Was die Ermordung von Soleimani mit dem russischen Militäreinsatz in Syrien zu tun hat
von Seyed Alireza Mousavi
Der römische Kaiser Valerian entschied 260 n. Chr., den Kampf gegen das persische Sāsānidenreich zur Chefsache zu machen. Der Schauplatz jener Ost-West-Konfrontation in diesem Kampf war seinerzeit das heutige Gebiet um Syrien. Der Sāsāniden-Großkönig Schapur I. und seine Truppen starteten ihre Offensive gegen das römische Heer in Syrien. Der Versuch des römischen Kaisers Valerian, die persischen Sāsāniden aus Syrien zu vertreiben, endete allerdings im Juni 260 mit seiner totalen Niederlage. Mit seinem Heer geriet auch Valerian selbst in Gefangenschaft, und damit brach die Herrschaft Roms im Osten für eine gewisse Zeit vollends zusammen.
Syrien ist seit dem Bürgerkrieg 2011 heute wieder ein Dreh- und Angelpunkt der geopolitischen Kräfteverhältnisse in der Weltpolitik, wobei neue Akteure wie Russland und die Türkei sowie auch China in dem vom Westen angezettelten und weiter befeuerten Bürgerkrieg in Syrien mitspielen.
In der Sache änderte sich damit jedoch nichts, weil der Ausgang des Bürgerkrieges in Syrien heute eine geopolitische Wegscheide für die globalisierte und vom Westen dominierte Weltordnung ist: Die USA und die mit ihnen Verbündeten ziehen sich weiter aus der Weltpolitik in dieser Region zurück, und die Machtverhältnisse verschieben sich schrittweise nach Osten. Was der Westen und islamistische Milizen gemeinsam mit der Muslimbruderschaft aus der Türkei und aus Katar allerdings militärisch seit 2011 in Syrien nicht schafften, versuchen sie nun sichtbar frustriert durch Sanktionen zu erzwingen.
2015 war ein wichtiges Jahr in diesem blutigen Bürgerkrieg. Während der Kriegszeit bis zum Herbst 2015 verloren die Streitkräfte Syriens den Großteil ihres Territoriums. Unter Regierungskontrolle verblieben nur noch ungefähr 10 Prozent des syrischen Staatsterritoriums. Im Jahr 2015 kamen iranische Militärberater, die mit Hisbollah-Funktionären an der Seite des syrischen Staates standen, zu dem Schluss, dass die syrische Armee und ihre Verbündeten das Vorrücken der IS-Islamisten und von deren Unterstützern nur dann eindämmen könnten, wenn die eigenen Bodentruppen konsequent aus der Luft unterstützt würden.
Im syrischen Bürgerkrieg fehlte Iran jedoch eine moderne Ausrüstung im Bereich der Luftverteidigung, um Bodenziele effizient aus der Luft mit Kampfflugzeugen zu bekämpfen. Iran verfügt selbst zwar über eine große eigenständige Rüstungsindustrie und produziert insbesondere Kurz- und Mittelstreckenraketen, aber das Land ist in einigen Rüstungsbereichen wie Kampfflugzeugen abhängig von Importen. Insofern hatten Iran und der syrische Präsident Baschar al-Assad 2015 Russland gebeten, sich ebenfalls militärisch im Kampf gegen den Terrorismus in Syrien zu engagieren.
Dabei spielte Generalmajor Qassem Soleimani eine Schlüsselrolle. Denn Russland befürchtete, dass der Westen mit Beginn einer russischen Operation im Bürgerkrieg in Syrien eine Kampagne gegen Russland in den islamischen Ländern entfachen würde. Diese Befürchtung war angesichts der Geschichte der sowjetischen Intervention in Afghanistan berechtigt, wo die USA erfolgreich versucht hatten, seinerzeit Muslime in der ganzen islamischen Welt und radikale Gruppen wie die "Mudschahedin" gegen die sowjetische Intervention und deren Soldaten in einem "muslimischen Land" aufzuhetzen.
General Soleimani reiste 2015 nach Moskau, um die russische Führung dennoch davon zu überzeugen, sich für militärische Operationen in Syrien gegen IS-Terroristen und deren Verbündete zu engagieren. Dabei sollen russische Bedenken gegenüber einer Intervention in Syrien besprochen worden sein. Soleimani soll bei seinem Treffen zwei Stunden lang mit Präsident Putin über den erforderlichen russischen Einsatz in Syrien gesprochen haben, sagte kürzlich der Chef der Hisbollah in einem Interview mit Al Mayadeen.
Die Russische Föderation griff ab September 2015 vor allem mit Luftunterstützung auf Seiten der Regierung Syriens in den Syrienkrieg ein. Der Militäreinsatz gilt für Russland militärisch und politisch als Erfolg, weil Islamisten und auch die vom Westen massiv unterstützte sogenannte Freie Syrische Armee fast endgültig besiegt wurden und Russland damit wieder auf Augenhöhe mit den USA stand.
Die Eskalationsspirale zwischen Iran und den USA wurde durch die Ermordung des iranischen Generals Soleimani Anfang Januar 2020 angeheizt, als der auf Befehl von US-Präsident Trump durch den Einsatz einer Drohne vom US-amerikanischen Militär im Irak ermordet worden war. Soleimani war ein Top-Stratege, der US-Ambitionen in der Region großteils sabotiert hatte. Er stellte ein neues Narrativ gegen die von den USA beanspruchte Unipolarität und deren Interventionspolitik im Nahen Osten auf, dessen geopolitischer Aspekt sich über die von westlichen Medien hochgekochten Religionskonflikte innerhalb der islamischen Welt (Schiiten vs. Sunniten) erhob.
Mit anderen Worten, sein Konzept stand außerhalb der von westlichen Medien thematisierten "Religionskonflikte" im Nahen Osten. Soleimani stellte sich nämlich gegen den als universell beanspruchten westlichen Wertekanon in der Region, den der Westen durchzusetzen versuchte und versucht – notfalls auch durch die Förderung bewaffneter Unruhen sowie Militärinterventionen.
Nach der gescheiterten Militäroperation in Syrien unterzeichnete US-Präsident Donald Trump im Dezember 2019 das sogenannte "Caesar-Gesetz zum Schutz der syrischen Zivilisten". Mit der harten Sanktionierung von syrischen Institutionen und Einzelpersonen wollen die USA nun die Zusammenarbeit zwischen Syrien und seinen Verbündeten beim Wiederaufbau des Landes verhindern und die Regierung von Assad in die Knie zwingen.
Die Ermordung des iranischen Generals sollte zudem in diesem Kontext der Schwächung der "Achse des Widerstandes" in der Region dienen. Statt der Sanktionen und mörderischen Operationen sollten die US-Amerikaner sich besser langsam auf neue geopolitische Kräfteverhältnisse in dieser Region einstellen, da sich nämlich ein neuer "Schapur-Akt" bereits gegen den "Caesar-Akt" durchgesetzt hat. Diesmal handelte es sich jedoch nicht um den Sieg der Perser gegen die Römer, sondern um den Sieg des Multilateralismus gegen die globalisierte Weltordnung der Transatlantiker im Nahen Osten.
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