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Pepe Escobar: Geopolitisches Schachbrett ändert sich zum Nachteil des US-Imperiums

Das geopolitische Schachbrett befindet sich in ständiger Bewegung, so der brasilianische Journalist Pepe Escobar, und nie war die Bewegung stärker als in der gegenwärtigen heißen Phase. Eine Welt ohne das US-Imperium ist bereits denkbar.
SchachQuelle: www.globallookpress.com © Moritz Wolf/imagebroker

Der brasilianische Investigativ-Journalist und Experte für Geopolitik Pepe Escobar hat für das alternative Online-Medium The Unz Review einen Beitrag über den "faszinierenden Konsens" verfasst, den er aktuell unter chinesischen Wissenschaftlern beobachte. Diese hätten festgestellt, dass Deutschland und die Europäische Union (EU) Russland als Partner verloren haben, womöglich sogar unwiederbringlich, während China Russland als wertvolle Ergänzung für die eigene Wirtschaft gewonnen habe.

Manche atlantischen Politiker würden den "strategischen Wahnsinn" realisieren, dass Washington offenbar erwartet, Moskau besiegen zu können, obwohl die NATO bereits unter "Gebermüdigkeit" leide. Denn übersetzt bedeutet "Gebermüdigkeit" laut Escobar, dass die NATO, deren Demütigung auf dem Schlachtfeld der Ukraine für die globale Mehrheit sichtbar sei, aktuell einen großen Krieg verliere, "und zwar deutlich".

Ein glaubwürdiger Weg in die Zukunft

In diesem Szenario, in dem die NATO auf dem Schlachtfeld der Ukraine eine für die globale Mehrheit sichtbare Demütigung erfahre, könne Moskau nicht mehr mit der NATO, "einem bloßen Anhängsel des Pentagons", verhandeln.

Ein glaubwürdiger Weg in die Zukunft könne Escobar zufolge jedoch in direkten Verhandlungen zwischen Russland und den einzelnen europäischen Staaten bestehen. Ein Sicherheitspakt mit Moskau könne für manche Staaten den Bedarf, der NATO anzugehören, überflüssig machen (abgesehen von Polen, "der Hyäne Europas", und den "baltischen Chihuahuas"). China könne parallel in Ostasien verfahren und auf Friedensverträge mit Japan, Südkorea und den Philippinen hinarbeiten.

"Dies würde jedem teilnehmenden Land Sicherheit garantieren und den Druck aus Washington verringern."

In der Theorie könne so ein bedeutender Teil der US-Militärstützpunkte verschwinden. In der Praxis verfügen Vasallenstaaten weder über die Autorität noch die Macht, sich an ein Friedensabkommen zu halten. So seien sich deutsche Geschäftsleute inoffiziell zwar sicher, so Escobar, dass sich Berlin "früher oder später" zugunsten einer strategischen Partnerschaft zwischen Russland und China über Washington hinwegsetzen werde.

Aber ein Vasallenstaat, der wie ein souveräner Staat behandelt werden will, müsse als Erstes die wichtigsten Niederlassungen der USA schließen und die US-Truppen ausweisen. Wie schwierig dies sei, zeigten die erfolglosen Versuche des Iraks und Syriens, das immer noch zu einem Drittel von den USA besetzt sei.

Der Aufstand der Vasallen

Doch nach Ansicht chinesischer Wissenschaftler hätten die USA in der Ukraine einen entscheidenden Fehler gemacht. Russland, das zu einem Kampf gegen einen Nachbarn und Verwandten gezwungen wurde, den es sich nicht leisten kann, zu verlieren, könnte aus dem Konflikt strategisch geschwächt kommen.

Die USA hingegen hätten das "Ukraine-Projekt" in einen existenziellen Konflikt verwandelt und das gesamte Imperium und alle seine Vasallen in einen totalen Krieg gegen Russland verwickelt. Die Konsequenz sei, dass es in dieser Logik keine Friedensverhandlungen und keinen Waffenstillstand geben dürfe, sondern nur eine bedingungslose Kapitulation Russlands.

In der Vergangenheit habe Washington es sich leisten können, die Kriege gegen Vietnam und Afghanistan zu verlieren, so Escobar. Im Krieg gegen Russland sei das nun unmöglich. Im Fall der einer Niederlage der USA werde "der Aufstand der Vasallen weitreichend sein".

Eiserner Vorhang gegen Russland und China

In der Zwischenzeit treiben China und die BRICS+-Staaten, deren Erweiterung auf dem Gipfel in Südafrika im nächsten Monat beginnen soll, die Unterminierung des US-Dollars als globaler Reservewährung an. Die Schlüsselfrage an der Stelle ist für Escobar, wie lange die "Scheinwirtschaft des Imperiums" in diesem breit angelegten geoökonomischen Krieg durchhalten kann. Denn in der Praxis schafften die USA nicht viel. Taiwan dürfe seine wertvollen Chips nicht nach Festland-China liefern. Doch bereits der Bau einer Chipfabrik im US-Bundesstaat Arizona werde aufgrund des Mangels an Arbeitskräften, die über das spezielle Fachwissen verfügen, nicht vor 2025 die Produktion aufnehmen können.

Währenddessen sollen die NATO-Vasallen in Europa nach dem Wunsch Washingtons einen Eisernen Vorhang für den Handel gegen die strategische Partnerschaft zwischen Russland und China errichten. Für die Hardliner reiche sogar ein wirtschaftliches De-risking nicht aus, sondern nur der harte Bruch mit China.

Dazu passe laut Escobar, dass Washington die internationalen Freihandelsregeln und das Völkerrecht zerschlage und jede Form von Handel, SWIFT und Finanzaustausch als "nationale Sicherheitsbedrohung" für die wirtschaftliche und militärische Kontrolle der USA betrachte. Aber nicht China gehe mit Handelssanktionen gegen die EU vor, wie Escobar betont. Es sei vielmehr Washington, das "einen Tsunami von Sanktionen" gegen Länder verhänge, die es wagten, den von den USA angeführten Handelsboykott zu durchbrechen.

Afrika und Nordkorea: Das Schachbrett ändert sich

Zuletzt kommt Escobar auf zwei jüngste Züge auf dem Schachbrett der Geopolitik zu sprechen, "die das Spiel verändert haben": den Besuch des russischen Verteidigungsministers Sergei Schoigu in Nordkorea und den Russland-Afrika-Gipfel in Sankt Petersburg. So sei es aufgrund des gegenseitigen Wohlwollens nun möglich, dass Nordkorea einer multilateralen Organisation beitritt, zum Beispiel einer Erweiterung der Eurasischen Wirtschaftsunion (EAEU).

Als die führende Macht in der EAEU könne Russland die Sanktionen gegen Nordkorea ignorieren. Bei der Entwicklung des Fernen Ostens mit einer stärkeren Integration mit beiden Koreas und der Etablierung einer Arktischen Seidenstraße wäre Nordkorea für Russland ein natürlicher Partner. Strategisch sieht Escobar an der Stelle einen Wendepunkt:

"Der riesige und ziemlich ausgeklügelte industriell-militärische Komplex Nordkoreas käme zur strategischen Partnerschaft zwischen Russland und China hinzu und würde das gesamte asiatisch-pazifische Paradigma auf den Kopf stellen."

Der Russland-Afrika-Gipfel in Sankt Petersburg war laut Escobar nichts Geringeres als der Beginn einer "umfassenden strategischen Partnerschaft mit ganz Afrika" mit 30 Energieprojekten, der Einrichtung einer russischen Industriezone in der Nähe des Suezkanals und der Entwicklung der afrikanischen Finanzinfrastruktur, einschließlich der Anbindung an das russische Zahlungssystem.

Während der "feindlich gesinnte Westen einen Hybridkrieg gegen Afro-Eurasien" führe und Frankreich nach dem Putsch in Niger die Felle wegschwimmen, habe Russland für engere Beziehungen zwischen der EAEU und Afrika geworben und den Internationalen Nord-Süd-Verkehrskorridor (INSTC) erörtert, um die NATO-Küstengebiete zu umgehen.

"Diese Bewegungen auf dem Schachbrett, von Nordkorea über Afrika bis hin zum Chip-Krieg gegen China, sind ebenso entscheidend wie die bevorstehende, erschütternde Demütigung der NATO in der Ukraine."

Für die strategische Partnerschaft zwischen Russland und China, die Hauptakteure im Globalen Süden und der Globalen Mehrheit sei Escobar zufolge klar, dass Washington Russland als taktischen Feind betrachte, um den "totalen Krieg gegen China" vorzubereiten. Die "ungelöste Tragödie im Donbass" halte die USA jedoch weiterhin vom asiatisch-pazifischen Raum fern.

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