Erhöhung der Einsätze – Kiews Verbündete erwägen radikale Schritte
Von Wiktor Schdanow
Gefährliche Diskussion
Polens Außenminister Radosław Sikorski hat nicht nur den kampfeslustigen Macron unterstützt, sondern auch bestätigt, dass sich polnische Militärs seit langem in der Ukraine befinden. Um wen es sich genau handelt und welche Aufgaben sie erfüllen, erklärte Sikorski nicht, gab allerdings zu verstehen, dass es zu wenig sei.
"Der Westen muss eine kreativ durchdachte und asymmetrische Eskalation durchführen", äußerte sich der Minister schleierhaft. Polens Präsident Duda behauptete indessen, dass zur Verlegung der NATO-Kräfte ein großer Flughafen 40 Kilometer von Warschau gebaut werden müsse.
Italien lehnte entschieden jegliche direkte Einmischung ab. Verteidigungsminister Guido Crosetto warf der polnischen und französischen Führung vor, im Namen der gesamten Allianz aufzutreten. Crosetto zufolge werde eine einseitige Eskalation den Weg zur diplomatischen Regelung verschließen.
Dennoch bildet Frankreich nach Angaben westlicher Medien eine Allianz aus Ländern, die zur Entsendung von Truppen in die Ukraine bereit sind. Dies verschärft die Konfrontation mit dem vorsichtigeren Deutschland. Die baltischen Staaten, besonders Litauen, stehen natürlich auf Macrons Seite.
Tschechiens Präsident Petr Pavel schlug vor, die Ausbildung des ukrainischen Militärs durch NATO-Instrukteure zu erweitern. Er verwies darauf, dass tausende Spezialisten aus 15 Ländern dies bereits seit 2014 getan hätten.
Prag hält es für möglich, Dutzende NATO-Militärs zu den ukrainischen Streitkräften zu schicken, um Technik zu warten und Kämpfer vor Ort auszubilden. Der britische Außenminister David Cameron warnte, dass in diesem Fall westliche Ausbilder zu einer "Zielscheibe" für Russland werden würden.
Neue Perspektiven
"Sollten die Verbündeten Truppen in die Ukraine schicken, werden wir aus der NATO austreten müssen", schreibt der US-amerikanische Senator Mike Lee in dem Magazin The American Conservative. Europäische Staaten hätten kein Recht, die USA in einen nuklearen Konflikt hineinzuziehen, betont er.
Die NATO müsse zu einem Rückzug der USA bereit sein, warnt indessen The Telegraph. Europäischen Diplomaten zufolge sei dies im Fall einer Wahl Donald Trumps zum US-Präsidenten möglich. Deshalb solle Brüssel ein Szenario ausarbeiten, um die militärische Abhängigkeit von Washington zu verringern.
Europas Verteidigung könnte zu einer Angelegenheit Großbritanniens werden. Einige EU-Staaten würden sich über größere Eigenständigkeit im militärischen Bereich freuen.
In der vergangenen Woche besuchte Ungarns Ministerpräsident Viktor Orbán Donald Trump in den USA. Nach dem Treffen sagte der ungarische Staatschef, dass sein US-amerikanischer Freund im Fall eines Wahlsieges keinen Cent an Kiew geben werde. Die europäischen Staaten wären dann nicht in der Lage, das ukrainische Militär zu finanzieren, und der Krieg würde enden.
Revision der Grundsätze
Paris und Warschau führen in Europa offen Washingtons Politik durch, erklärt der Nachrichtenagentur RIA Nowosti Wladimir Olentschenko, ein Mitarbeiter des Zentrums für europäische Studien des Instituts für Weltwirtschaft und internationale Beziehungen der Russischen Akademie der Wissenschaften.
"Deswegen traten sie praktisch gemeinsam auf. Auch die Tatsache, dass Litauen sie beinahe umgehend unterstützte, legt die Vermutung über eine gewisse Koordination nahe. Sie versuchten quasi, eine Diskussion zu diesem Thema zu eröffnen. Doch zahlreiche Länder lehnten es ab, insbesondere Italien, das sehr stark im Fokus der europäischen Politik bleiben will", sagt der Experte.
Die USA haben es nicht nötig, Truppen in die Ukraine zu senden, weil es für sie andere tun werden, betont Olentschenko. Washington reagierte nicht auf Dudas Aufruf, die Militärpräsenz in Polen zu vergrößern, weil sich Warschau, genau wie Paris, diese Last selbst aufbürdete.
Sollte Trump zum Präsidenten gewählt werden, werde er zwar nicht aus der NATO austreten, sie allerdings ernsthaft formatieren, sagt Wladimir Wassiljew, leitender wissenschaftlicher Mitarbeiter des Nordamerika-Instituts der Russischen Akademie der Wissenschaften. Selbst Grundsätze, die seit 1949 unangetastet blieben, seien bedroht.
"Wenn sich ein Politiker nicht um Wiederwahlen Sorgen machen muss, beginnt er, für die Geschichte zu arbeiten, und das fürchtet Europa am meisten. In seinen vier Jahren kann Trump einiges bewältigen. Noch während seiner ersten Amtszeit verlieh er der NATO den Charakter einer kommerziellen Organisation. Seiner Meinung nach ist es das Wichtigste, die Finanzen zu ordnen, insbesondere zu erreichen, dass die Verbündeten zwei Prozent ihres BIP für die Verteidigung ausgeben, amerikanische Waffen zur Modernisierung ihrer Armeen kaufen und damit die Rüstungsindustrie der USA unterstützen", führt der Experte aus.
Trump will die Formel anwenden: Wer sich nicht ausreichend an der NATO beteiligt, für den gilt der Artikel 5 nicht. Für ihn sind die US-Interessen am wichtigsten. Deswegen erwägt Europa unterschiedliche Szenarien.
Übersetzt aus dem Russischen und zuerst erschienen bei RIA Nowosti.
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