Wie geht es weiter nach der Befreiung von Marjinka?
Von Jewgeni Krutikow
Russische Truppen haben die Stadt Marjinka südwestlich von Donezk vollständig unter ihre Kontrolle gebracht, wie Verteidigungsminister Sergei Schoigu am Montag dem russischen Präsidenten Wladimir Putin berichtete. Schoigu sagte, die Einnahme der Stadt würde die Fähigkeiten der ukrainischen Streitkräfte verringern und es dem russischen Militär ermöglichen, Donezk effektiver zu verteidigen. "Was nicht unbedeutend ist: Wir haben die Stellungen der [ukrainischen] Artillerie von Donezk weg weiter nach Westen verschoben", stellte Schoigu fest.
Vom Zentrum in Donezk sind es bis Marjinka etwa 20 km. Die Stadt, in der vor 2014 noch etwa 10.000 Menschen lebten, blieb nach Gründung der Volksrepublik Donezk unter ukrainischer Kontrolle, und mehrere Versuche der DVR-Volksmiliz, sie zwischen 2015 und 2016 zu befreien, scheiterten damals. Die ukrainischen Streitkräfte befestigten die Stadt in den neun Jahren seitdem auf jede erdenkliche Weise und bauten sie zu einer Festung aus, in der buchstäblich jeder Keller in eine Kampfstellung verwandelt wurde. So konnte erst nach der Besetzung der letzten beiden Häuser in der Iwan-Franko-Straße im Nordwesten der Siedlung die vollständige Befreiung Marjinkas gemeldet werden.
Die Vorbereitungen für dieses Ereignis waren gründlich. Die 150. Schützendivision trägt als Erinnerung ihrer einstigen Beteiligung an wichtigen Schlachten im Zweiten Weltkrieg die Ortsnamen Idriza und Berlin in ihrem Divisionsnamen. Ihre Angriffstrupps erhielten nun kurz vor der letzten Schlacht um Marjinka Kopien jener Siegesfahne, die von zwei Soldaten dieser Division im Mai 1945 über dem Reichstag in Berlin gehisst worden war. Es gab jetzt zwei Kopien dieser Fahne pro Zug, denn niemand wusste ja genau, welches Gebäude als letztes eingenommen würde und welche Einheit schließlich die Siegesfahne darauf hissen könnte. Und nun ist Marjinka offiziell befreit, sowohl als Gebiet als auch als Symbol.
Die ukrainischen Streitkräfte haben sich nach Westen in Richtung Georgijewka zurückgezogen und beginnen, dort Verteidigungsstellungen zu verstärken. Dann gibt es noch Kurachowo, ebenfalls eine befestigte Stadt, jedoch nicht so stark wie Marjinka. Kurachowo war immer ein rückwärtiger Stützpunkt und ein Hauptquartier für die ukrainischen Streitkräfte, und jetzt versucht man, in aller Eile das Ganze in eine Schlachtposition an vorderster Front umzuwandeln.
Die Ukrainer erwarteten den sofortigen Vormarsch der russischen Truppen in diese Richtung. Doch die russischen Streitkräfte haben den Plan geändert und üben nun Druck auf ukrainische Linien südlich von Marjinka aus, wo sich die ukrainische Befestigung im Dorf Pobeda befindet.
Gleichzeitig wird in dem Industriegebiet von Nowomichailowka gekämpft, einer Siedlung südlich von Ugledar. Dort gibt es eine Kette von kleinen Siedlungen, die an einigen Stellen ineinander übergehen. Diese Kette bis Konstantinowka umfasst sowohl Ugledar als auch die gesamte Flanke der ukrainischen Gruppierung, die zuvor an dem Versuch einer "Gegenoffensive" teilgenommen hatte. Und dies ist bereits ein völlig anderer Teil der Kontaktlinie.
Mit anderen Worten: Die Befreiung von Marjinka ist keine Episode rein lokaler Bedeutung. Abgesehen von der Tatsache, dass die Stadt einfach große Angriffskräfte gebunden hat, die anderswo fehlten, ist es eine Art Schlüssel für gleich zwei weitere ukrainische Gruppierungen, deren Verantwortungsbereiche hier aneinanderstoßen.
Um Nowomichailowka wird es zunehmend heiß hergehen. Die Intensität des Artilleriebeschusses entspricht in etwa der in Awdejewka. Gleichzeitig ist der Nachschub an Verstärkung und Material an die ukrainischen Streitkräfte dort bereits stark eingeschränkt. Wenn es den russischen Einheiten gelingt, Pobeda einzunehmen, wird Nowomichailowka nur noch halbwegs erreichbar sein. Die russischen Streitkräfte greifen Bogdanowka jetzt von drei Seiten an, wobei die Hauptkämpfe in der kleinen, in den letzten Jahren ebenfalls stark befestigten Industriezone stattfinden. Aber in Nowomichailowka ist rein räumlich der Umfang deutlich geringer als in Awdejewka oder Marjinka.
Gleichzeitig entwickeln sich die Ereignisse im Westen von Artjomowsk sehr dynamisch. In den letzten zwei Wochen ist es den russischen Streitkräften gelungen, eine Reihe von Festungen, Waldgebieten und einzelnen Stellungen zu besetzen. Infolgedessen ist die Front bis nach Bogdanowka vorgerückt.
Derzeit ist die Lage um dieses Dorf durch den "Rauch des Kampfes" verdeckt, aber es gibt Hinweise darauf, dass es Fallschirmjägern und Marineinfanteristen gelungen ist, in Bogdanowka vorzudringen. Möglicherweise ist bereits etwa ein Drittel der Siedlung unter russischer Kontrolle, aber insgesamt befindet sie sich immer noch in der Grauzone.
Von Bogdanowka führt ein direkter Weg nach Tschassow Jar, auch wenn dies auf der Karte nicht ersichtlich ist. Der Punkt ist, dass der direkte Weg von Chromowo nach Tschassow Jar ein unwegsames Gelände mit Hügeln und Rinnen ist. In einer solchen Situation sieht der Weg durch das flache und langgestreckte Dorf vielversprechender und, wenn ich so sagen darf, geruhsamer aus. Im weiteren Verlauf beginnen die ersten Linien der ukrainischen Stellungen in der Nähe des Sewerski-Donez-Donbass-Kanals.
Die Lage der ukrainischen Streitkräfte im Gebiet der Ruinen von Kleschtschijewka sieht ebenfalls hoffnungslos aus. Bis auf eine Ausnahme befinden sich praktisch alle wichtigen Anhöhen um das Dorf unter der Kontrolle der russischen Streitkräfte. Es hat keinen Sinn, die Ruinen selbst zu besetzen, die in den Niederungen liegen. Die Ukrainer beginnen, sich allmählich nach Westen zurückzuziehen, und weiter entfernt gibt es keine befestigten Stellungen oder größere Siedlungen. Das heißt, es bleibt eine dünne Linie, jenseits derer ein Operationsgebiet von mehreren Dutzend Kilometern liegt.
Der Feind klammert sich an jede Position. Erst gestern versuchte die ukrainische Armee einen Gegenangriff auf Chromowo, jedoch ohne Erfolg. Die Ukrainer versuchen, die Lage an einem bestimmten Abschnitt der Kontaktlinie durch Manipulation der Reserven zu stabilisieren. Infolgedessen und aufgrund der veränderten Wetterbedingungen haben sich die Kämpfe in Richtung Kupjansk beruhigt. In Kiew geht man nach wie vor davon aus, dass dies die Hauptrichtung eines möglichen Angriffs der russischen Streitkräfte ist, und verlegt alle möglichen Verstärkungen dorthin. In Awdejewka gibt es keine neuen Erkenntnisse, aber die Beschaffenheit der Befestigungen erlaubt es den dortigen ukrainischen Kräften, einige Positionen vorläufig zu halten. Die Einheiten werden aus Richtung Saporoschje, d.h. aus dem Gebiet der früheren "Gegenoffensive", abgezogen.
Die Befreiung von Marjinka ist also nicht nur ein besonderes symbolisches Ereignis für die Einwohner von Donezk. Die Beseitigung einer so wichtigen Verteidigungslinie der Ukrainer verändert einmal mehr die Konfiguration der Kontaktlinie. Neue geografische Namen tauchen in den Nachrichten auf, und die Front entfernt sich immer weiter von der alten Kontaktlinie.
Das Wichtigste aber ist: Es entstehen neue kämpferische und operativ-taktische Möglichkeiten.
Wir sollten uns nicht wundern, wenn nach solch erfolgreichen Operationen der Vormarsch der russischen Streitkräfte aufgrund einer Reihe objektiver Umstände organisch zum Stillstand kommt. Wir sollten keine Lawinendurchbrüche, keine Vorstöße über Dutzende von Kilometern erwarten. Das ist möglich, aber nicht jetzt, wo die bisherige Verteidigungslinie des Feindes noch steht. In den Hauptabschnitten der Kontaktlinie ist dieses Verteidigungssystem der ukrainischen Streitkräfte unverändert geblieben. Operationen wie die Befreiung von Marjinka und die mögliche Befreiung von Awdejewka zerstören dieses System und schaffen Lücken, die die ukrainischen Streitkräfte niemals werden flicken können.
Die Strategie Kiews besteht darin, eine neue Befestigungslinie zu schaffen, wiederum auf der Grundlage von relativ großen Bevölkerungszentren. Darauf wird man sich im Winter konzentrieren.
Übersetzung aus dem Russischen
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