
Letzte Hoffnung des ukrainischen Militärs: Kiew schafft eine "Drohnenlinie"

Von Sachar Andrejew
"Drohnenlinie"
Das ukrainische Militär hat zahlreiche Probleme. Es leidet an hohen Verlusten, vor allem durch Fahnenflucht. Laut der Rada-Abgeordneten Marjana Besuglaja befinde sich "die Hälfte der kämpfenden ukrainischen Armee in eigenmächtiger Abwesenheit". Die Aufstockung gestaltet sich schwierig: "Freiwillige" werden buchstäblich auf Straßen der ukrainischen Städte im Rahmen der sogenannten Bussifizierung eingefangen. Hinzu kommt die Ungewissheit von westlichen Lieferungen.
Eine der wenigen stabilisierenden Faktoren vor diesem Hintergrund sind die Erfolge der Ukraine bei der Entwicklung von unbemannten Systemen. Zahlreiche überteuerte westliche Waffenmodelle erwiesen sich im Grunde als Einwegstücke, weil Russland schnell Methoden fand, sie effektiv zu kontern. Indessen herrschen in kleinen Höhen billige Copter, und es ist sehr schwierig, sie zu bekämpfen. Daher beschloss Kiew, auf Drohnen zu setzen.
Noch im Februar 2025 kündigte der ukrainische Verteidigungsminister Rustem Umerow die Schaffung einer "Drohnenlinie" an – einer kilometerbreiten Zone, in der beliebige Ziele durch Copter aufgespürt und zerstört werden sollen. Nach drei Monaten enthüllten ukrainische Medien, wie und durch wen das Projekt umgesetzt wird.
Wie in einem Spiel
Alles begann mit dem ukrainischen Aufklärungssystem DELTA. Diese App sammelt diverse Aufklärungsdaten – ob von Satelliten oder Meldern. Insbesondere nutzten Drohnenpiloten dieses System für die Bestätigung der Zerstörung russischer Technik.

Auf dieser Grundlage wurde das System "Armeebonus" eingerichtet: wie in einem Videospiel erhielten die Drohnenverbände für jeden Erfolg Punkte, die für zusätzliche Ausrüstung, etwa neue Drohnen, eingetauscht werden können. Gerade die Gruppen mit höchsten Punktzahlen wurden für die Schaffung der "Drohnenlinie" ausgewählt.
Zum Projekt gehören das 20. Separate Regiment "K-2", die 414. Brigade "Magyar Vögel", das 429. Regiment "Achilles", das 427. Regiment "Rarog" und das Regiment "Phönix". Wie die Zeitung Ukrainskaja Prawda schreibt, handele es sich hierbei um Verbände mit unterschiedlichen Philosophien, die aber alle "durch diesen Krieg geboren" worden seien und Drohnentechnologien auf eigene Initiative entwickelt hätten.
"Schöne Anlässe"
Bemerkenswerterweise untersteht das Projekt, das beste Drohnenverbände umfasst, nicht den viel gerühmten Kräften für Drohnensysteme (SBS), sondern wird im Rahmen der Landstreitkräfte unter dem Kommando des Generals Michail Drapaty umgesetzt. Wie sich herausstellte, erhielten die SBS die Aufgabe, sich auf operative Tiefe von 60 bis 100 Kilometern zu konzentrieren. Einige Offiziere denken, dass die neue Waffengattung überhaupt nur gegründet wurde, um Wladimir Selenskij "schöne Medienanlässe" zu bescheren.
Zusätzlich stieß die Aufstellung der neuen Waffengattung auf personelle Schwierigkeiten – angeblich gefiel es dem Oberbefehlshaber des ukrainischen Militärs, Alexandr Syrski, nicht, dass ihm nicht erlaubt wurde, einen "eigenen" Mann mit dem Kommando zu beauftragen. Drapaty gelang es dagegen, die Energie von Enthusiasten zu bündeln.
Dieser General, der in Russland wegen Angriffen auf Zivilisten zur Fahndung ausgeschrieben wurde, gehört zur Partei der "jungen" Militärführer und wird von radikalen ukrainischen Nationalisten unterstützt. Medienangaben zufolge steht er im gespannten Verhältnis zu Vertretern der sowjetischen Schule der ukrainischen Offiziere, zu denen auch Syrski gehört.
Die Abgeordnete Besuglaja, eine konsequente Kritikerin der letzteren Gruppe, meint, dass angeblich ausgerechnet die Einsetzung Drapatys es ermöglicht hätte, das Vorrücken der russischen Streitkräfte in der Donezker Volksrepublik zu verlangsamen. Gerade Drohnen wurden dabei zum Hauptinstrument der Verteidiger.
Fünf, zehn, fünfzehn
Ein Offizier des Regiments "Phönix" beschreibt die neue Taktik des ukrainischen Militärs wie folgt:
"In fünf Kilometern Tiefe soll es überhaupt keinen Gegner geben. Auf zehn Kilometern zerstören wir sämtliche Logistik, auf 15 – die Artillerie. Die ganze Zeit arbeiten Aufklärungsstaffeln, die nach gegnerischen logistischen Knoten suchen."
Teilnehmer des Projekts planen, diese Zone erheblich zu erweitern. Schon jetzt haben Drohnen, darunter FPV-Drohnen, eine Reichweite von 25 Kilometern. Um die Reichweite zu vergrößern, werden Transponder eingesetzt – sowohl stationäre als auch solche, die in Multicopter des Typs Baba Jaga eingebaut werden.
Freilich bleibt die vollständige Schaffung einer "Killzone" – wie ukrainische Militärs gerne sagen – von einer Tiefe selbst von 15 Kilometern bisher nur ein Traum, was die Drohnenpiloten selbst einräumen. Als Regimente gelten die Verbände nur noch nominell und werden immer noch aufgestockt. Als Frist für vollwertige Inbetriebnahme des Projekts "Drohnenlinie" gilt das Ende des Jahres 2025.
Doch ukrainische Offiziere räumen ein, dass, selbst wenn alles gelingen sollte, das Projekt nur eine effektive Verteidigung ermöglichen wird. Einer der Gesprächspartner der Ukrainskaja Prawda sagt:
"Wir werden keine Gegenoffensive führen."
"Zu zweit spielen"
Indessen perfektioniert die russische Seite ihre Gegenmittel. Die Zeitschrift Forbes beschreibt ein System der Radioelektronischen Kampfführung, die sie als "Black Eye" (Schwarzes Auge) bezeichnet. Nach Angaben des Journalisten könnte das Gerät das Kräfteverhältnis über der Frontlinie verändern. Das ukrainische Militär versuche, die Eloka-Systeme mithilfe von speziell ausgestatteten FPV-Drohnen zu zerstören. Diese Drohnen werden auf unkonventionellen Frequenzen, die nicht verlässlich blockiert werden können, betrieben.
Außerdem ist die "Killzone" ein Spiel, das zu zweit gespielt werden kann. Wie ukrainische Militärs selbst einräumen, stieß Russland im Hinblick auf Quantität und Qualität von Glasfaserkabel-Drohnen vor. Diese Waffen sind nicht für Störsender anfällig. Kabelbetriebene Copter spielten eine wichtige Rolle bei der Befreiung des Gebiets Kursk und werden immer öfter an anderen Frontabschnitten eingesetzt.
So verbreitete sich Anfang Mai ein Video, auf dem zu sehen ist, wie eine russische Drohne in die Tür eines ukrainischen gepanzerten Mannschaftstransporters mit darin sitzenden Infanteristen hineinfliegt. Dies geschah in Konstantinowka in der Donezker Volksrepublik in 20 bis 25 Kilometern Entfernung von der Frontlinie. Wie das ukrainische Nachrichtenportal Strana.ua anmerkt, war die Stadt ein Hauptlogistikstützpunkt des ukrainischen Militärs in der Region, verliert aber diesen Status wegen russischer Drohnen.
Das Wettrüsten im "Drohnenkrieg" nimmt kein Ende. Regelmäßig erscheinen neue Lösungen, die die Kampfweise prinzipiell verändern. Bisher ist es unklar, welches Know-how genau eine Wirkung haben wird, die mit dem Erscheinen von Glasfaserkabel-Drohnen vergleichbar wäre. Allerdings lässt sich mit Sicherheit sagen: sollte sich der Konflikt trotz der Friedensbemühungen in die Länge ziehen, werden unbemannte Systeme in seinem Ausgang eine Schlüsselrolle spielen.
Übersetzt aus dem Russischen. Zuerst erschienen bei RIA Nowosti am 13. Mai.
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