Der Weg zum Krieg in der Ukraine begann 1999 im Kosovo
von Nebosja Malic
So ziemlich jeder, der den letzten Monat damit verbracht hat, über die Unantastbarkeit von Grenzen und die Souveränität von Ländern zu moralisieren und darüber, wie inakzeptabel es für Großmächte sei, kleinere Nachbarn zu "tyrannisieren" – und dabei an Russland und die Ukraine dachte – hielt am Donnerstag inne, um einer Frau ein Loblied zu singen, die sich 1999 für genau diese Dinge eingesetzt hatte. Da es die NATO war, die Jugoslawien diese Dinge antat, war Madeleine Albright im Westen natürlich eine Heldin und eine Ikone.
Am 24. März 1999 begann die NATO einen Luftkrieg gegen Serbien und Montenegro, ein Land, das damals als Bundesrepublik Jugoslawien bekannt war. Öffentlich erklärtes Ziel der "Operation Allied Force" war es, Belgrad dazu zu zwingen, ein Ultimatim zu akzeptieren, das ihm einen Monat zuvor im französischen Schloss Rambouillet gestellt worden war: Jugoslawien sollte die Provinz Kosovo an die NATO-"Friedenstruppen" übergeben und den albanischen Separatisten erlauben, die Unabhängigkeit zu erklären.
Als die Bomber dieses Ziel dann innerhalb weniger Wochen nicht erreichten, wurde die Darstellung dahingehend geändert, dass die NATO gehandelt habe, um einen "Völkermord" an den Albanern zu verhindern, den sie mit ihrer Beifallsbekundung in der Presse gerade begünstigte. In diesem Narrativ wurde die "humanitäre" Bombardierung auch der ersten US-Außenministerin zugeschrieben: Der NATO-Einsatz wurde als "Madeleines Krieg" bezeichnet.
Am Ende dauerte es 78 Tage und einen ausgehandelten Waffenstillstand, bis die NATO-Truppen unter dem Feigenblatt einer UN-Friedensmission in den Kosovo einmarschierten. Prompt übergaben sie die Provinz den Terroristen der "Befreiungsarmee von Kosovo", die daraufhin über 200.000 Nicht-Albaner verbrannten, ausplünderten, ermordeten und vertrieben. Eine regelrechte Kampagne des Terrors, der Einschüchterung, der ethnischen Säuberung und der Pogrome begann – und dieselben Medien, die während der Bombardierung die Gräueltaten für die NATO erfunden hatten, schauten nun aus demselben Grund weg.
Wie auch immer er ausging, es war ein böser kleiner Krieg, der begonnen wurde, weil die USA der Meinung waren, dass sie es könnten. Weil Washington sich der Beschränkungen entledigen wollte, die vonseiten der UNO seiner neuen globalen Hegemonie auferlegt wurden, und die nur wenige Jahre zuvor von Bill Kristol und Victoria Nulands Ehemann Robert Kagan formuliert worden waren. Denn das aufstrebende amerikanische Imperium wollte Osteuropa die Botschaft übermitteln, dass kein Dissens geduldet wird; und Russland, dass es keine Großmacht mehr ist, die es zu respektieren gilt.
Ein Jurist könnte darauf hinweisen, dass der Angriff gegen die Artikel 2, 53 und 103 der UN-Charta, gegen die NATO-Charta selbst – den Nordatlantikvertrag von 1949 (Artikel 1 und 7) – sowie gegen die Schlussakte von Helsinki von 1975 (Verletzung der territorialen Integrität eines Unterzeichnerstaates) und gegen das Wiener Übereinkommen über das Recht der Verträge von 1980 verstieß, weil ein Staat durch Zwang zur Unterzeichnung eines Vertrages genötigt wurde.
Aber ein Weltreich zu sein bedeutet, seine eigene "auf Regeln basierende Ordnung" zu schaffen, um unbequeme Gesetze zu verdrängen. Also wurde eine "unabhängige Kommission" aus Cheerleadern zusammengestellt, um die Operation für "illegal, aber legitim" zu erklären. Mit dem Argument, sie sei gerechtfertigt, weil sie die Kosovo-Albaner von der serbischen "Unterdrückung" "befreit" habe.
Die tatsächliche Unterdrückung von Nicht-Albanern, der die NATO-Truppen tatenlos zusahen – auch während des grausamen Pogroms im März 2004 – zählt natürlich nicht. Wichtig ist nur, dass Bill und Hillary Clinton, Madeleine Albright und der britische Premierminister Tony Blair Denkmäler, Straßen und sogar Kinder nach ihnen benannt haben. Der "unabhängige" Kosovo – der 2008 ausgerufen wurde, was in etwa so legal war wie der Krieg von 1999 – kann ohne die Erlaubnis des US-Botschafters eigentlich nichts tun. Ein großer Triumph für Menschenrechte, Recht und Ordnung und Demokratie, Leute!
Der NATO ging es nie darum, Albanern das Leben zu retten. Sonst hätte sie sich nicht mit der UÇK zusammengetan, die es sich zur Aufgabe gemacht hat, ethnische Albaner zu ermorden, die Frieden mit den Serben wollten. Sie hätte nicht wiederholt Flüchtlingskolonnen bombardiert und dann erklärt, dass in Wirklichkeit die Serben Schuld seien und die Piloten ihre Bomben "in gutem Glauben" abgeworfen hätten – was der NATO-Sprecher Jamie Shea bei einer Gelegenheit wörtlich sagte.
Zwanzig Jahre später hat sich nichts geändert. Nachdem die USA im August 2021 eine Familie in Kabul durch einen Drohnenangriff ausgelöscht hatten, boten sie zwar ein Blutgeld an, weigerten sich aber, die Beteiligten auch nur zurechtzuweisen. Ein Imperium zu sein bedeutet, sich niemals entschuldigen zu müssen. Diese Denkweise hat auch die Invasion des Irak im Jahr 2003 vorangetrieben.
In der Zwischenzeit führte das Versäumnis, die Regierung in Belgrad durch einen Krieg zu stürzen, in Serbien zu einer "Farbrevolution". Diese wurde dann an andere Orte exportiert – unter anderem zweimal in die Ukraine. Der Putsch in Kiew 2014 war buchstäblich der Beginn des Konflikts in der Ostukraine, dessen jüngste Phase die aktuellen Ereignisse sind.
Im März 1999 war ich Student im Mittleren Westen der USA und wurde (fast) erfolgreich einer Gehirnwäsche unterzogen, um die Plattitüden über Freiheit, Demokratie, Toleranz, Objektivität, Regeln und Gesetze zu glauben, und dass die USA eine "Kraft des Guten" in der Welt seien. Dann, über Nacht, nannten mich Leute, von denen ich dachte, sie seien meine Freunde, ein Monster und glaubten jedes einzelne Stück Propaganda, das über die Fernsehbildschirme und Zeitungsseiten kam.
Seitdem habe ich Gerechtigkeit und Gedenken zu meiner Lebensaufgabe gemacht und versuche zu erklären, dass der Kosovo nicht für einen guten, edlen und humanitären Krieg steht, sondern für alles, was an der modernen Welt falsch ist: "Ein Denkmal für die Macht der Lügen, die erfolgreiche Ermordung des Rechts und den Triumph der Macht über die Gerechtigkeit", wie ich 2005 schrieb und seitdem jedes Jahr wiederhole.
Der Clou in diesem Jahr ist, dass die Leute, die nach Menschenrechten, internationalem Recht und der Unantastbarkeit von Grenzen schreien – wenn es um ihr Klientelregime in der Ukraine geht –, 1999 alle die NATO bejubelt haben. Selbst jetzt wollen sie sich nicht dafür entschuldigen, geschweige denn sich davon distanzieren. Es scheint also nicht wirklich darum zu gehen, was getan wird, sondern nur darum, wer es wem antut. Ich verstehe zwar ihre Wut, wenn die Welt zusammenbricht, die sie mit ihren Lügen aufgebaut haben. Aber sie haben kaum Grund, sich zu beschweren.
RT Deutsch bemüht sich um ein breites Meinungsspektrum. Gastbeiträge und Meinungsartikel müssen nicht die Sichtweise der Redaktion widerspiegeln.
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Nebojsa Malic ist ein serbisch-amerikanischer Journalist, Blogger und Übersetzer, der von 2000 bis 2015 eine regelmäßige Kolumne für Antiwar.com schrieb und jetzt leitender Autor bei RT ist.
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