Plötzlich hassen westliche Medien die Twitter-Kennzeichnung "staatlich finanziert"
Ein Kommentar von Rachel Marsden
Kürzlich haben einige Medienunternehmen die soziale Plattform Twitter wegen einer ihrer Meinung nach ungerechten Kennzeichnung ihres Status als "staatlich finanziert" verlassen. Das wird die Frage auf: Wo war ihre Empörung, als dieselbe Praxis an ihrer Konkurrenz angewendet wurde?
Wo war die westliche Empörung, als die Social-Media-Plattform die Kennzeichnung staatlicher Zugehörigkeit oder staatlicher Finanzierung, namentlich bei mit Russland und China verbundenen Medien wie zum Beispiel RT, anwendete? Nirgends. Wo war die Empörung, als die Plattform dieselbe Kennzeichnung auch auf einzelne Journalisten ausweitete, die Inhalte auf dieser Plattform teilten? Erneutes Schweigen im Walde. Jetzt hingegen kann die Empörung offensichtlich nicht stark genug sein. Was also hat sich geändert?
Der neue Eigentümer der Plattform, Elon Musk, kam eines Tages zu dem Schluss, gleiche Wettbewerbsbedingungen zu schaffen, indem er den Empfängern staatlicher Mittel in den westlichen Medien die Kennzeichnung "staatlich finanziert" verpasste. Die britische BBC, die diese Kennzeichnung erhielt, hat dagegen protestiert, das amerikanische National Public Radio (NPR) hat die Plattform nach ihrer Kennzeichnung wütend verlassen und die kanadische Canadian Broadcasting Corporation (CBC) hat Veröffentlichungen auf der Plattform ausgesetzt.
"Twitter kann für unsere Journalisten ein mächtiges Werkzeug sein, um mit Kanadiern zu kommunizieren, aber es untergräbt die Professionalität ihrer Arbeit, wenn zugelassen wird, dass unsere Unabhängigkeit auf diese Weise verfälscht wird", sagte der Sprecher von CBC, Leon Mar.
Die westlichen Medien reagieren auf die Anwendung dieser Kennzeichnung so empfindlich, weil sie die negative Konnotation sehr gut kennen, die eine solche Bezeichnung mit sich bringt, wenn sie zuvor ausschließlich auf Medien oder Journalisten angewendet wurde, die mit Russland oder China in Verbindung stehen. Es war ihnen kurzerhand gleichgültig, wenn die Integrität dieser journalistischen Mitbewerber mit einem scharlachroten Warnschild in Zweifel gezogen wurde. Sie schätzten oder unterstützten die Berichterstattung jener gekennzeichneten Plattformen und Journalisten nicht, die alternative Informationen und Analysen zur Mainstream-Agenda des westlichen Establishments und den mit ihr verwandten Narrativen anboten.
Der westlichen Presse – einschließlich der CBC, die zwischen 2021 und 2022 1,24 Milliarden US-Dollar von der kanadischen Bundesregierung erhalten hat – kam offenbar nie in den Sinn, dass sie für diese Art der Kennzeichnung als Nächstes an der Reihe sein könnte. Zumindest nicht besorgt genug, um sich dagegen zu wehren. Warum? Eine wahrscheinliche Erklärung ist, dass sie überzeugt waren, dass Social-Media-Plattformen wie Twitter immer mit der Agenda und dem Narrativ des westlichen Establishments übereinstimmen würden.
Auch dass die Einführung derartiger Kennzeichnungen nur eine Erweiterung der laufenden Bemühungen war, geopolitische Konkurrenten und alternative Informationsquellen an den Rand zu drängen. Die Kennzeichnung westlicher Medien würde in diesem Zusammenhang keinen Sinn machen; daher konnten sie davon ausgehen, davon verschont zu bleiben.
Elon Musk öffnete aber schließlich die Büchse der Pandora, und westliche Medien wollen nun mit ihm darüber feilschen, wie viel Geld aus ihrem Budget sie vom Staat erhalten dürfen, um nicht mit der Kennzeichnung "staatlich finanziert" gebrandmarkt zu werden.
"Die Canadian Broadcasting Corp. sagte, sie sei zu 'weniger als 70 Prozent staatlich finanziert', also haben wir die Kennzeichnung korrigiert", twitterte Musk und erklärte, dass er das Etikett der CBC in "69 Prozent staatlich finanziert" geändert habe.
Musk schaffte es so, westliche Politiker dazu zu bringen, jene Kennzeichnung anzuprangern, die sie zuvor unterstützt haben, als sie noch gegen journalistische Quellen eingesetzt wurde, die ihnen nicht passten. Der kanadische Premierminister Justin Trudeau spielte hysterisch die Karte des Klassenkampfs zur Verteidigung der CBC und beschuldigte den Oppositionsführer der Konservativen Partei, Pierre Poilievre, sich mit US-Milliardären ins Bett zu legen – eine offensichtliche Anspielung auf Musk. Poilievre hatte Twitter zuvor eine Mitteilung geschrieben, in dem er darauf aufmerksam machte, dass die CBC nicht von der Kennzeichnung befreit werden sollte.
"Wir müssen die Kanadier vor Desinformation und Manipulation durch staatliche Medien schützen. Deshalb bitte ich @Twitter @elonmusk, die CBC weiterhin als 'staatlich finanziertes Medium' zu bezeichnen", twitterte Poilievre. Kanadische Konservative beschuldigen den öffentlich-rechtlichen Sender regelmäßig, sich der linksgerichteten Agenda des Establishments zu beugen und bringen den Sender mit der aktuellen Regierung von Trudeau in Verbindung.
"CBC ist offiziell als 'staatlich finanziertes Medium' entlarvt worden", twitterte Poilievre, nachdem eine entsprechende Kennzeichnung angebracht worden war.
"Jetzt wissen die Leute, dass es sich hier um Trudeau-Propaganda handelt – und nicht um Nachrichten."
Klingt genau nach der Art von Rhetorik, die Trudeau und das gesamte westliche Establishment gegen ausländische Nachrichtenkonkurrenten eingesetzt haben. Nun wird dieselbe Rhetorik gegen jene angewendet, die sie als Freunde betrachteten.
Aber hey, Musk hat 44 Milliarden US-Dollar für Twitter hingeblättert, also kann er mit seiner eigenen Firma machen, was er will, nicht wahr? Das war zumindest das Argument derjenigen, die sich unter der früheren, dem Establishment freundlich gesinnten Führung von Twitter für die Verbannung von Andersdenkenden und Aktivisten aller Art eingesetzt hatten.
Wer sagt, dass die Politik der Kennzeichnung hier enden wird? Wenn jemand bei Twitter tiefer gräbt, wird er zum Beispiel erfahren, dass die kanadischen Medien – selbst jene in privater Hand – größtenteils staatlich finanziert sind und in weitaus größerem Umfang subventioniert werden, als man erwarten würde. Und was ist mit den US-amerikanischen Nachrichtenmedien, die größtenteils in den Händen einiger weniger Milliardäre konzentriert sind – laut Forbes 15 –, und deren Interessen möglicherweise mit Sonderinteressen verflochten sind, die Washingtons Agenda vorantreiben?
Eine solche Kennzeichnungs-Spirale hätte vermieden werden können, wenn sich westliche Medien, Politiker und Journalisten rechtzeitig für die Pressefreiheit und die freie Meinungsäußerung eingesetzt hätten; zu einer Zeit, als die Leidtragenden ihre medialen Gegenspieler waren. Vielleicht würden sie sich dann jetzt nicht in genau derselben Schusslinie wiederfinden.
Aus dem Englischen
Rachel Marsden ist Kolumnistin, politische Strategin und Moderatorin eines unabhängig produzierten französischsprachigen Programms, das auf Sputnik France ausgestrahlt wird. Ihre Webseite findet man unter rachelmarsden.com.
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