Deutschland rutscht in die Rezession – Wie lange, hängt von der Politik ab, die sie verursacht hat
Von Gert Ewen Ungar
Deutschland befindet sich ökonomisch seit dem Beginn der Maßnahmen zur Eindämmung der Coronapandemie faktisch in der Dauerkrise. Das Vorkrisenniveau war nach der weitgehenden Beendigung aller Maßnahmen gerade wieder erreicht worden, da steht mit der durch das Sanktionsregime der westlichen Staaten ausgelösten Energiekrise gleich das nächste wirtschaftspolitische Problemfeld ins Haus. Deutschland rutscht erneut in die Rezession. Wie tief der Einschnitt wird und wie lange er dauert, hängt vor allem von der Politik ab. Der Wirtschaftseinbruch ist nicht konjunkturbedingt, sondern Folge von politischen Entscheidungen.
Es gibt ein ganzes Ensemble an Schwierigkeiten, das zu bewältigen ist – ihnen gemeinsam ist eins: Sie alle wurden von der Politik ausgelöst. Durch das westliche Sanktionsregime gegen Russland steigen die Energiepreise. Russland gilt nach jahrzehntelanger Verlässlichkeit dem politischen Establishment heute als unzuverlässig. Dass die eigenen Sanktionen Grund für diese Unzuverlässigkeit sein könnten, will man gar nicht erst diskutieren.
Erklärtes Ziel ist, sich von russischen Energielieferungen unabhängig zu machen, koste es, was es wolle. Das heißt, es wird teuer. Man krempelt den globalen Energiemarkt einmal um, nimmt extreme Verwerfungen und extreme Preissteigerungen in Kauf. Gleichzeitig öffnet man durch die erzeugte Unsicherheit den Spekulanten Tür und Tor. Deren exorbitante Gewinne bezahlen die heimischen Verbraucher, deren wachsenden Unmut man einfach mal schnell als rechts "framet".
Gleichzeitig will die Bundesregierung in der Gefolgschaft des US-Hegemons den Wirtschaftskrieg gegen China intensivieren. Systemkonkurrenz ist sowohl für die Konfrontation mit Russland als auch mit China das Stichwort. China ist keine Demokratie, ist man sich in der EU sicher. Die EU ist allerdings auch keine, Russland dagegen schon. Ob die USA eine sind, wird dagegen immer fraglicher. Die Rede von der Systemkonkurrenz ist daher unausgegoren, sie dient lediglich einem Ziel: eine zunehmende Konfrontation begrifflich zu legitimieren.
Weiterhin deutet sich eine Eskalation mit Großbritannien an. Streitpunkt ist das im Rahmen des Brexits vereinbarte Nordirland-Protokoll. Die neue Regierungschefin Liz Truss könnte das Protokoll außer Kraft setzen. Die EU droht mit einem Handelskrieg, ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Großbritannien läuft bereits.
Zudem drohen weitere Zinsschritte der Europäischen Zentralbank (EZB), die Konjunktur zusätzlich zu belasten, indem sie sich negativ auf das Investitionsklima auswirken. Bereits im Juli erhöhte die EZB den Leitzins auf 0,5 Prozent und folgte damit den Forderungen zahlreicher Ökonomen, die lang angemahnte Zinswende einzuleiten. Darüber hinaus kehrt nebenbei ein Phänomen zurück, das zur Griechenlandkrise geführt hat. Dieses Mal werden die Staatsanleihen des wesentlich größeren Italien zum Spielball von Spekulanten.
Die Inflation liegt im Euro-Raum deutlich über der Marke von zwei Prozent, bei der die EZB von Preisstabilität ausgeht. Es ist allerdings die Frage, ob die EZB in dieser Situation überhaupt in der Lage ist, über den Leitzins die Inflation zu steuern.
Die aktuelle Inflation entsteht aktuell nämlich nicht durch breite Lohnerhöhungen. Die Produktionskapazitäten sind von voller Auslastung weit entfernt. Hohe Lohnsteigerungen weit über der Inflation und der zu erwartenden Produktivitätssteigerung sind nirgendwo im Euro-Raum in Sicht. Wäre dem so, könnte die Maßnahme der Leitzinserhöhung tatsächlich durch eine bewusst herbei geführte Abkühlung der Konjunktur die Inflation dämpfen.
Die Voraussetzungen sind dafür aber gar nicht gegeben, wie der deutsche Ökonom Heiner Flassbeck auf seinem Blog ausführt. Die Inflation entsteht durch die von den Sanktionen ausgelösten Preissteigerungen im Bereich Energie. Auf diese aber haben Zinsschritte der EZB keinerlei Einfluss. Die Preissteigerung wurde durch politische Entscheidungen ausgelöst und kann auch nur durch politische Entscheidungen wieder korrigiert werden. Doch von dieser Einsicht ist das politische Berlin noch ganz weit entfernt.
Obwohl immer deutlicher wird, dass das Sanktionsregime die deutsche Wirtschaft in ihrem Kern nachhaltig schädigt, ist die deutsche Politik nicht willens, Korrekturen vorzunehmen. Dabei drohen durch die wirtschaftlichen Rückwirkungen der Sanktionen massive gesellschaftliche Verwerfungen.
Das jetzt von der Bundesregierung beschlossene Entlastungspaket ist im Umfang zu gering, um die Belastungen der Bürger vollständig aufzufangen. Zudem kommen die Maßnahmen sehr spät, der überwiegende Teil nicht vor dem Jahr 2023. Lediglich die Einmalzahlung von 300 Euro für Arbeitnehmer und Selbständige kommt voraussichtlich noch in diesem Jahr. Dass das Entlastungspaket in der Lage ist, den wachsenden Unmut über steigende Energiepreise und den damit verbundenen Kaufkraftverlust abzumildern, kann daher bezweifelt werden.
In dieser Situation noch eine weitere Front im globalen Wirtschaftskrieg zu eröffnen, erscheint daher maximal unklug. Dessen ungeachtet bereitet man in Berlin natürlich genau das vor. Das Auswärtige Amt erarbeitet gemeinsam mit dem Wirtschaftsministerium eine China-Strategie, die konfrontativ angelegt ist. Hermes-Bürgschaften, die deutsche Investitionen in China absichern, sollen reglementiert werden. Insgesamt ist es das Ziel, das deutsche Wirtschafts-Engagement in China grundsätzlich zu überprüfen und zurückzufahren. Gleichzeitig sollen Firmenübernahmen durch chinesische Unternehmen in Deutschland erschwert werden. Dass diese Maßnahmen von China unbeantwortet bleiben, ist unwahrscheinlich. Dabei ist China für Deutschland der wichtigste Handelspartner. Die wirtschaftspolitischen Strategien der Bundesregierung haben suizidalen Charakter.
Überdies droht auch in Europa Ungemach. Der Brexit-Streit flammt erneut auf. Großbritannien möchte das Nordirland-Protokoll neu verhandeln, denn es erweist sich als unpraktikabel und sorgt für Spannungen in Irland. Die EU signalisiert jedoch kein Entgegenkommen. Wie der außenpolitische Blog German-Foreign-Policy schreibt, werden im EU-Parlament Forderungen nach Sanktionen laut. Ein Handelskrieg mit Großbritannien ist nicht mehr ausgeschlossen – er käme zum denkbar unpassendsten Zeitpunkt.
Der deutschen Wirtschaft und der deutschen Gesellschaft stehen schwere Zeiten bevor. Worüber in diesem Zusammenhang noch gar nicht gesprochen wurde, sind erneute Corona-Beschränkungen im Fall steigender Zahlen positiv Getesteter.
Wichtig ist dabei allerdings, dass all die hier aufgezählten Probleme eine politische Ursache haben. Die Sanktionen sind nicht vom Himmel gefallen, sondern politisch entschieden worden. Wenn sie sich nicht als zweckdienlich, sondern sogar als schädlich erweisen, können sie auch politisch korrigiert werden. Von dieser Einsicht ist die Bundesregierung jedoch himmelweit entfernt.
Sie vertraut darauf, dass die Sanktionen ihre schädliche Wirkung "mittelfristig" auch in Russland entfalten und Russland schließlich so zum Einlenken im Ukrainekonflikt bewegen. Beweisen lässt sich diese Annahme natürlich nicht. Im Gegenteil sehen die makroökonomischen Daten für Russland ziemlich solide aus. Der Weggang ausländischer Unternehmen hat nicht zu einem signifikanten Anstieg der Arbeitslosenzahlen geführt, das Einfrieren russischer Devisen führte nicht zum Staatsbankrott, die Staatsverschuldung Russlands ist nach wie vor eine der niedrigsten der Welt. Im Gegenteil führte die Antwort Russlands auf die Sanktionen dazu, dass der Rubel zu einer starken Währung wurde, während der Euro verfällt. Dank der hohen Energiepreise sind die Einnahmen Russlands so hoch wie nie und der zwischenstaatliche Handel mit Ländern außerhalb des westlichen Bündnisses weitet sich aus.
Woher sich der Glaube speist, im nächsten oder übernächsten Monat, nach dem nächsten oder übernächsten Sanktionspaket könnten die Sanktionen zu einem massiven wirtschaftlichen Verfall Russlands führen, bleibt ein Geheimnis der Bundesregierung und derjenigen, die sich in immer größerer Verzweiflung an diesen Glauben klammern. Fakt ist: Die Sanktionen sind gescheitert. Sie schaden der deutschen Wirtschaft und den Bürgern in Deutschland weit mehr als Russland.
Das Beharren auf den Sanktionen und der Plan einer Ausweitung des Wirtschaftskrieges in Richtung China ist daher verantwortungslos gegenüber der eigenen Bevölkerung. Der makroökonomische Schock, dem Deutschland in diesem Herbst ausgesetzt wird, ist politisch gemacht – vor allem aber, er könnte vermieden werden. Hohe Energiepreise und die damit einhergehende Inflation ließen sich sofort und unmittelbar bekämpfen, wenn mit Russland über die geforderten Sicherheitsgarantien und den künftigen Status der Ukraine verhandelt werden würde. Mit der Inbetriebnahme von Nord Stream 2 würden die Preise für Gas und Energie unmittelbar fallen.
Es bedarf der dringenden Einsicht, dass Deutschland und die EU ihre wirtschaftliche Potenz weit überschätzt haben. Es ist an der Zeit, die aus dieser Fehleinschätzung hergeleiteten Maßnahmen zu korrigieren. Stattdessen aber beharrt die Bundesregierung auf deren Beibehaltung, ohne damit die gesteckten Ziele erreichen zu können, vor allem aber zum Schaden der Bürger und auf Kosten des Wirtschaftsstandorts Deutschlands.
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