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Sergei Strokan: Ist das der wahre Grund, warum "Russlandhasserin" Victoria Nuland aufhört?

US-Präsident Joe Biden und US-Außenminister Antony Blinken bevorzugen offenbar einen "China-Hasser" gegenüber ihrer "Chef-Russlandhasserin". Das könnte für Nuland den Ausschlag gegeben haben, ihren aktuellen Posten aufzugeben.
Sergei Strokan: Ist das der wahre Grund, warum "Russlandhasserin" Victoria Nuland aufhört?Quelle: Gettyimages.ru

Von Sergei Strokan

Der bevorstehende Rücktritt der stellvertretenden US-Außenministerin Victoria Nuland hat zu verschiedenen Theorien über den Grund für ihr unerwartetes Ausscheiden aus dem Außenministerium geführt. Moskau glaubt, dass dies auf das Scheitern des "antirussischen Kurses" und des gesamten US-amerikanischen "ukrainischen Projekts" zurückzuführen ist.

Darüber hinaus richtet sich das Augenmerk in Washington auf die Ernennung von Kurt Campbell, der derzeit für die Indo-Pazifik-Politik zuständig ist, zum zweithöchsten Beamten im Außenministerium.

Medien und Analysten interpretieren dies als Beweis dafür, dass Asien vor dem Hintergrund des nachlassenden Interesses der USA an der Ukraine zu Washingtons oberster Priorität wird.

Die Ankündigung von Nuland kam für viele überraschend. Die erfahrene US-Diplomatin, die im Jahr 2014 aktiv an den Maidan-Ereignissen in der Ukraine beteiligt war, ist nicht nur durch das Verteilen von Keksen in Kiew in Erinnerung geblieben, sondern auch durch ihre Beteiligung an den großen internationalen Krisen und Konflikten der letzten Jahrzehnte.

Ihre mehr als 35-jährige Tätigkeit im US-Außenministerium unter verschiedenen Regierungen ist beeindruckender als der Lebenslauf des derzeitigen Außenministers Blinken. Am Dienstag beeilte sich Blinken selbst, Nulands Leistungen zu würdigen, indem er sie feierlich aus dem Außenministerium und direkt in die Geschichts- und Diplomatiebücher geleitete.

Blinken erinnerte daran, dass sie unter sechs US-Präsidenten und zehn Staatssekretären gedient hatte, und erklärte, dass sie in ihrem letzten Amt in der Regierung von Joe Biden den Wunsch verkörpert habe, "Amerikas globale Führungsrolle" wiederherzustellen.

Der Leiter des Außenministeriums hob besonders die Rolle hervor, die Nuland bei der Bildung der Anti-Russland-Koalition nach dem Ausbruch des Russland-Ukraine-Konflikts gespielt hat. Er bezeichnete ihre Bemühungen als unverzichtbar und sagte, dass diese von zukünftigen Diplomaten und angehenden Wissenschaftlern genau studiert werden würden.

Die Hauptaufgabe, an der Nuland in den letzten Jahren gearbeitet habe, sei die "strategische Niederlage" Russlands" gewesen. Aber auch die Unterstützung der Ukraine bei deren Anstrengungen, "demokratisch, wirtschaftlich und militärisch auf eigenen Füßen zu stehen".

Doch trotz all ihrer Erfahrung und ihres Einflusses scheint Blinken nicht versucht zu haben, sie von ihrem Rücktritt abzubringen. Die Nachricht löste eine Lawine von Reaktionen führender russischer Politiker, Diplomaten, Experten und der Medien aus.

Laut der Sprecherin des russischen Außenministeriums, Maria Sacharowa, war Nuland gezwungen, wegen des Scheiterns von Bidens Russland-Kurs zurückzutreten.

"Dies ist ein Scheitern der mit Nuland verbundenen Politik, denn sie war die zentrale Figur hinter der russophoben Politik gegenüber unserem Land. Diese ganze Geschichte war mit Nuland verbunden", sagte Sacharowa. Ihr zufolge war die scheidende stellvertretende US-Außenministerin "nicht nur eine hochrangige Vertreterin des Außenministeriums, sondern eine Schlüsselfigur in der behördenübergreifenden Zusammenarbeit der USA". Die Sprecherin des russischen Außenministeriums fügte hinzu:

"Sie war eine Koordinatorin der antirussischen Stimmung und der antirussischen Politik der Vereinigten Staaten, insbesondere im Zusammenhang mit der Ukraine. Ich kann nicht sagen, dass sie eine Ideologin war. Es gibt Leute da draußen, die uns mehr hassen, aber sie war wirklich eine Koordinatorin, sie wird mit dieser Politik in Verbindung gebracht. Daher hat man sich von ihr verabschiedet."

Unterdessen wird in Washington die Theorie diskutiert, dass Nulands Rücktritt das Ergebnis eines Machtkampfes war, in dem sie das Rennen um den Posten des ersten stellvertretenden Außenpolitikchefs verlor.

Einige Experten sehen darin einen Kampf der Narrative, bei dem hinter den Kulissen an Persönlichkeiten gerüttelt wird. All dies ist Teil eines Streits über die langfristige Gestaltung der US-Außenpolitik und ihrer Prioritäten.

Erinnert sei auch daran, dass nach dem Rücktritt von Wendy Sherman als stellvertretende US-Außenministerin im vergangenen Sommer deren Aufgaben sechs Monate lang von Nuland wahrgenommen wurden. Ende letzten Jahres traf das Weiße Haus jedoch die unerwartete Entscheidung, Campbell, einen weiteren Veteranen der US-amerikanischen Diplomatie, für den zweiten Posten im diplomatischen Dienst zu nominieren.

Campbell, der in der diplomatischen Welt keinen so großen Namen hat wie Nuland, hat seine Karriere nicht im euro-atlantischen, sondern im indo-pazifischen Raum gemacht.

"Frau Nuland wurde als natürlicher Kandidat angesehen, um Frau Sherman dauerhaft zu ersetzen. Aber Herr Blinken nominierte Kurt Campbell, den ehemaligen Vertreter des Nationalen Sicherheitsrates für Asien", kommentierte die New York Times die Umbesetzung.

James Carden, ein ehemaliger Beamter des US-Außenministeriums, sagte gegenüber RIA Nowosti:

"Ich war eigentlich überrascht, dass sie so lange durchgehalten hat, wie sie es tat. Mir war klar, dass ihre Zeit abgelaufen war, als Kurt Campbell den zweithöchsten Posten im Ministerium erhielt."

Bei der Abstimmung im Senat am 6. Februar erhielt Campbells Nominierung breite parteiübergreifende Unterstützung: 92 Senatoren stimmten für, fünf gegen ihn.

"Präsident Bidens Wahl von Kurt Campbell signalisiert den Wunsch, die von seinen Vorgängern vor Jahrzehnten begonnenen Bemühungen fortzusetzen, den Schwerpunkt der US-Außenpolitik auf China als die größte Herausforderung für Amerika in der Zukunft zu verlagern", kommentierte die US-Nachrichtenagentur AP die Umbesetzung.

"Kurt Campbell spielte eine Schlüsselrolle bei der Entwicklung von Präsident Barack Obamas 'Pivot to Asia' zu Präsident Bidens Indo-Pazifik-Strategie", sagte Juri Tawrowski, der Vorsitzende des Expertenrats des Russisch-Chinesischen Komitees für Freundschaft, Frieden und Entwicklung, gegenüber der russischen Zeitung Kommersant.

"In der Praxis war er besonders aktiv bei der Schaffung des antichinesischen Militärblocks AUKUS (Australien, Großbritannien und die USA) und bei der Stärkung der militärischen Komponente der QUAD-Gruppe (Quadrilateraler Sicherheitsdialog – Australien, Indien, die USA und Japan)", so Tawrowski. Und weiter:

"Die Ernennung von Campbell auf den zweithöchsten Posten im Außenministerium zeigt den langfristigen Kurs des Weißen Hauses, China einzudämmen, trotz Worten und Gesten, die wie der Wunsch nach Versöhnung aussehen."

Laut Tawrowski "ging der zweite Platz im Außenministerium nicht an den größten Russlandhasser, sondern an den größten China-Hasser".

Sergei Strokan ist Kolumnist des Kommersant. Dieser Artikel wurde zuerst von Kommersant veröffentlicht, übersetzt und bearbeitet vom RT-Team.

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