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Bank von Kanada: Hohe Migration treibt die Mieten nach oben

Wenn ein führender Vertreter der Zentralbank eines Landes einen wirtschaftlichen Zusammenhang herstellt, ist das zumindest nicht einfach von der Hand zu weisen. Der stellvertretende Chef der Bank von Kanada erklärte jüngst, die massive Einwanderung lasse die Mieten steigen.
Bank von Kanada: Hohe Migration treibt die Mieten nach obenQuelle: www.globallookpress.com © Sean Kilpatrick

Von Dagmar Henn

In Deutschland würde er dafür vermutlich entlassen, der stellvertretende Chef der kanadischen Notenbank, Toni Gravelle. In seiner Rede vor der Handelskammer von Windsor-Essex Anfang Dezember befasste er sich ausführlich mit dem Zusammenhang zwischen Einwanderung und steigenden Mieten. Dabei stellt sich die Lage in Kanada ähnlich dar wie in Deutschland – die Probleme auf dem Wohnungsmarkt hatten bereits begonnen, ehe die Migration signifikant anstieg. Aber gerade weil die zugrunde liegenden Probleme langfristiger Natur sind, ist die Wirkung so deutlich.

Gravelle ist ein Befürworter der Einwanderung. Was in Kanada, das ein klassisches Einwanderungsland ist, nicht sehr überrascht. Er verwendete viel Zeit in seiner Rede darauf, darzulegen, dass die Einwanderung langfristig einen Gewinn für Kanada darstellen würde.

Allein im Verlauf des vergangenen Jahres habe es in Kanada über eine Million "Neuankömmlinge" gegeben. 60 Prozent davon fielen in die Kategorie der nicht dauerhaft Ansässigen, "eine Kategorie, die ausländische Arbeiter, internationale Studenten und Asylbewerber umfasst".

Das ist prozentual bezogen auf eine Bevölkerung von 37 Millionen (Stand 2021) noch einmal deutlich mehr als in Deutschland, allerdings liefert die viel geringere Bevölkerungsdichte mit 4,2 Einwohnern pro Quadratkilometer im Vergleich zu den 236 in Deutschland einen mehr als ausreichenden Ausgleich.

Ein Indiz, das er für die Entwicklung auf dem Wohnungsmarkt benennt, ist die Leerstandsquote, die im vergangenen Jahr auf ein historisches Tief von weniger als 5 Prozent gefallen ist. Auch hier zum Vergleich der Wert aus Deutschland: Zum 31.12.2022 lag der bundesweite Schnitt bei 2,5 Prozent; in extremen Regionen wie München (0,1 Prozent) oder Frankfurt (0,2 Prozent) schon fast im Bereich eines statistischen Messfehlers.

"Schon vor 2020 hielt der Bau neuer Wohnungen mit dem Bevölkerungswachstum nicht Schritt. Das lag an strukturellen Veränderungen wie Geschossflächenbegrenzungen oder langwierigen Genehmigungsverfahren in vielen Städten […], einem Mangel an Bauarbeitern, um nur einige von ihnen zu nennen. Kanadas niedrige Leerstandsquote zeigt, wie wichtig es ist, diese Probleme anzugehen. Dass sich jüngst alle Ebenen der Regierung darauf konzentrieren, den Wohnungsbau zu erhöhen, ist eine willkommene Entwicklung."

Gravelle ist Banker, er sieht das als eine ökonomische Aufgabe. Die Zentralbank hatte, wie in Deutschland auch, die Zinsen erhöht, um die Inflation zu bekämpfen. Die Mietsteigerungen ("shelter price inflation") wurden dadurch nicht beeinflusst, obwohl das bei einem Wohnungsmarkt mit ausreichend Angebot der Fall sein müsste, weil mit der Inflation auch die Nachfrage fällt.

"Wenn wir die Daten näher betrachten, sehen wir im Oktober die Mietinflation auf einem Vierzigjahreshoch."

In Detroit, auf der anderen Seite, seien die Mieten ebenfalls zeitweilig gestiegen, inzwischen seien sie allerdings wieder dabei zu fallen. Der Unterschied:

"Die USA haben traditionell einen großen Teil Einwanderer aufgenommen, die auf dem Bau arbeiten und so zum Wohnungsbau beitragen. Während Kanada jedoch mehr Neuankömmlinge denn je begrüßt, arbeiten nur 3 Prozent der nicht dauerhaft Ansässigen auf dem Bau. Kanada hat außerdem einen Einwanderungsmechanismus für qualifizierte Bauarbeiter, das Federal Skill Trades Program, aber das trägt nur mit einem Prozent zu den dauerhaft Ansässigen bei. Das waren 2022 ganze 455 Neuankömmlinge von insgesamt über einer Million. Und 20 Prozent der Arbeitskräfte auf dem Bau in Kanada werden im nächsten Jahrzehnt in Rente gehen."

Das heißt, die Einwanderung nach Kanada sorgt eben nicht für die benötigten Arbeitskräfte, um ebendiese Einwanderer auch mit Wohnungen versorgen zu können. Die Nachfrage nach neuen Wohnungen überstieg das Angebot bereits seit 2015. Die Bevölkerung nahm schneller zu, als neue Wohnungen gebaut wurden, ja, als neue Wohnungen hätten gebaut werden können.

"Dann stieg die demografische Nachfrage im letzten Jahr oder zumindest weit über die Geschwindigkeit des Baus neuer Wohnungen. Dieser Sprung in der demografischen Nachfrage, zusammen mit den zuvor bereits existierenden, strukturellen Versorgungsproblemen erklärt größtenteils, warum die Mieten in Kanada noch immer steigen. Es erklärt teilweise auch, warum die Wohnungspreise nicht so stark gefallen sind, wie wir das erwartet hatten."

Noch einmal zum Vergleich: Im Verlauf der vergangenen zwei Jahre ging der Wohnungsbau in Deutschland, der bereits im Jahr 2015 den vorhandenen Bedarf nicht mehr decken konnte, weiter zurück, zuletzt massiv. Die Erwartungen der Immobilienwirtschaft sind äußerst negativ, außer in einem Punkt – es wird erwartet, dass die Mieten weiter steigen.

Der Grund, warum sich der stellvertretende Chef der Bank von Kanada überhaupt mit diesem Thema beschäftigte und ihm eine Rede widmete, ist, dass die Mietinflation die Bemühungen seiner Bank konterkariert, die Inflation insgesamt zu drücken. Im Oktober führt er aus, dass bei einer Kerninflation von 3,1 Prozent, die knapp, aber immer noch über dem Zielkorridor einer Inflationsrate von zwei Prozent liegt, nur ganze 1,8 Prozent die Folge der Mietinflation seien.

Die entsprechenden deutschen Zahlen lassen sich auf den Seiten des Statistischen Bundesamtes finden. Auch hier gibt es einen massiven Rückgang der Leerstandsquote. Aber vergleichbare Darstellungen wie jene des kanadischen Zentralbankers gibt es in Deutschland nicht.

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