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Europa besonders betroffen: Weltwirtschaft immer mehr mit neuer kritischer Abhängigkeit konfrontiert

Der technische Fortschritt scheint die Weltwirtschaft in eine neue Abhängigkeit zu treiben. Neben Öl und Gas werden Elemente der sogenannten Seltenen Erden immer wichtiger. Und Europa hat bisher keine bekannten Vorkommen entdeckt, was die Abhängigkeit von Importen erhöht.
Europa besonders betroffen: Weltwirtschaft immer mehr mit neuer kritischer Abhängigkeit konfrontiertQuelle: Sputnik © Alexander Kondratjuk

Von Sergei Sawtschuk

Eine der größten Versicherungsgesellschaften der Welt, die Allianz, hat die wachsenden Trends auf dem globalen Markt analysiert und ist zu einem enttäuschenden Ergebnis gekommen. Nach Ansicht der deutschen Experten ist der kollektive Westen, der der modischen grünen Agenda folgt, bereit, die bestehende Ressourcen- und Wirtschaftsordnung auf der Suche nach kurzlebiger kohlenstofffreier Energie zum Einsturz zu bringen. Nach Ansicht der Allianz werden die Metalle der Seltenen Erden – vor allem Lithium, Kobalt und Nickel – zum neuen Gott und Heilsbringer ernannt, da sie die begehrteste Rohstoffbasis für die Schaffung der derzeit in Mode befindlichen alternativen Energiequellen und der elektrischen Mobilität darstellen.

Diese Schlussfolgerung dürfte die westliche Gesellschaft erfreuen, zumal sich der Weltmarkt für Seltene Erden in den letzten fünf Jahren verdoppelt und die Marke von 320 Milliarden US-Dollar überschritten hat. Dieser Sektor ist sehr gefragt und bläht sich auf wie frischer Vorteig, das heißt, er birgt keine Versicherungsrisiken für Investoren. Gleichzeitig ist die allgemeine Stimmung der deutschen Finanziers eher alarmierend. Sie sind der Meinung, dass die Seltenen Erden in ihrer ganzen geologischen Vielfalt die uneingeschränkte Vorherrschaft der Kohlenwasserstoffe auf dem Energiemarkt überholen könnten, wenn sich der gegenwärtige Trend fortsetzt, was zu einer starken Verzerrung und folglich zu einer Instabilität der Weltwirtschaft führen wird. Da die begehrten Metalle zudem extrem ungleichmäßig in der Erdkruste verteilt sind, wird die westliche Welt – der Hauptlobbyist des grünen Übergangs – unweigerlich von den Ländern mit den größten Reserven abhängig werden. Allen voran China, das mit Fug und Recht als die "Schatzkammer für Seltene Erden" des Planeten bezeichnet werden kann.

Es handelt sich um einen Einzelfall, aber wir stimmen der westlichen Einschätzung voll und ganz zu – wenn auch aus grundlegend anderen Gründen. Beginnen wir mit einer kurzen Erklärung.

Die moderne Wissenschaft unterscheidet in der Struktur des Periodensystems von Dmitri Mendelejew 17 Elemente der Seltene Erden. Die ersten Vertreter dieser Klasse wurden Ende des 17. Jahrhunderts identifiziert und untersucht, und es folgte die erste verständliche Klassifizierung in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Wie aus dem Wortstamm hervorgeht, sind diese Metalle in der natürlichen Umgebung recht selten. Trotz aller Errungenschaften der modernen Wissenschaft werden nur etwas mehr als zwei Prozent des Gesamtvolumens der Seltenen Erden direkt abgebaut, der Rest wird durch eine komplexe Verarbeitung von Rohstoffen wie Mineraldünger gewonnen. Dieses Verfahren ist kostspielig und alles andere als umweltfreundlich, da in großem Umfang Schwefel- und Flusssäure sowie Chlor eingesetzt werden.

Cer, Lanthan und Neodym sind am häufigsten in der Abbautiefe der Erdkruste zu finden. Europium ist viel seltener, aber da der Gesamtanteil der Seltenen Erden an der Erzmasse des Planeten nicht mehr als 0,02 Prozent beträgt, ist der Begriff "häufig" nur bedingt zutreffend.

Was die Reserven betrifft, so sind diese, wie bereits erwähnt, sehr ungleichmäßig verteilt.

Nach Angaben des U.S. Geological Survey (Stand: Ende 2022) verfügt China über die größten Reserven an Seltenerdmetallen: Die Reserven werden auf 44 Millionen Tonnen geschätzt. An zweiter Stelle steht Vietnam mit 22 Millionen, und den dritten Platz teilen sich Brasilien und Russland mit 21 Millionen Tonnen. Allerdings sollte unser Land bei dieser Bewertung nicht berücksichtigt werden, da sich die erkundeten Vorkommen in extrem schwer zugänglichen Regionen befinden und ihre Förderung daher derzeit unbedeutend ist.

Ein wichtiger Punkt ist auch, dass die Länder, die weiter unten auf der Liste stehen, viel kleinere Reserven haben. Indien verfügt über weniger als sieben Millionen, Australien über vier Millionen und die USA über nur zwei Millionen Tonnen. Europa hat überhaupt keine Vorkommen.

Die Schlussfolgerung der Allianz zur Gesamtabhängigkeit ist also absolut richtig.

Aber nicht alles wird in absoluten Zahlen gemessen. Eine entscheidende Voraussetzung ist die Verfügbarkeit von Kapazitäten zur Gewinnung und Anreicherung der begehrten Seltenen Erden, und die Zahl der Länder, die sich dessen rühmen können, lässt sich an den Fingern einer Hand abzählen – und doch gibt es sie. So beziehen die Vereinigten Staaten die absolute Mehrheit der Elemente aus China, wo sogar das in den Vereinigten Staaten geförderte Erz von Seltenen Erden hingeschickt wird. Die eigenen Verarbeitungskapazitäten der USA, die sich die Krone des Umweltretters aufgesetzt hat, sind äußerst gering.

Ich möchte dem Gesamtbild noch ein paar rein pragmatische Punkte hinzufügen.

Die moderne Welt, wie wir sie kennen, ist das Ergebnis der wissenschaftlich-technischen Revolution. Sie vollzog sich in Schüben, wobei sich die Zeiträume zwischen den Schüben ständig verkürzten, da neue Brennstoffressourcen eingeführt wurden. Zu betonen ist dabei, dass es Brennstoffe sind.

Der erste Brennstoff war natürlich die Kohle, die das schnell gefällte Holz ersetzte. Es war die weit verbreitete Nutzung von Kohle, die der wissenschaftlich-technischen Revolution den ersten Anstoß gab, und sie gewann erst ab der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts an Schwung, als man nicht nur Kohle verbrannte, sondern auch lernte, Koks zu sintern. Damit begann der Aufschwung der Dampfmaschinen und der Metallurgie, der alle anderen Industriezweige mit sich zog – vom Bau der Eisenbahnen bis zur Entwicklung der Chemie und des Petroleum. Die Kohle blieb mehr als 200 Jahre lang auf dem Thron, und erst nach dem Zweiten Weltkrieg wurde sie vom Erdöl verdrängt, das zum wahren Blut der modernen Welt wurde und alle anderen Ressourcen an seinen Wert bindet. Doch Anfang der 90er-Jahre des letzten Jahrhunderts betrat Väterchen Erdgas die Weltbühne. Auch heute erobert es noch die Welt, summt in den Leitungen und plätschert in den Laderäumen der Hochsee-Gasfrachter.

Das Problem mit den Metallen der Seltenen Erden ist, dass diese Rohstoffe keine Brennstoffe sind, sondern nur eine entscheidende Komponente für die Herstellung von Erzeugungs- und Speicherkapazitäten darstellen. Die zweite unlösbare Schwierigkeit ist das Paradigma des Ausstiegs aus den fossilen Brennstoffen selbst. Neue alternative Energieträger könnten in aller Ruhe neben den traditionellen Energieträgern existieren und einander ergänzen und bei Bedarf ersetzen. "Grün" denkende Leute fordern jedoch den grundsätzlichen Verzicht auf Kohlenwasserstoffe. Denn Kohle produziert Schwefel und Ruß, Öl verursacht Flecken im Meer, und Methan heizt die Atmosphäre fünfmal stärker auf als alle anderen Treibhausgase.

Der moderne Westen predigt lautstark Toleranz und die Suche nach Kompromissen, während er sich in der Praxis kategorisch weigert, dies zu tun, selbst in dem Bereich, von dem die Existenz unserer vertrauten Welt abhängt. Leider wird der Vektor der gesellschaftlichen Entwicklung heute nicht von Chemikern und Geologen bestimmt, sondern von Spekulanten, die lediglich an Preissteigerungen an den Rohstoffbörsen und an der Frage interessiert sind, wie groß die nächste Blase werden kann, bis die platzt.

Übersetzt aus dem Russischen. Zuerst erschienen bei RIA Nowosti am 24. August 2023.

Sergei Sawtschuk ist ein russischer Kolumnist und Blogger.

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