Meinung

Wieder einmal die Ostler – Jetzt wollen sie sich auch nicht impfen lassen

Er lebt in Dunkeldeutschland, jagt Ausländer und wählt, seit Die Linke unbedingt mitregieren will, vermutlich AfD – das Schreckgespenst der westdeutschen Medien: der Ossi. Jetzt hat er sich eine neue Eigenschaft zugelegt, aufgrund derer man ihn verunglimpfen darf: Ungeimpft ist er auch.
Wieder einmal die Ostler – Jetzt wollen sie sich auch nicht impfen lassenQuelle: www.globallookpress.com © opokupix/www.imago-images.de

von Dagmar Henn

Im August hatte der Ostbeauftragte der Bundesregierung, Marco Wanderwitz, den Takt schon vorgegeben: Die neuen Finsterlinge der Republik, die Ungeimpften, sind die alten, nämlich die Einwohner "Dunkeldeutschlands", weil sie besonders häufig die AfD wählen.

Das ist kein neues Motiv, aber eine aktuelle Abwandlung des alten, nach dem es ja auch die Einwohnerschaft der übernommenen Bundesländer ist, die besonders rechts und rassistisch ist; im Gegensatz zur Westbevölkerung, die zwar unter Regierungen mit vielen echten Nazis lebte, bis diese alle in Rente waren, aber trotzdem irgendwie ganz offen geworden ist.

Der Ossi an sich impft nicht gern, wird unterstellt. Oder ist bockig. Oder eben einfach zurückgeblieben, zumindest aus der Sicht des konformen Impflings. Klar, es gibt auch Artikel, die sich rationaler der Frage nähern, warum die Impfquoten in den neuen Bundesländern niedriger sind als in den gebrauchten, und dabei beispielsweise auf die schlechte Anbindung durch den öffentlichen Nahverkehr stoßen.

Aber die Trennung in Ost und West muss betont werden. Obwohl sich die Bevölkerungen in manchen Regionen bis zur Unkenntlichkeit vermischt haben; sich inzwischen ein breiter westbesiedelter Speckgürtel um Berlin zieht und andererseits Millionen Bundesbürger aus Arbeitsgründen auf die Westseite gewechselt sind. Auch eine neue Studie der Universität Erfurt, die unter anderem im Auftrag des RKI erstellt wurde, kommt ohne diese Frage nicht aus und konstatiert, im Osten sei die Impfbereitschaft und auch das Vertrauen in die Impfstoffe deutlich niedriger als im Westen.

Wanderwitz, dessen Aufgabe wohl eher in der regelmäßigen Beschimpfung des ihm anvertrauten Landesteils besteht als in einer Arbeit, die irgendwie auf Verständigung setzt, hatte ja bereits im vergangenen Dezember gemault, in einigen Regionen Sachsens gebe es ein Problem mit Menschen, "die sich an keine Regel halten."

Der Osten als heimliche Hochburg des Anarchismus in Deutschland? Es ist eher wahrscheinlich, dass die Skepsis selbstverschuldet ist. Schließlich hält sich der verächtliche Ton den Menschen der DDR gegenüber in den Leitmedien seit Jahren unverändert, nur die Begründung wechselt. Warum nun sollten jene, denen oft auf die perfideste Weise Übles unterstellt wird, plötzlich exakt denselben Medien Vertrauen entgegenbringen, die etwa in Chemnitz "Hetzjagden" gesehen haben wollten, die es nie gab? Warum einer Bundesregierung, die treu und fest zu dem westlichen Ausplünderungsrausch steht, der viele Gebiete dort in die Armut gestürzt hat?

Ja, und vielleicht sind die Menschen dort nicht so leicht einzuschüchtern. Schließlich haben sie die komplette Zerstörung ihrer Heimat wegstecken müssen. Was ist da so ein Virus mit einer Sterblichkeit von 0,25 Prozent? Und welches öffentliche Leben ist da noch zu nehmen, wo die ehemals hunderte Kulturhäuser, Kinos, Dorfgasthäuser, Läden, Friseure schon längst geschlossen sind?

Für die konzernnahe Westelite bleibt das natürlich ein Rätsel, und ohnehin braucht die Impfung gegen eventuelle Ost-Infektionen wieder einmal eine Auffrischung, nachdem das Thema Stasi nach über dreißig Jahren nun wirklich abgenudelt ist. Der böse Ost-Ungeimpfte bietet sich an.

Womöglich verbirgt sich unter der Impfteilung jedoch noch eine ganz andere – könnte es sein, dass die Bewohner der östlichen Bundesländer schlicht nach wie vor den Russen weit mehr vertrauen als den US-Amerikanern? Die Bundesregierung könnte das ganz leicht überprüfen; sie müsste nur Sputnik V zulassen und könnte es dann an den Impfzahlen ablesen. Aber das will sie vermutlich gar nicht so genau wissen.

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