Sag bloß nicht "Ausländer"! Neue Sprachregeln für Berliner Beamte
von Andreas Richter
Der rot-rot-grüne Berliner Senat hat vor einigen Tagen einen Leitfaden veröffentlicht, der seinen Beschäftigten den "diversitysensiblen Sprachgebrauch" nahebringen soll. Begriffe wie Fahrradfahrer oder Studenten finden sich schon lange nicht mehr in Schreiben der Behörden, und natürlich ist nicht von Mitarbeitern die Rede, sondern von "Mitarbeiter*innen". Oder "Mitarbeiter_innen".
Doch das genügt nicht. Um die "Vielfalt in der Verwaltung" noch mehr zu fördern, legte der Senat ein "Diversity-Landesprogramm" auf, zu dem auch der genannte Leitfaden zählt, der von der Landesstelle für Gleichbehandlung gegen Diskriminierung erarbeitet wurde. In der Pressemitteilung zur Vorstellung des Programms wurde der verantwortliche Justizsenator Dirk Behrendt (Bündnis90/Die Grünen) mit seiner Erläuterung zitiert:
Berlin ist Heimat für Menschen mit vielen verschiedenen Hintergründen und in ganz unterschiedlichen Lebenslagen. Die Berlinerinnen und Berliner sollen die Verwaltung als ihre begreifen und daher sollte sich die Verwaltung auch offen gegenüber dieser Vielfalt zeigen. Wenn sich die Vielfalt Berlins in der Verwaltung widerspiegelt, dann ist das ein Gewinn für die gesamte Stadt.
Den Mitarbeitern wird im Leitfaden mitgeteilt, dass Sprache verletzen könne, gesellschaftliche Betrachtungsweisen widerspiegle und Aussagen über "Normalität" und "Abweichung" beinhalte. Davon ausgehend werden einzelne Begriffe abgehandelt, von deren künftiger Verwendung abgeraten wird.
So sei der Begriff Asylbewerber irreführend, weil ja ein Grundrecht auf Asyl bestehe. Besser seien die Bezeichnungen Asylsuchende und Schutzberechtigte. Der Begriff "ausländische Mitbürger" sei zu meiden, weil durch den Zusatz "Mit" eine "unnötige Unterscheidung erfolge, durch die der Status der Betreffenden als Bürger bereits eingeschränkt werde.
Überhaupt "Ausländer": Dieses Wort bezeichne eigentlich "Einwohnende ohne deutsche Staatsbürgerschaft". Auch weil der Begriff die so Bezeichneten im Ausland verorte, halten ihn die Antidiskriminierungsvirtuosen für unangemessen. Und statt "Mensch mit Migrationshintergrund" solle der öffentlich Beschäftigte besser "Mensch mit Migrationsgeschichte" oder – noch besser – "Menschen mit internationaler Geschichte" sagen.
Das "s" in "Schwarze Menschen" werde großgeschrieben, weil es sich hier nicht um die Beschreibung einer Hautfarbe handle, sondern um die Selbstbezeichnung "für Menschen, die Rassismuserfahrungen" gemacht hätten. Auch Begriffe wie "schwarz fahren" und "anschwärzen" sollten "lieber nicht" mehr verwendet werden. Ganz in diesem Stil wird auch die Sprache zu den Themen Religion, Geschlecht und Geschlechtsidentität und Behinderung abgehandelt.
An dem Leitfaden des Senats und dem darin geforderten "diversitysensiblen Sprachgebrauch" ist einiges zu kritisieren. So wie die Identitätspolitik insgesamt mit ihrer Konzentration auf Partikulargruppen tendenziell zu einer Entsolidarisierung und Atomisierung der Gesellschaft führt, zerstören ihre im Leitfaden dokumentierten Auswüchse die Sprache. Was hier buchstäblich vorgeschrieben wird, widerspricht nicht nur dem Sprachgefühl des größten Teils der Bevölkerung, sondern erschwert längst auch das sinnvolle Übermitteln von Informationen.
Zum anderen wirkt das "Diversity-Landesprogramm" mit seinen Sprachregeln wie ein weiteres Beispiel für Berliner Symbolpolitik. Es geht an der Lebenswirklichkeit der meisten Berliner weit vorbei. Diese ist zunehmend geprägt von Armut, Mietwucher, Wohnungsmangel, Lehrermangel, öffentlicher Verwahrlosung, Gewaltkriminalität, Verkehrsproblemen und einer dysfunktionalen Verwaltung, die ihre Bürger oft monatelang auf einen einfachen Termin "beim Amt" warten lässt.
Die Abgehobenheit der Berliner Regierenden und der sie tragenden Blase scheint sich umgekehrt proportional zu den immer offensichtlicher werdenden Problemen auf dem Boden der Berliner Realität zu entwickeln. Noch jedenfalls scheint die Fassade zu halten. Laut einer aktuellen Umfrage wären die Grünen bei Wahlen zum Abgeordnetenhaus mit 26 Prozent stärkste Kraft.
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