnisse des Besuchs des brasilianischen Präsidenten Luiz Inácio Lula da Silva in Peking ist, dass China und Brasilien, zwei Mitglieder der BRICS-Staatengruppe, ihre antiamerikanische Allianz weiter gestärkt haben.
Es gibt in diesen Tagen jedoch die pathologische Angewohnheit, zum Beispiel bei der New York Times, diese Reise und das Diskutieren bilateraler Angelegenheiten zwischen China und Brasilien mit der Ukraine in Verbindung zu bringen. Das Blatt erinnerte nämlich in diesem Kontext daran, dass die beiden Länder sich bisher "geweigert haben, Russland zu verurteilen" und "Waffen an die Ukraine zu liefern". Der zweite Kritikpunkt bezieht sich natürlich nicht so sehr auf China, wie auf Brasilien – aber wer in Lateinamerika stellt schon Kiew Waffen zur Verfügung, selbst als symbolischen Tribut an die USA und den Westen? Nur Ecuador, und die Führung des Landes spricht eher davon, als dass sie es wirklich tut.
Doch wer hätte jemals gedacht, dass der brasilianische Präsident nach China reisen würde – einem Land, das seit mehr als einem Jahrzehnt der größte Wirtschaftspartner seines Landes ist – um dort einen Konflikt zu lösen, der Tausende von Kilometern von den Grenzen beider Länder entfernt ist? Bestenfalls sollte die Reise sicherstellen, dass der Konflikt keine Probleme in den bilateralen Beziehungen der beiden Länder verursacht.
Während des viertägigen Besuchs von Präsident Lula sprach er nur ein einziges Mal über die Ukraine, und auch nur, weil ein Journalist ihm eine entsprechende Frage stellte. Seine Antwort lautete:
"Die USA sollten aufhören, den Krieg zu unterstützen und anfangen, über Frieden zu reden. Die Europäische Union sollte anfangen, über den Frieden zu reden."
Das war auch schon alles. In verschiedenen bilateralen Dokumenten über die Ergebnisse des Besuchs finden sich die bekannten offiziellen Positionen Chinas und Brasiliens, wie zum Beispiel die in der heutigen Diplomatie übliche Formulierung, dass eine friedliche Lösung des Konflikts gefunden werden müsse.
Worüber haben die beiden Staatsoberhäupter, Luiz Lula da Silva und Xi Jinping, also gesprochen? Und welche Themen hat der brasilianische Präsident generell in China angesprochen? Natürlich reist man nach China, um die Wirtschaftsbeziehungen auszubauen, und man nimmt immer eine große Delegation mit. Das war auch dieses Mal der Fall.
Die in Peking ansässige Zeitung Global Times fragte Lulas Schlüsselberater Celso Amorim nach den Ergebnissen des Besuchs. In erster Linie sei es um die Geschäftsbeziehungen, um die Erörterung bestehender Kooperation und die Vereinbarung neuer Bereiche für Zusammenarbeit gegangen. Es ging vor allem um die Kooperation bei der Halbleiterherstellung, Investitionen in neue Umweltprojekte und so weiter, so Amorim.
Vollkommen normale Themen für Gespräche also – und wer würde bei diesen Themen das Schmieden einer antiamerikanischen Allianz erkennen? Diejenigen, die ein Monopol auf einige wenige der anspruchsvollsten Halbleitertypen aufrechterhalten möchten und eigentlich die gesamte Industrie im internationalen Maßstab monopolisieren wollen – die US-Amerikaner.
Aus diesem Grund wirkte Lulas Besuch in der Shanghaier Huawei-Zentrale wie eine Vorzeigeaktion, die in eine Art Symbol für die "chinesische Herausforderung" für die USA verwandelt wurde. Ein Großteil der Bemühungen der US-Diplomatie in den letzten Jahren war darauf ausgerichtet, sicherzustellen, dass kein Verbündeter der USA es wagen würde, mit Huawei und dutzenden anderer chinesischer Unternehmen Geschäfte zu machen. Was sagte denn Amorim zu diesem Thema? Er erklärte, dass die Brasilianer schon seit langem Geschäfte mit Huawei machen, da sie einfach das Beste wählen. Wenn ihnen das Beste angeboten werde, würden sie es auch annehmen, so Lulas Berater. Er fügte hinzu:
"Wenn uns jemand am Handeln hindert, weil er einseitige Sanktionen gegen jemanden verhängt hat, schauen wir, wie wir das gemeinsam verhindern können. Und wenn der Handel durch Überwachung oder Abschneiden der Finanzströme behindert wird, gehen wir zu Abrechnungen in unseren Landeswährungen über."
Die beiden Länder hätten bereits am 30. März ein entsprechendes Abkommen unterzeichnet, und während dieses Besuchs erörterten sie weitere Schritte im Finanzbereich.
In diesen Worten und Tatsachen liegt der ganze Kern der Position von Dutzenden von nicht-westlichen Ländern. Darin liegt auch der Kern der Politik der Vereinigung der BRICS, für deren ersten Buchstaben Brasilien steht (die anderen Buchstaben stehen für Russland, Indien, China und Südafrika).
BRICS kann nur in einer Situation als antiamerikanisches Bündnis betrachtet werden – nämlich dann, wenn die USA und ihre Verbündeten diese fünf Länder daran hindern, ihre Beziehungen zueinander so zu gestalten, wie sie es für richtig und nützlich halten. Und das tun die USA. Die Position der BRICS kann in einem solchen Fall in einer einfachen Position ausgedrückt werden:
"Wir sind neutral gegenüber euren Konfliktfällen – kommt uns nicht in die Quere und geht uns aus dem Weg, wenn wir unsere eigenen Angelegenheiten miteinander klären. Wenn ihr uns nicht aus dem Weg geht, würde es allen so vorkommen, dass wir hier ein antiamerikanisches Bündnis haben, und das braucht ihr sicher nicht."
Nun, der Besuch des chinesischen Verteidigungsministers Li Shangfu in Moskau, der nach Lulas Reise nach China begann, oder die Reise von Sergei Lawrow nach Brasilien, Venezuela, Nicaragua und Kuba sind eine komplett andere Angelegenheit. Aber auch sehr interessant.
Dmitri Kossyrew ist ein russischer Journalist, Orientalist und politischer Analyst bei RIA Nowosti.
Übersetzt aus dem Russischen. Zuerst erschienen bei RIA Nowosti.
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