Völkerrecht als Verhandlungsmasse: Deutsche Außenpolitik unter Baerbock
Von Gert Ewen Ungar
Als Baerbock im August Marokko besuchte, machte die deutsche Außenministerin dem nordafrikanischen Königreich weitgehende Zugeständnisse. Marokko hat große Teile der Westsahara annektiert und beansprucht diese Gebiete für sich. Eine Resolution des UN-Sicherheitsrates fordert dagegen ein Referendum unter UN-Aufsicht. Das Referendum soll den Status der Westsahara klären und die Region befrieden. Marokko lehnte dies bisher ab. Das Land schlägt dagegen einen Autonomiestatus der annektierten Gebiete vor, die dann Teil des nordafrikanischen Königreichs wären. Baerbock unterstützt diesen Plan, Marokko ist im Gegenzug bereit, Baerbocks Ideen von in Afrika produziertem grünen Wasserstoff für die Energiewende in Deutschland zu fördern.
Mit der letzten Bundesregierung ist es zu schweren Verwerfungen gekommen, weil sie von Marokko die Einhaltung des Völkerrechts und daher die Umsetzung der entsprechenden Resolution gefordert hatte. Baerbock ist moralisch deutlich flexibler. Für sie ist das internationale Recht vor allem dann wichtig, wenn man es im Sinne des Transatlantizismus gegen Russland und China instrumentalisieren kann. Ansonsten pfeift die deutsche Außenministerin auf internationale Regeln und Vereinbarungen.
Es ist ja kein Ausrutscher und nicht das erste Mal, was die Außenministerin in Marokko tat. In einem ganz ähnlich gelagerten Fall reagierte die Außenministerin analog. Auch die Ukraine entließ Baerbock großzügig aus einer international verbindlichen Vereinbarung.
Baerbock hatte als Vertreterin der Garantiemacht Deutschland großes Verständnis dafür, dass sich der ukrainische Präsident Selenskij nicht mehr an Minsk 2 gebunden fühlte. Das Abkommen war schließlich von seinem Vorgänger im Amt, Petro Poroschenko, unterzeichnet worden. Wer kann schon erwarten, dass sich auch ein aktueller Präsident eines Landes an Abkommen hält, die von seinen Vorgängern geschlossen wurden. International bindende Abkommen gelten nämlich immer nur für die jeweilige Legislaturperiode einer Regierung, maximal für die Dauer einer Regentschaft, glaubt Frau Baerbock anscheinend auf Grundlage ihrer Qualifikation. Sie kommt ja vongs Völkerrecht her.
Mit ihrem damaligen Zugeständnis an die Ukraine, der faktischen Sabotage von Minsk 2 durch Deutschland als Garantiemacht, hat Baerbock ihren persönlichen Beitrag zur Eskalation des Konflikts in Richtung militärischer Auseinandersetzung geleistet. Das, was sich jetzt in der Ukraine abspielt, verdankt die Ukraine, verdanken Deutschland und Europa auch ihr.
Minsk 2 sah eine Föderalisierung der Ukraine vor, in welcher der Donbass mehr Autonomie bekommen sollte. Dieser Schritt wurde von Kiew nie umgesetzt. In ihrer Rede auf der Münchner Sicherheitskonferenz am 18. Februar sagte Baerbock deutlich, dass die Ukraine selbst über den weiteren Prozess entscheiden müsse, den das Land gehen wolle.
"Über den Weg, den ein Land gehen will, können nur das Land selbst und seine Menschen entscheiden. Wir verhandeln nicht über den Kopf der Ukraine hinweg", teilte die Außenministerin ihrem Münchner Publikum mit. Die Ukraine hat allerdings mehrfach deutlich gemacht, dass Minsk 2 für die aktuelle Regierung kein gangbarer Weg ist.
Die bizarre Form von Solidarität, mit der Baerbock die Ukraine verbal überschüttet hat, sowie ihre menschelnden Floskeln bahnten letzlich den Weg zum Krieg. Die ukrainische wie auch die russische Seite konnten die Worte der deutschen Außenministerin kaum anders auslegen, als dass Deutschland seinen Verpflichtungen als Garantiemacht künftig nicht mehr nachkommen wird. Das Gegenteil von "gut" ist eben "gut gemeint". Baerbocks Rede und ihr Solidaritätsgeschwurbel war letztlich eine Verhöhnung des Völkerrechts.
Sie tat es jetzt wieder. In Marokko sonderte die Außenministerin das für sie typische Völkerrechtsgeschwurbel ab, um sich dann genau nicht daran zu halten. Auch in Nordafrika heizt Deutschland damit einen bestehenden Konflikt an, der durchaus das Potential hat, sich über ganz Nordafrika auszudehnen.
Für das Zugeständnis an Marokko, mit deutscher Unterstützung Völkerrecht brechen zu dürfen, bekam Baerbock im Gegenzug eine Kooperation für Projekte zur Erzeugung von grünem Wasserstoff, auf den die Bundesregierung im Rahmen der Energiewende setzt. Zudem glaubt Baerbock, sich damit aus der Abhängigkeit von Russland befreien zu können. Weiterhin sagte Marokko seine Unterstützung bei der Flüchtlingsabwehr zu. An den Außengrenzen der EU stirbt es sich auch unter einer grünen Außenministerin weiterhin leidvoll, während im Inneren als Mittel zur weiteren Spaltung der Gesellschaft Refugees nach wie vor welcome sind. Eigentlich egal, woher, und egal, warum. Dieses Bekenntnis zielt in Deutschland inzwischen weniger auf Flüchtlinge, sondern ist die Message an den vermeintlich rechtslastigen Nachbarn, gegenüber dem man sich als liberaler Mittelschichtler zur Positionierung verpflichtet fühlt.
Baerbock als Außenministerin betreibt die Aushöhlung des Völkerrechts. Das Völkerrecht ist immer dann nützlich, wenn es sich gegen vermeintliche Autokratien wie Russland und China instrumentalisieren lässt. Es ist dann gut, wenn sich Deutschland und seine Außenpolitik damit rhetorisch eine moralische Hybris geben können, der in der Welt der Fakten nichts - absolut gar nichts - entspricht. Die deutsche Außenpolitik unter Baerbock ist in einem Zustand moralischer Verkommenheit.
Deutsche Politik und die ihr angeschlossenen Medien sollten künftig ganz genau zuhören, wenn aus Russland, China und immer mehr Nationen dieser Erde von einer multipolaren Ordnung auf Basis des Völkerrechts geredet wird, das allerdings erst wieder herzustellen sei. Dies richtet sich auch gegen Deutschland, denn während man in Deutschland noch daran glaubt, Garant von Völker- und Menschenrecht zu sein, glauben das die Länder außerhalb der westlichen Einflusssphäre schon längst nicht mehr. Deutsche Außenpolitik ist in tiefer Weise unglaubwürdig. Unter Baerbock mehr denn je.
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