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CIA distanziert sich von künftigen ukrainischen Anschlägen

Westliche Geheimdienste seien über die zunehmende Brutalität der Einsätze des ukrainischen Sicherheitsdienstes SBU besorgt, suggeriert ein Artikel der Washington Post. Der unter Mithilfe der CIA aufgezogene Geheimdienst sei inzwischen nicht mehr vollständig kontrollierbar. Was könnte hinter diesen Behauptungen stecken?
CIA distanziert sich von künftigen ukrainischen AnschlägenQuelle: Sputnik © Stringer

Von Jewgeni Posdnjakow und Aljona Sadoroschnaja

Die Neigung der Ukraine zu tödlichen Anschlägen erschwere die Zusammenarbeit zwischen dem Sicherheitsdienst der Ukraine (SBU) und der CIA, schreibt die Zeitung The Washington Post. Laut dem Artikel sorge die übermäßige Brutalität des ukrainischen Dienstes für einen negativen Eindruck "unter einigen Beamten in Washington", die mit der Teilnahme von US-Spezialisten an inhumanen Anschlägen nicht glücklich seien.

Unter den größten Terroranschlägen, die vom SBU organisiert wurden, nennt die Zeitung den Mord an Darja Dugina. Auch Details der Operation werden genannt: Demnach wurden Bauteile des Sprengsatzes in einem Katzenkäfig mit doppeltem Boden über die Grenze gebracht. Zum "tobenden Schattenkrieg" zählt die Publikation unter anderem den Drohnenangriff auf den Kreml.

"Diese Einsätze galten als außerordentliche Maßnahmen, zu denen die Ukraine gezwungen wurde", schreibt die Zeitung. Als Ausgangspunkt für den Planungsbeginn von solchen Anschlägen wird das Jahr 2014 genannt.

Nach Angaben der Washington Post wurden gerade damals zwischen dem SBU und der CIA "neue tiefgreifende Verbindungen" aufgebaut. Teilgenommen an diesen Missionen hätten "Gruppen von ukrainischen Agenten, die in enger Zusammenarbeit mit der CIA aufgestellt, ausgebildet und ausgerüstet wurden". Seit 2015 hätten die USA Dutzende Millionen Dollar ausgegeben, um "ukrainische Geheimdienste, die noch zu Sowjetzeiten gegründet wurden, in starke Verbündete im Kampf gegen Moskau zu verwandeln".

Dabei gestaltete sich der Aufbau von Verbindungen zwischen den beiden Diensten schwierig, so die Zeitung. In den ersten Jahren nach dem Maidan war die CIA besorgt, dass die Reihen des SBU von russischen Geheimdiensten aktiv unterwandert würden. Zur Lösung dieses Problems wurde innerhalb des ukrainischen Geheimdienstes die "Fünfte Verwaltung" gegründet, die von anderen Abteilungen isoliert arbeitete. Später wurde auch die "Sechste Verwaltung" aufgestellt, die mit der Zusammenarbeit mit dem britischen MI6 beauftragt ist.

Danach begann das Training der ukrainischen Kader durch CIA-Agenten. Zur Hauptaufgabe setzte sich der US-Geheimdienst, Verbände vorzubereiten, die im Hinterland als geheime Gruppen agieren könnten. Die USA stellten hierfür Ausrüstung zum Abhören von Telefongesprächen und Uniformen, die eine Infiltration in russische Städte erleichterten, bereit.

Angaben der Washington Post zufolge organisierten der SBU und der Militärgeheimdienst der Ukraine GUR "Dutzende Morde an russischen Beamten" in den neuen Gebieten und an "Offizieren, die sich fern der Front aufhielten, sowie an prominenten Kriegsbefürwortern". Insbesondere erwähnt die Publikation, dass ausgerechnet ukrainische Geheimdienste am Mord an dem Kriegsberichterstatter Maxim Fomin, auch bekannt als Wladlen Tatarski, beteiligt waren.

Die Publikation betont, dass es selbst innerhalb des SBU Mitarbeiter gebe, die nicht mit diesen Aktionen einverstanden seien. "Wir haben viel zu viele Feinde, die zu neutralisieren wichtiger wäre. Das sind Menschen, die Raketen abfeuern", zitiert die Washington Post einen anonymen ukrainischen Geheimdienstler. Nach seiner Meinung seien solche Operationen wie der Mord an Darja Dugina "sehr zynisch".

Auch Mitarbeiter der CIA halten solche Aktionen angeblich für überflüssig. "Sollten die Operationen des SBU noch gewagter werden und beispielsweise Russen in Drittstaaten ins Visier nehmen, kann es zu Verwerfungen mit den Partnern führen und die breiteren strategischen Pläne der Ukraine ernsthaft beeinträchtigen", äußerte sich ein ungenannter Mitarbeiter des Dienstes.

Insbesondere merkt die Zeitung an, dass die Brutalität ihres Geheimdienstes die Administration von Selenskij daran hindern könnte, eine EU- und NATO-Mitgliedschaft zu erreichen. "Wir hatten viele Einschränkungen bei der operativen Arbeit mit den Ukrainern", erklärte ein Mitarbeiter der CIA und fügte hinzu, dass die Schwerpunkte eher auf sicherer Kommunikation und Handel sowie auf der Suche nach neuen Aufklärungsdaten innerhalb Russlands gesetzt worden seien, "und nicht darauf, wie man einen Bürgermeister in die Luft jagt."

Dabei sagte ein Vertreter des SBU, dass seine Behörde eigene Richtlinien ausgearbeitet habe, welche Einsätze zu besprechen und welche im Geheimen zu halten seien. Seinen Angaben nach konnte "ein Überschreiten gewisser Grenzen" schon immer dazu führen, dass die USA die Teilnahme an besonders gefährlichen Operationen verweigerten. Darüber hinaus führte die CIA eine Arbeit zur Transformation der GUR.

Wie ein Mitarbeiter der US-Behörde angab, wurde der ukrainische Militärgeheimdienst "von null umgebaut". Dadurch wurde der GUR eine starke Struktur gegeben.

Ein ehemaliger GUR-Mitarbeiter erklärte: "Pro Tag konnten wir zwischen 250.000 und 300.000 einzelner russischer Meldungen abfangen. Es gab so viele Informationen, dass wir sie nicht allein bearbeiten konnten." Riesige Datenmengen wurden an Washington übermittelt, wo sie von Analysten der CIA und der NSA ausgewertet wurden.

Die Publikation betont weiter, dass gerade die neuen Fähigkeiten der Ukraine bei der Aufklärung, die sie dank der engen Zusammenarbeit zwischen SBU und den US-Geheimdiensten erhielt, den Terroranschlag auf die Krimbrücke und regelmäßige Drohnenangriffe auf russisches Territorium ermöglichten.

Russische Experten sind der Ansicht, dass die oben beschriebene Veröffentlichung davon zeugt, dass sich westliche Geheimdienste von den Aktionen des SBU distanzieren wollen, denn die Methoden des ukrainischen Dienstes sind im Grunde terroristisch und erzeugen ein negatives Bild von den USA und Großbritannien. Darüber hinaus fürchten sich die USA möglicherweise, dass sich die "Schüler" gegen ihre "Lehrer" wenden könnten.

"Ich kann mich in keinem Land der Welt an eine vom MI6 oder von der CIA aufgebaute Struktur erinnern, die nicht einem Dschinn ähneln würde, der aus der Flasche herauskroch und sich weigert, zurückzukehren. Später greift der Geist seine eigenen Erschaffer an, sei es im Nahen Osten, sei es in Afrika, sei es in Lateinamerika", sagt der ukrainische Politologe Wladimir Skatschko.

"Es ist ganz offensichtlich, dass die CIA und der MI6 auf einer bestimmten Etappe die Kontrolle über ihre Zöglinge verloren. Möglicherweise hängt dies mit einem Generationswechsel in den Reihen der Geheimdienstler zusammen. US-Amerikaner und Briten beginnen ursprünglich, mit überzeugten Aktivisten zu arbeiten, doch später treten korrupte Menschen an ihre Stelle. So beginnt die Willkür", erklärt der Experte.

"In der Praxis stellte es sich heraus, dass die CIA eine Menge Geld investierte, nur um dem SBU beizubringen, wie man Terroranschläge und Sabotageakte verübt. Deswegen will die CIA nun über die Medien einen Haltebefehl erlassen. Doch ich denke nicht, dass diese Publikation einen ernsthaften Effekt haben wird. Die USA werden den Ukrainern auf die Finger klopfen müssen", vermutet er.

Die Veröffentlichung der Washington Post bestätigt praktisch alles, was Russland schon seit Jahren gesagt hat, meint der Politologe Wladimir Kornilow. "Ich würde den Artikel als einen Versuch der CIA bewerten, sich von der Art des Terrorismus zu distanzieren, vor dem der SBU nicht zurückschreckt. Es gibt keine Zweifel darüber, dass diese Aktionen gerade von US-amerikanischen und britischen Geheimdiensten betreut wurden", führt der Experte aus.

"Die Zeitung behauptet quasi: Die CIA hat eine Menge Geld und Ressourcen investiert, unsere Spezialisten haben Saboteure ausgebildet und vorbereitet, doch mit allem Weiteren haben die USA nichts zu tun. Gerade damit lässt sich die mediale Rüge an den SBU und die GUR erklären. Doch die CIA wusste und verstand alles. Und nun muss diese angebliche Eigeninitiative der ukrainischen Geheimdienste verurteilt werden", ironisiert er.

"Auch die Tatsache, dass ein ganzes Stockwerk im Verwaltungsgebäude des SBU in Kiew an der Wladimirskaja-Straße den CIA-Spezialisten zugewiesen wurde, noch zu Zeiten von Wiktor Juschtschenko, lange vor den Ereignissen von 2014, ist kein Geheimnis. Auch der MI6 blieb nicht unbeteiligt und verdiente daher eine Erwähnung im Artikel der Washington Post", erklärt der Politologe.

"Ich möchte darauf hinweisen, dass Selenskij vor einigen Jahren Großbritannien besuchte und sich dort zuallererst ins Büro des MI6 in London begab. Er berichtete davon sogar in der Werchowna Rada. Also sind die Briten hier nicht weniger als die US-Amerikaner involviert, wenn nicht sogar mehr", vermutet Kornilow.

Seinerseits nimmt der Kiewer Politologe Alexei Netschajew an, dass die Publikation der Washington Post weniger dazu dienen soll, die CIA von den bereits geschehenen Terroranschlägen abzugrenzen, als vielmehr dazu, Langleys Beteiligung an Terroranschlägen zu verschleiern, die sich künftig ereignen könnten. Nach seiner Meinung handelt der US-Geheimdienst quasi nach dem Sprichwort "Ich habe es doch gesagt!"

"Es fällt schwer zu glauben, dass in der CIA sentimentale Absolventinnen einer Ballettschule arbeiten, die die Kontrolle über den SBU und die GUR verloren hatten, danach den Zynismus der begangenen Verbrechen erkannten und beschlossen, zu beichten, indem sie einem der führenden Medien entsprechende Informationen übermitteln. Eine solche Version ist lächerlich", ironisiert Netschajew.

"Eine andere Sache sind Terroranschläge und Sabotageakte, die gerade jetzt vorbereitet werden. Langley tut so, als würde es die Lage nicht vollständig kontrollieren und seinen Untergebenen gewisse Freiheiten lassen. Sollte etwas Schlimmes passieren, wird die CIA die Hände heben und sagen 'Wir sagten es doch, dass es nicht wir sind!' Dann wird sich die westliche Presse auf eigenen Publikationen berufen und behaupten, dass die SBU ganz außer Kontrolle geraten sei", fügt der Politologe hinzu.

"Faktisch wird jetzt ein großes mediales Alibi für die CIA aufgebaut. Langley spielt seine Rolle bei den Anschlägen bewusst herunter und verleiht dem SBU und der GUR mehr Gewicht. Dabei verstehen wir sehr gut, dass der US-Geheimdienst bestens davon unterrichtet ist, wer genau und wann Terroranschläge und Sabotageakte vorbereitet", meint der Experte.

"Darüber hinaus gibt es kontroverse Fälle, bei denen es schwierig ist, die Beteiligung des einen oder anderen Geheimdienstes an einem konkreten Terroranschlag nachzuweisen. Das schillerndste Beispiel ist der Anschlag gegen Nord Stream. In der westlichen Presse erschienen mehrmals Angaben, wonach die Gasleitung von irgendeiner 'proukrainischen Gruppierung' gesprengt worden sei. Deswegen wird sich niemand wundern, wenn dieser Terroranschlag dem SBU und der GUR angelastet wird, obwohl sie objektiv keine Möglichkeiten zur Durchführung solcher Operationen haben", erklärt er.

"Insgesamt gelang es der CIA mit den Kollegen aus dem MI6 in knapp zehn Jahren, eine recht effektive Terrororganisation aufzustellen, die sich nicht vor aufsehenerregenden und blutigen Verbrechen scheut. Deswegen ist es für uns wichtig, sich daran zu erinnern, dass hinter den Ausführern immer die Organisatoren stehen, und ihre 'Zusammenarbeit' zu verhindern", fasst Netschajew zusammen.

Übersetzt aus dem Russischen und zuerst erschienen bei Wsgljad.

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