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"Wie in einem Horrorfilm" – Ukrainische Militärs werfen Kiew Lügen vor

Die Kiewer Führung behauptet, ihre Ziele bei Kursk erreicht und einen planmäßigen und kontrollierten Rückzug angetreten zu haben. Militärs sprechen dagegen von Flucht, Panik und hohen Verlusten. Vor diesem Hintergrund spitzen sich die innenpolitischen Spannungen in der Ukraine zu.
"Wie in einem Horrorfilm" – Ukrainische Militärs werfen Kiew Lügen vorQuelle: Sputnik © Stanislaw Krassilnikow

Von Sachar Andrejew

"Syrskis Barbarei"

Noch mehrere Tage nach dem Zusammenbruch des "Kursker Brückenkopfs" behauptet Kiew, die Lage völlig unter Kontrolle zu haben.

"Verbände der Verteidigungskräfte der Ukraine führen bei Bedarf Manöver zu günstigeren Stellungen durch", behauptete am 14. März der Oberbefehlshaber des ukrainischen Militärs, Alexandr Syrski. Der ukrainische Verteidigungsminister Rustem Umerow versicherte in einem Interview mit Fox News, dass die "Umverlegung" der ukrainischen Truppen sogar "planmäßig" gewesen sei.

Doch ukrainische Militärangehörige widersprechen diesen Behauptungen. In einem Interview mit der BBC beschreiben sie die Lage als "Panik und Frontzusammenbruch". Einer von ihnen verglich den Rückzug mit einer "Szene aus einem Horrorfilm":

"Die Straßen sind mit Hunderten zerstörter Autos, Panzerfahrzeugen und Quads übersät. Es gibt viele Verwundete und Tote."

"Der Rückzug aus dem Gebiet Kursk war nicht geplant – es ist ein weiterer Fehler. Die Leute erhielten keine Rückzugsbefehle, jeder Verband zieht sich zurück, wie er kann. Das ist eine Barbarei von Syrski!", schreibt in ihrem Blog die nationalistische Rada-Abgeordnete Marjana Besuglaja, die für ihre konsequente Kritik an der ukrainischen Militärführung bekannt ist.

"Den Vorgesetzten angerempelt"

Der ukrainische Militärangehörige mit dem Rufnamen Arty Green, der nicht am Überfall auf das Gebiet Kursk teilgenommen hat, berichtete in einem Interview mit dem Politologen Juri Romanenko unter Verweis auf eigene Kameraden, dass die Kämpfer keinen Rückzugsbefehl erhalten und die Entscheidung über den Rückzug selbstständig getroffen hätten. Dabei sollen sie freilich in Übereinkunft mit benachbarten Einheiten agiert haben, weswegen sich der Verband trotz der Verluste "vergleichsweise organisiert" zurückgezogen habe.

Freilich sei ein Rückzug bereits mindestens einen Monat zuvor notwendig gewesen, meint Green. Damals hatten die russischen Streitkräfte bereits die Feuerkontrolle über die einzige Straße übernommen, über welche die Besatzungsgarnison in Sudscha versorgt werden konnte, und "zehrten" an ukrainischen Flanken. Dadurch wurde eine Fahrt in die besetzte Bezirkshauptstadt für ukrainische Kämpfer zu einer "Lotterie".

Die Lage erinnerte Green an den Kessel von Debalzewo aus dem Jahr 2015 – Green nahm an jenen Ereignissen teil.

"Damals kam von oben der Befehl, durchzuhalten. Doch die taktischen Verbände sprachen sich untereinander ab und rempelten, grob gesagt, den Vorgesetzten, den Brigadekommandeur der 128. Brigade, Sergei Schaptala, an. Sie forderten von ihm, den Durchbruch zu leiten. Als er die Garnison aus Debalzewo herausbrachte, meldete er dies dem Kommandanten der Anti-Terror-Operation. Der beschimpfte ihn und forderte, zurückzukehren", berichtete der Kämpfer.

Bezeichnenderweise wurde eine der Einheiten, die sich aus Debalzewo zurückzog, ausgerechnet von Syrski kommandiert. Nun kann die Kampfkarriere des Offiziers, die mit einem Kessel begann, ebenso mit einem Kessel enden.

"Wir verloren Städte"

Vor dem Hintergrund seines Scheiterns wurde Syrski an all seine Verfehlungen erinnert. Er wurde ein weiteres Mal auf seine russische Abstammung und auf die eigenartige Weise, Truppen zu kommandieren, hingewiesen. Die Militärs selbst gaben ihm den Spitznamen "General 200" (Fracht 200 ist ein militärisches Codewort für Gefallene. Anm. d. Ü.) und "Metzger", weil er sich nicht um das Leben der Untergebenen scherte.

Zu Syrskis Erfolgen wird die Verteidigung von Kiew im Frühling 2022, der Vorstoß bei Charkow im September desselben Jahres sowie die erste Etappe der Invasion des Gebiets Kursk gerechnet. Zu seinen Misserfolgen zählen der "Fleischwolf von Bachmut" (Artjomowsk), der das ukrainische Militär teuer zu stehen kam, sowie der verspätete Rückzug aus Awdejewka. Nach Ansicht von Militärbeobachtern, darunter aus dem Ausland, beeinträchtigten beide Operationen das Kampfpotenzial des ukrainischen Militärs. Das Kursk-Abenteuer wurde zu einer weiteren solchen Episode.

Vor dem Hintergrund der Flucht aus Sudscha nahm der Druck vonseiten der ukrainischen "verärgerten Patrioten" auf Syrski zu.

"Für das Geschehene muss es eine Verantwortung geben. Wer das Kommando hatte, welche Einflussfaktoren nicht rechtzeitig aufgedeckt wurden, wer fehlerhafte Entscheidungen in Kiew und vor Ort traf", schreibt der ukrainische Militärblogger Juri Butussow.

Besuglaja meint ihrerseits, dass es Syrski während der vergangenen Monate gelungen sei, die Territorien im Gebiet Kursk "in Handarbeit" zu halten – "auf Kosten ukrainischer Territorien und hoher Verluste".

"In dieser Zeit verloren wir Städte im Gebiet Donezk, Tausende unserer Bürger in der Armee wurden zu Opfern der schlechten Zusammenarbeit und Leitung durch Syrskis Umgebung, statt der Aufstockung der existierenden Brigaden wurden zahlreiche neue nicht kampffähige Brigaden aufgestellt und so weiter. Die Russen drangen faktisch bereits in den Ballungsraum von Pokrowsk ein", erläutert die Abgeordnete Syrskis Versagen.

Am Dienstag gab es für ukrainische Nationalisten einen Hoffnungsschimmer. Von einer möglichen Entlassung von Syrski schrieb der Rada-Abgeordnete Alexei Gontscharenko. Dabei nannte er sogar einen möglichen Nachfolger: den ehemaligen Stellvertreter des Oberbefehlshabers, Jewgeni Mojsjuk. Neben diesem tauchten auch die Namen anderer Kandidaten auf. Einer von ihnen ist der gegenwärtige Kommandeur des ukrainischen Heeres, Michail Drapaty. Freilich dementierte Gontscharenko später seine eigenen Angaben: "Es sind keine Kaderänderungen geplant."

Somit wird der "General 200" beziehungsweise "Metzger" auch weiterhin Ukrainer massenhaft in den Tod schicken. Sein unmittelbarer Vorgesetzter, Wladimir Selenskij, scheint damit durchaus zufrieden zu sein.

Übersetzt aus dem Russischen. Zuerst erschienen am 19. März bei RIA Nowosti.

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