Der Fall Jewish Agency: Beziehungen zwischen Russland und Israel steuern auf Zerreißprobe zu
von Seyed Alireza Mousavi
Die russische Regierung hatte die Jewish Agency for Israel (Jewish Agency) im Juni in einem Brief darüber unterrichtet, dass ihre Aktivitäten im Land gegen russisches Recht verstießen und daher eingestellt werden müssten. Russland beschuldigte die Organisation, illegale Informationen über russische Bürger gesammelt zu haben. Die Jewish Agency spielte die russische Warnung herunter und behauptete stattdessen, dass Russland nicht "ausdrücklich" verlangt habe, dass die Agentur den Betrieb einstellt. Die Organisation gab seinerzeit eine Erklärung ab, in der sie betonte, dass sie "klarstellen möchte, dass sie trotz bestimmter Berichte keine Anweisungen von der russischen Regierung erhalten hat, ihre Aktivitäten einzustellen".
Die Berichte über eine mutmaßliche Einstellung der Arbeit der Jewish Agency in Moskau sorgten in letzter Zeit für Aufsehen und Spekulationen. Letzte Woche nun stellte das Justizministerium in Moskau einen offiziellen Auflösungsantrag gegen den russischen Ableger der jüdischen Organisation. Die Kremlführung machte mit diesem Schritt deutlich, dass es Russland mit dem baldigen Verbot der Jewish Agency ernst meint.
Israel reagierte prompt. Premierminister Jair Lapid drohte selbstbewusst gen Moskau und warnte vor einer Verschlechterung der Beziehungen zu Russland, sollte die Jewish Agency for Israel aufgelöst werden. Das Verbot der Agentur sei ein "schwerwiegendes Vorkommnis", sagte Lapid am Sonntag. Im Lauf dieser Woche soll eine israelische Delegation nach Moskau reisen, um die russischen Behörden umzustimmen. Allerdings wartet Israel noch immer auf die Genehmigung der russischen Regierung für den Empfang der Delegation. Es bleibt unklar, ob eine mögliche Zustimmung für die Reise der israelischen Abgesandten nach Moskau noch vor Beginn der Anhörung am Moskauer Bezirksgericht erteilt wird.
Berichten zufolge hat Lapid bereits das Außenministerium beauftragt, konkrete Maßnahmen auszuarbeiten, falls Russland seine erklärten Pläne zur Schließung der Operationen der Organisation vollzieht – einschließlich des Rückrufs des israelischen Botschafters in Moskau und einer Verstärkung der israelischen Unterstützung für die Ukraine.
Im Zuge des Ukrainekrieges behaupteten israelische Medien, dass immer mehr russische Juden seit Beginn des Krieges in der Ukraine im Februar nach Israel eingewandert sind: Rund 15.000 Personen seien es seit Februar gewesen und mehr als doppelt so viele wie im gesamten Jahr 2021.
Kremlsprecher Dmitri Peskow erklärte am Freitag, das Vorgehen des Justizministeriums gegen die Organisation hänge mit Verstößen gegen russische Gesetze zusammen. Er wies Spekulationen zurück, dass Moskau damit verhindern wolle, dass noch mehr "kluge Köpfe" aus Russland nach Israel abwandern.
Allerdings ist der Zeitpunkt alles andere als zufällig – nur wenige Wochen, nachdem Lapid das Amt des Ministerpräsidenten übernommen hatte. Der Schritt der Kremlführung ist sehr wohl eine Botschaft an den israelischen Politiker. Moskau ist unzufrieden mit der Haltung des neuen Ministerpräsidenten zu der Militäroperation in der Ukraine. Während der damalige Ministerpräsident Naftali Bennett aus taktischen Gründen angesichts der iranischen Präsenz in Syrien versucht hatte, seine öffentliche Neutralität in der Ukraine-Frage beizubehalten, fiel Lapid als Außenminister seinerzeit die Rolle zu, Israels Verbündete im Westen zu beruhigen, indem er schärfere Worte gegen Russland fand. Anfang Mai beschuldigte er Russland ausdrücklich der "Kriegsverbrechen" als Begründung für die Aussetzung der Mitgliedschaft Russlands im UN-Menschenrechtsrat.
Der Tonfall zwischen Moskau und Tel Aviv hat sich am Anfang der russischen Militäroperation in der Ukraine verschärft, nachdem der russische Außenminister Sergei Lawrow einen Vergleich zwischen Wladimir Selenskij und Adolf Hitler gezogen hatte. Derzeit mehren sich die Anzeichen, dass Israel und Russland auf eine nächste Stufe der Eskalation zusteuern. In Israel ist man davon überzeugt, dass Moskau mit dem Verbot der Jewish Agency das Land für dessen Haltung im Ukrainekrieg abstrafen wolle.
Die Einstellung der Aktivitäten der Jewish Agency hängt wenig mit den jüngsten Spannungen zwischen Russland und Israel zusammen. Vor allem hat Tel Aviv bislang auf die Teilnahme an westlichen Sanktionen gegen Russland im Zuge des Ukrainekrieges verzichtet, da Israel nach seiner eigenen Darstellung Israels Handlungsfreiheit in Syrien sicherstellen will.
In Wirklichkeit geht es darum, dass der Kreml die russische Souveränität im Zuge der historisch beispiellosen Sanktionen des Westens gegen Russland im vollen Umfang aufrechterhalten will, um sich damit gegen jegliche mögliche ausländischen Spionageaktivitäten immun zu machen. Vor diesem Hintergrund beschuldigte Russland die Jewish Agency, Datenschutzgesetze zu verletzen, indem sie persönliche Daten von russischen Bürgern sammelt. Russlands Präsident Putin unterzeichnete Berichten zufolge kürzlich ein Gesetz, das die Definition "ausländischer Agenten" ausweitet, sodass nun auch Organisationen darunter fallen, die Verbindungen zum Ausland haben.
Mehr zum Thema – Russland legt nach: Lawrow wirft Israel Unterstützung des Kiewer "Neonazi-Regimes" vor
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Am 24. Februar kündigte der russische Präsident Wladimir Putin an, gemeinsam mit den Streitkräften der Donbass-Republiken eine militärische Spezialoperation in der Ukraine zu starten, um die dortige Bevölkerung zu schützen. Die Ziele seien, die Ukraine zu entmilitarisieren und zu entnazifizieren. Die Ukraine spricht von einem Angriffskrieg. Noch am selben Tag rief der ukrainische Präsident Wladimir Selenskij im ganzen Land den Kriegszustand aus.
Der Westen verurteilte den Angriff, reagierte mit neuen Waffenlieferungen, versprach Hilfe beim Wiederaufbau und verhängte Sanktionen gegen Russland.
Auf beiden Seiten des Konfliktes sind zahlreiche Soldaten und Zivilisten getötet worden. Moskau und Kiew haben sich gegenseitig verschiedener Kriegsverbrechen beschuldigt. Tausende Ukrainer sind mittlerweile aus ihrer Heimat geflohen.