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Schrödingers Vergiftung: Was mit der Frau des ukrainischen Geheimdienstchefs Budanow passiert ist

Marianna Budanowa, die Frau des Leiters des ukrainischen Militärgeheimdienstes, soll mit Schwermetallen vergiftet worden sein. Die Nachricht erreicht die Medien mit großer Verspätung. Details sind rar, auch der Vorfall selbst kann angezweifelt werden. Was könnte dahinter stecken?
Schrödingers Vergiftung: Was mit der Frau des ukrainischen Geheimdienstchefs Budanow passiert istQuelle: AFP © Victor Pinchuk Foundation

Von Dawid Narmanija

Die Hauptnachricht des Dienstags in der Ukraine war die Vergiftung von Marianna Budanowa, der Frau des Leiters des ukrainischen Militärgeheimdienstes GUR, Kirill Budanow. Und obwohl mehr als ein Tag vergangen ist seit dem Zeitpunkt, als die ukrainischen Nachrichtenagenturen begannen, Meldungen über die "Kampfgefährtin Nr. 2" in der Kiewer Führung (den ersten Platz hält immer noch Jelena Selenskaja) eifrig zu vervielfältigen, ist die Lage nicht klarer geworden.

Erst zum Abend, als weiteres Schweigen schlicht unanständig geworden wäre, kommentierte ein Vertreter des GUR die Lage und bestätigte Meldungen über die Vergiftung, ohne Details zu nennen.

Und natürlich rufen ebendiese Details eine ganze Menge Fragen hervor. Bezeichnenderweise stammte die Originalnachricht vom kleinen ukrainischen Nachrichtenportal Babel. Dessen Belegschaft zählt wenige Dutzend Mitarbeiter, und der Hauptgeldgeber ist die US-Behörde USAID. Laut der ursprünglichen Meldung wurde die Vergiftung durch Schwermetalle verursacht, die in Budanowas Körper gefunden wurden. Bemerkenswert ist außerdem, dass sich ihre Behandlung bereits dem Ende zuneigen soll. Das bedeutet, dass die Nachricht die Presse mit einer beträchtlichen Verzögerung erreichte, vorausgesetzt, die Vergiftung hatte überhaupt stattgefunden.

Weitere Einzelheiten wurden aus einer größeren Zeitung, der Ukrainskaja Prawda, bekannt. Demnach wurden gemeinsam mit der Frau des GUR-Chefs einige weitere Mitarbeiter der Behörde in Mitleidenschaft gezogen, erlitten aber keine ernsthaften Gesundheitsschäden. "Sie [...] bemerkten nichts, jetzt werden sie ebenfalls behandelt", führt der Artikel aus. Interessant ist, dass sich während des ganzen Tages niemand traute, die für Selenskijs Regime scheinbar naheliegendste Version zu verkünden und Russland zu beschuldigen. Da waren sie wohl ein wenig verwirrt.

Da es keine genaueren Informationen über die Ereignisse gibt, spielen wir ein wenig Verschwörungstheoretiker, genauer gesagt: Überlegen wir uns, wem diese Situation in die Hände spielt. Sollte die Vergiftung tatsächlich stattgefunden haben, ist es ein Warnsignal für alle in Kiew. Offensichtlich war in diesem Fall Budanow selbst das Ziel. Es hat keinen Sinn, seine Frau zu beseitigen, nicht etwa wegen ihrer Arbeit im Kiewer Bürgermeisteramt unter Klitschko und ihrer Angehörigkeit zur Ukrainisch-Orthodoxen Kirche des Moskauer Patriarchats.

Die Ukraine spaltet sich allmählich in zwei Lager auf – das unter der Führung Selenskijs und das unter Saluschny. Sollte hinter den Ereignissen das Präsidialamt stecken, ist es eine weitere Warnung an die Militärs. Die Erste war der Tod des Assistenten des Oberbefehlshabers der ukrainischen Streitkräfte, Gennadi Tschistjakow. Sollte aber Saluschny schuld sein, ist es eher eine Beseitigung von Konkurrenten innerhalb des Militärs. Der sonst so interviewfreudige Budanow hielt sich nämlich im vergangenen Monat entgegen aller Erwartungen abseits von Informationsschlachten, in denen Saluschny und Selenskij fast schon offen miteinander streiten.

Eine wichtige Rolle spielt ein weiterer Faktor: Budanow hat sowohl unter Ukrainern als auch unter Kiews westlichen Geldgebern eine günstige Erscheinung. Von Selenskij wird man zunehmend enttäuscht, denn es ist klar, dass es keine Rückkehr zu den Grenzen von 1991 geben wird. Saluschny würde indessen mit den Schultern zucken: "Man hat mir befohlen, anzugreifen, also griff ich an. Der Computer sagt, wir hätten bereits vier Krim-Halbinseln erobern sollen." Doch ukrainische Flaggen, die über frischen Gräbern wehen, sehen viel überzeugender aus.

Freilich hat auch Budanow in den beinahe zwei Jahren des Konflikts wenige Erfolge vorzuweisen. Doch beim breiten Publikum wird er vor allem mit Widerstandsbereitschaft assoziiert. Laut dem ukrainischen politischen Mythos soll er noch ein halbes Jahr vor Beginn der Kampfhandlungen gewarnt haben, dass Russland angeblich einen Angriff vorbereite, und nannte sogar ein Szenario, nach dem sich die Ereignisse entwickeln würden. Inwieweit dieses Szenario der Realität entspricht, ist unerheblich. Darüber hinaus ist es ausgerechnet Budanows Team, das das erreicht, was der Westen heute so dringend braucht und was den ukrainischen Wählern wichtig ist, nämlich Mediensiege. Anschläge auf die Krimbrücke, auf russische Staatsbürger und Überfälle durch Sabotagegruppen – all das geschah unter Budanows Mitwirkung. Derjenige, in dessen Lager der GUR-Chef stünde, hätte im kommenden Wahlkampf einen beträchtlichen Vorteil.

Auch Budanow selbst versteht das ausgezeichnet. Und gerade deswegen kann es sich bei der Geschichte über den Anschlag auf ihn um einen Fake handeln. Es könnte erst der bequeme Anfang einer Wahlkampagne sein, zumal es in der jüngsten ukrainischen Geschichte bereits Wiktor Juschtschenko gibt, dessen unbewiesene Vergiftung eine wichtige Rolle bei der "Orangen Revolution" spielte. Und nach knapp 20 Jahren wurden übrigens immer noch keine Schuldigen gefunden.

Übersetzt aus dem Russischen und zuerst erschienen bei RIA Nowosti.

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