Minarette nein, Rial ja: Die speziellen Beziehungen zwischen der Schweiz und Saudi-Arabien
Es klang wie die Ankündigung der Apokalypse, als der Schweizer Finanzminister und derzeitige Bundespräsident Ueli Maurer vergangene Woche im Parlament das Wort ergriff:
Dann wird es für uns alle relativ ungemütlich. Wir sagen nach wie vor, dass es Einnahmeausfälle zwischen 0,5 und fünf Milliarden geben wird. Wenn es fünf Milliarden sind, herrscht Heulen und Zähneklappern, wenn das eingespart werden muss.
Was den Politiker der rechtsnationalen SVP so umtreibt, ist eine Initiative der OECD zur Reform der weltweiten Unternehmensbesteuerung. Bisher funktioniert die Besteuerung so: Die großen Multis machen ihre Umsätze weltweit – versteuern sie aber in der Regel in Niedrigsteuerländern wie der Schweiz. Das möchte die OECD ändern. In Zukunft sollen dort Steuern gezahlt werden, wo auch der Umsatz gemacht wird. Dies würde Länder wie zum Beispiel Brasilien oder Indien begünstigen, während die Schweiz das Nachsehen hätte.
Zwar scheint die Reform der OECD schon fast beschlossene Sache, dennoch setzt die Schweiz alles in Bewegung, um die geplante neue Regelung zumindest zu entschärfen. Kein Wunder also, dass die Schweiz, obwohl kein Mitglied, plötzlich beim nächsten G20-Treffen im Jahr 2020 in Riad mit von der Partie sein soll. Auf Einladung von Saudi-Arabien. Kritik an dem Gastgeberland in puncto Menschenrechte und Krieg im Jemen wischt der Schweizer Bundespräsident lapidar beiseite: "Es hat nichts mit Saudi-Arabien zu tun, sondern mit G20", so Maurer. Dass das Treffen jetzt in Saudi-Arabien stattfinde, sei eher zufällig. Und weiter:
Aber für uns sind die G20 wichtig, und dass es in Saudi-Arabien ist, das stört eigentlich auch nicht, weil sich alle anderen sich eben auch dort treffen.
Nicht das erste Mal, dass sich Maurer beim Thema Saudi-Arabien in der Defensive wähnt. Nach einem Besuch im Oktober dieses Jahres im Königreich musste er sich schon Kritik gefallen lassen. Auf dem diesjährigen Weltwirtschaftsforum in Davos verstörte Maurer zusätzlich mit der Aussage, der Fall Khashoggi "sei abgehakt". Er sei nur falsch verstanden worden, so Maurer hinterher.
Es sind in der Tat spezielle Beziehungen zwischen den gerne als Musterdemokraten bezeichneten Eidgenossen und den um einen Imagewechsel bemühten Saudis. Die Schweizer Tageszeitung Tages-Anzeiger zitierte den Finanzprofessor an der Universität Berkeley, Gabriel Zucman, laut dem Schweizer Banken über 200 Milliarden US-Dollar saudischen Geldes verwalten (Stand 2017). In Verwaltungskreisen sei sogar von 300 Milliarden US-Dollar die Rede.
Im Jahr 2013 sorgte die Tochter des verstorbenen Königs Fahd für Aufsehen, als sie im noblen Genfer Vorort Cologny für 57,5 Millionen Franken (rund 53 Millionen Euro) ein Luxusanwesen von 18.000 Quadratmeter erwarb. Das Anwesen war früher der Wohnsitz des Genfer Bundesrats und späteren Präsidenten des Internationalen Roten Kreuzes Gustave Ador. Im Jahr 2002 wiederum erregte die nächtliche Öffnung des Buch- und Multimediageschäfts FNAC in Genf die Gemüter. Der königlichen Familie war zum Shoppen zumute. Die Gewerkschaften fanden das weniger lustig.
Pikant, dass Maurers SVP ausgerechnet die Schweizer Partei ist, die gerne vor dem "radikalen Islam" warnt. Die Rechtsnationalen waren Mitinitiator des Volksentscheids für ein "Minarettverbot" in der Schweiz. Der Volksentscheid wurde am 29. November 2009 mit 57,5 Prozent Ja-Stimmen angenommen. Lieber als Minarette sind den Eidgenossen offenbar die unzähligen Limousinen mit zahlungskräftigen Burka- und Nikab-Trägerinnen, die auch mal gerne doppelreihig vor den Luxusgeschäften in Genf parken.
Doch die eigentliche Ironie der Einladung zum G20-Treffen in Saudi-Arabien liegt in der Tatsache, dass es vermutlich nicht Maurer sein wird, der dort die Schweiz vertreten wird. Im kommenden Jahr wird die Sozialdemokratin Simonetta Sommaruga der Schweizer Regierung vorstehen. Sie müsste dann nach Saudi-Arabien reisen. Worauf sie vermutlich nur wenig Lust hat. Ihr Parteikollege Fabian Molina erklärte zu der G20-Einladung:
Unsere Freunde sind Staaten, die Menschenrechte und Rechtsstaatlichkeit hochhalten. Da gehört Saudi-Arabien nicht dazu. Wenn man Politik gegen den Multilateralismus zusammen mit Saudi-Arabien macht, wird das der Schweiz eher früher als später auf die Füße fallen.
Intern soll auch Sommaruga bereits ihren Unmut kundgetan haben. Fortsetzung garantiert.
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