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Ende der "Fracking-Ära" und Dominanz der OPEC in Sicht

Die USA gehören zweifelsohne zu den Hauptprofiteuren der Energiekrise in Europa und der antirussischen Sanktionen, vor allem Dank der eigenen Fracking-Industrie. Allerdings scheint die US-Branche den Höhepunkt ihres Wachstums bereits überschritten zu haben, weshalb sie ihren Einfluss im globalen Erdölsektor an die OPEC verlieren könnte.
Ende der "Fracking-Ära" und Dominanz der OPEC in SichtQuelle: Gettyimages.ru © grandriver

Von Alexander Männer

Die Vereinigten Staaten sind vor Kurzem offiziell zum größten Rohöllieferanten der EU aufgestiegen und zählen so zu den größten Nutznießern der gegen Russland gerichteten Sanktionen des kollektiven Westens sowie der damit zusammenhängenden Energiekrise in Europa. Dieser Erfolg stützt sich vor allem auf die starke Zunahme der Produktion innerhalb der US-amerikanischen Schieferölindustrie, die das Kräfteverhältnis auf dem globalen Rohstoffmarkt noch vor nicht allzu langer Zeit zu ihren Gunsten neu ordnen konnte.

Ungeachtet der neuen Vertragsabschlüsse mit den Europäern erleben die US-"Fracker" aktuell aber nicht unbedingt ihre besten Zeiten. So hat die Branche die Folgen der Coronakrise nach wie vor nicht überwunden, weshalb die Produzenten etwa die Förderleistung angesichts der weltweit wachsenden Nachfrage nach Ressourcen kaum steigern können. Laut aktuellen Angaben der Internationalen Energieagentur (IEA) ist die Wachstumsrate der Schieferölförderung in den USA in den vergangenen zwei Jahren signifikant zurückgegangen und befindet sich heute deutlich unter dem Vorkrisenniveau.

Das macht unter anderem den globalen Rohstoffgroßhändlern zu schaffen, die ihre Investitionen in den US-Fracking-Sektor gekürzt haben, weil die Gewinne, die man zuvor eigentlich gewohnt war, allem Anschein nach ausbleiben.

Fehlendes Wachstum bei der Produktion

Manche Experten gehen deshalb langfristig von einem dramatischen Rückgang der Produktion und sogar von einem Niedergang der US-Fracking-Branche aus. Auch die US-Zeitung Financial Times (FT) konstatiert, und das nicht zum ersten Mal, eine ähnliche Entwicklung und sagt den US-amerikanischen Fracking-Unternehmen eine schwierige Zukunft voraus. Das "goldene Zeitalter" der Gewinnung von Schieferöl habe die USA zwar wieder an die Spitze gebracht – sowohl bei der Versorgung mit Öl oder Benzin, als auch im Bereich der Geopolitik. Allerdings gehe das lukrative Geschäft mit dem Fracking allmählich seinem Ende entgegen, heißt es unter anderem in dem bereits Anfang dieses Jahres veröffentlichten ausführlichen Bericht "What the end of the US shale revolution would mean for the world".

Wie die Zeitung unter Verweis auf Analysten schon damals hervorhob, habe die Produktion mit der Fracking-Methode ihren Höhepunkt erreicht, wobei die Bohrstandorte bei kleineren Unternehmen zur Neige gehen würden. "Hohe Kosten und Arbeitskräftemangel machen den Schieferfeldern nun zu schaffen. Die Wall Street möchte, dass die Gewinne an die Anleger ausgezahlt und nicht in neue Bohrlöcher reinvestiert werden. Selbst bei Rohölpreisen von 80 US-Dollar je Barrel, einem Preis, der weit über dem langfristigen Durchschnitt liegt, fürchten die Produzenten von Schieferöl immer noch, Kapital zu verschwenden. Außerdem wird aus neuen Bohrlöchern viel weniger Öl gefördert", so der Bericht.

Auch Scott Sheffield, der Chef des weltgrößten Fracking-Produzenten Pioneer Pure Sources, ist der Ansicht, dass die Zeit des "aggressiven Wachstums" der US-Fracking-Branche vorbei sei. Laut einem aktuellen FT-Artikel erklärte er, dass Personal- und Versorgungsengpässe den Betrieb der Ölfelder erschwerten und dass die Hoffnung, die texanischen Förderer könnten für große Ölströme sorgen, um die steigenden Weltmarktpreise einzudämmen, weiterhin schwinden würde.

Diesbezüglich ist zu betonen, dass das Wachstum der US-Fracking-Industrie in der heutigen Situation offenkundig an seine Grenzen gestoßen ist. Denn trotz der Tatsache, dass die Ölproduktion in den USA dank der Fracking-Methode in der ersten Hälfte der 2010er Jahre enorm zugelegt hatte und am Ende des Jahrzehnts insgesamt um etwa die Hälfte auf 13 Millionen Barrel pro Tag angestiegen war, hatten sich viele US-Unternehmen aufgrund der niedrigen Rohstoffpreise auf den Weltmärkten in den Jahren 2014 bis 2016 stark verschuldet und mussten ihre Ausgaben daher senken.

Mit neuen Investitionen, die anschließend folgten, konnte hauptsächlich der Umfang der Förderung aufrechterhalten, nicht jedoch das Wachstum der Branche angekurbelt werden. Dies ist dem Umstand geschuldet, dass das Fracking, im Gegensatz zur konventionellen Ölförderung, sehr kostenintensiv ist, weil die Schieferbohrungen an neuen Förderstandorten schon nach etwa einem Jahr Betriebszeit weniger Öl bringen. Um die Produktion also stabil zu halten, benötigt man immer wieder neue Bohrlöcher.

Insofern ist es nicht verwunderlich, dass einflussreiche Experten in den USA in diesem Jahr von einem Produktionsanstieg von nur 250.000 Barrel pro Tag ausgehen. Womit sogar die prognostizierte Ölnachfrage im Inland kaum gestillt werden kann.

Rückgang der Investitionen

Abgesehen von den begrenzten Möglichkeiten der Produktionssteigerung besteht – wie schon angedeutet – aber noch ein weiteres Problem im US-Fracking-Business: Wenn die Unternehmen früher Experten zufolge alles in die Ausweitung der Förderung investiert hatten, so rückten bei ihnen im Zuge der Pandemie und des Anstiegs der Energie- und Verbraucherpreise vor allem die Dividendenauszahlungen und Aktienrückkäufe in den Vordergrund. Ein Ansatz, der bekanntlich die Gesamtrendite steigern soll.

Fehlende Investitionen seien einige der Gründe dafür, dass das eingangs erwähnte Kräfteverhältnis auf dem globalen Erdölmarkt, das sich einst zugunsten der US-amerikanischen Schieferölproduzenten veränderte, künftig wieder zu seinem vorherigen Zustand zurückkehren und die Dominanz der OPEC wiederherstellen könnte, meint Jeff Currie, Chefanalytiker für den Rohstoffhandel bei Goldman Sachs. Das mithilfe von Fracking geförderte Öl wurde zu einer "leicht verfügbaren Reservekapazität", so Currie, die mit der OPEC konkurrieren und das schaffen konnte, was man damals als die "neue Ölordnung"  bezeichnete. Der Experte weiter:

"Heute ist diese Flexibilität weg und man drängt uns zurück zur 'alten Ordnung' der OPEC-Dominanz."

Nicht zu vergessen seien zudem die Verluste, die zahlreiche Anleger laut der Financial Times erlitten haben. Diese wollten folglich nicht mehr in einen Sektor mit einer schlechten Bilanz und einer ungewissen Zukunft investieren. Davon würden vor allem die OPEC und ihre Partnerländer profitieren, zu denen der Westen keine guten Beziehungen unterhält. Denn wenn diese Produzenten, aus welchen Gründen auch immer, sich dazu entschließen, die Förderung nicht hochzufahren, müssten die Abnehmerländer ihre Ölnachfrage wahrscheinlich früher oder später rationieren, um einem erheblichen Preisanstieg vorzubeugen.

Vor dem Hintergrund der ohnehin schon bestehenden wirtschaftlichen Probleme in zahlreichen westlichen Ländern, die das Öl importieren müssen, bieten solche Aussichten definitiv keinen Grund für Optimismus. Im schlimmsten Fall könnte eine Rationierung zu schwerwiegenden finanziellen Einbußen bei den Verbrauchern führen und – ähnlich dem Preisschock, den die europäischen Erdgasverbraucher im vergangenen Jahr erlebt haben – sich negativ auf die gesamte Volkswirtschaft auswirken. Eine Rezession wäre in diversen Ländern Europas deshalb noch wahrscheinlicher, als sie das schon heute ist.

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