Meinung

Die Datenbrille von Facebook ist ein Versuch, von unserer narzisstischen Kultur zu profitieren

Facebooks Partnerschaft mit Ray-Ban verfolgt den Zweck, eine Smarte Brille (Smart Glasses) auf den Markt zu bringen. Dies ist keine Innovation, die reale Probleme löst – sondern entspringt lediglich dem unstillbaren Bedürfnis des Unternehmens, die privaten Daten seiner Nutzer zu monetarisieren.

von Norman Lewis

Es ist immer notwendig und wertvoll zu fragen, welches Problem gelöst wird, wenn man mit einer neuen Technologie oder Innovation konfrontiert wird. Bei der intelligenten Sonnenbrille "Ray-Ban Stories" von Facebook – die Fotos und Videos aufnehmen, Telefonanrufe annehmen und Podcasts abspielen kann – drängt sich eine solche Fragestellung auf.

Laut Andrew Bosworth, dem Leiter der Facebook Reality Labs, versucht Facebook, ein Produkt zu entwickeln, "das den Menschen hilft, tatsächlich im Moment zu sein, in dem sie sich gerade befinden". Er erklärt, dass es praktischer sei, ein Video oder Bild durch einfaches Berühren der Sonnenbrille aufzunehmen, "als jedes Mal, wenn man einen Moment festhalten möchte, das Telefon hervorholen und vor das Gesicht halten zu müssen".

Die Sprache ist aufschlussreich. Für Facebook liegt die Realität nicht im Moment, in dem sie erlebt wird, sondern in der Aufzeichnung dieses Moments, um ihn dann über ein soziales Netzwerk zu teilen. Facebook ist nicht daran interessiert, den Menschen zu helfen, einen Moment zu verstehen, sondern nur daran, dass er geteilt wird – natürlich auf Facebook. Die Smarte Brille ist ein weiterer Schritt, unsere narzisstische Kultur weiter voranzutreiben, um zusätzlichen Datenverkehr und Inhalte auf die Social-Media-Plattform zu bringen, die man dann monetarisieren und davon profitieren kann.

Das Facebook Reality Lab muss ein Arbeitsplatz sein, der Spaß macht. Es muss wunderbar sein, neue Realitäten und zu lösende Probleme zu erfinden, die überraschenderweise Facebook als Antwort erfordern. Der Horror, jedes Mal, wenn man einen Moment festhalten möchte, das Telefon hervorholen und vor das Gesicht halten zu müssen, ist glücklicherweise endlich erkannt und wird angegangen. Viele würden dem zwar nicht zustimmen, aber für Facebook ist dies längst überfällig.

Wenn dies jedoch das eigentliche Problem ist, das angegangen werden muss, ist unklar, wie die Ray-Ban-Brille helfen wird. Menschen, die es nicht ertragen können, ein Telefon hervorzuholen, es vors Gesicht zu halten und einen Knopf zu drücken, um ein Foto zu machen, sind kaum der Typ Mensch, den man vom Sofa ins Freie locken, geschweige denn dazu bringen kann, 299 US-Dollar auszugeben. Man denke nur an die zusätzliche Belastung, entweder in ein Geschäft gehen zu müssen, um eine Brille anzuprobieren, oder eine Brille online zu bezahlen, indem man auf einen Weblink klickt, um einen Kauf abzuschließen. Das "Problem" vervielfacht sich einfach.

Facebook aber glaubt, dass die neuen coolen Designs von Ray-Ban – es sind 20 verschiedene Modelle vorgesehen – die Faulheit im Herzen des erfundenen Smart-Glass-Dilemmas überwinden werden. Ja, sie glauben ernsthaft, dass sie dort erfolgreich sein können, wo andere versagt haben. Bosworth erklärt: "So ein Produkt wurde noch nie ausprobiert, weil wir noch nie ein solches Design hatten." Facebook und Ray-Ban scheinen sich mehr auf die Ästhetik der Brillen als auf die Technologie in den Brillengestellen zu konzentrierten.

Wirklich? Die zwei Kameras, zwei Mikrolautsprecher, drei Mikrofone, ein Snapdragon-Prozessor-Chip und das Ladeetui, das sich per USB-C-Kabel an jeden Computer anschließen lässt und die Brille etwa sechs Stunden lang in Betrieb hält, standen also nicht im Fokus ihrer Initiative?

Laut Rocco Basilico, Chief Wearables Officer bei Luxottica, der Besitzerin von Ray-Ban, will man in den Wearables-Markt expandieren, also in den Markt der tragbaren Kleinstcomputer als modisches Accessoire. Er klang eher nach Steve Jobs als nach einem Sonnenbrillenverkäufer und untermauerte die öffentlichen Aussagen von Facebook mit der Behauptung: "Wir haben dieses Produkt vom Design her gestartet und uns geweigert, beim Design Kompromisse einzugehen."

Die Beweggründe von Ray-Ban für den Eintritt in den Wearables-Markt liegen auf der Hand. Das zentrale Thema ist jedoch nicht das Design einer auffälligen Sonnenbrille. Google scheiterte nicht nur, weil sein Google Glass schlecht konzipiert war – was den unglücklichen Erstanwendern die abfällige, aber treffende Bezeichnung "Glassholes" einbrachte –, sondern an den Sorgen um die Privatsphäre, die diese Geräte provozieren. Die Ray-Ban-Brillen mögen besser gestaltet und diskreter sein als jene von Google. Aber sie sind trotzdem ein Facebook-Produkt. Und Facebook ist in Sachen Datenschutz wesentlich fragwürdiger, als es Google jemals war.

Um Bedenken der Datenschützer vorzubeugen, hat Ray-Ban eine kleine Kontrollleuchte entwickelt, die aufleuchtet, wenn die Brille ein Video oder ein Foto aufnimmt, und so dem Gegenüber signalisiert, dass er fotografiert oder gefilmt wird. Vielleicht reicht das aus, wenn man im Reality Lab von Facebook arbeitet. In der realen Welt würden die Ray-Ban-Brillen von Facebook eine noch größere Überwachung ermöglichen, die von Sonnenbrillenträgern ausgeht, die sich nicht die Mühe machen wollen, ihr Handy aus der Hosentasche zu ziehen. Wenn dies eine akzeptable Realität werden soll, könnte Ray-Ban eine Kultur zur Waffe machen, die davon lebt, Momente statt Kontext zu teilen.

Dies ist jedoch kein Problem für Facebook. Seine Gier nach mehr Datenverkehr und Inhalten über seine Plattform zu treiben, ist das immerwährende Problem, das es zu lösen versucht. Durch das "Lösen" eines nicht existenten Problems verschärft Facebook jedoch möglicherweise ein echtes Problem, das weit über seine Lebensdauer hinaus bestehen wird.

Smarte Brillen sind keine naive Innovation, die wir einfach als Spinnerei abtun sollten, weil andere zuvor damit gescheitert sind. Der Narzissmus, von dem Facebook getrieben wird und den Facebook selbst fördert und vorantreibt, sollte Anlass zur Sorge geben. Wir brauchen viel mehr öffentliche Debatten über solche Innovationen. Aber nur für diejenigen, die sich die Mühe machen können, ihre Geräte hervorzuholen, zu tippen und sich zu engagieren.

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Übersetzt aus dem Englischen. Norman Lewis ist Autor, Redner und Berater für Innovation und Technologie und war zuletzt Direktor bei PriceWaterhouseCoopers, wo er den Service der Crowdsourcing-Innovation aufgebaut und geleitet hat. Er twittert unter @Norm_Lewis.

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