Scheinberichte über "Scheinreferenden" – deutscher Energiemanager soll Job verlieren
Von T. J. Wellbrock
Wie erkennt man ein Scheinreferendum? Am besten, indem man sich vor Ort selbst ein Bild macht. Papier ist bekanntlich geduldig, und so liegt es nahe und kann als Sorgfalt bezeichnet werden, wenn Wahlbeobachter in das betroffene Gebiet geschickt werden. Russland hatte dazu auch explizit eingeladen. Gilt die Sorgfalt jedoch nicht der Sache an sich, sondern dem eigenen Narrativ, verschieben sich die Prioritäten.
Eine Mail an den NDR
Kürzlich hörte ich im Autoradio, ndr.info. Zu meiner Überraschung sagte der Moderator, dass es keine Möglichkeit gebe, ausländische Beobachter zu den in der Ukraine durchgeführten Referenden zu schicken. Da ich selbst eingeladen wurde, als Wahlbeobachter in den Donbass zu reisen, diese Einladung aber aus beruflichen Gründen ablehnen musste, schrieb ich eine Mail an die Redaktion von ndr.info, in der ich auf diese offenkundige Falschmeldung hinwies und eine Richtigstellung forderte. Antwort erhielt ich auch. Ein NDR-Redakteur schrieb mir:
"Sehr geehrter Herr Wellbrock,
vielen Dank für Ihre Mail. Sie haben recht, es gäbe wahrscheinlich die Möglichkeit einen Reporter in die von Russland besetzten Gebiete in der Ukraine zu schicken. Aber dadurch würden wir die Rechtmäßigkeit der Referenden anerkennen. Und das kann auch nicht in Ihrem Sinne sein."
Das ist interessant. Der Redakteur räumte ein, dass es wohl möglich wäre, Reporter in die Ukraine zu schicken, der NDR daran aber kein Interesse habe, da ein solcher Schritt mit der Anerkennung der "Scheinreferenden" gleichzusetzen wäre.
Was aber mache ich als Zuhörer des Senders, wenn ich von dieser sehr eigenwilligen Haltung des NDR nichts weiß? Ich gehe – weil ich ja an die Seriosität des NDR glaube – davon aus, dass Wahlbeobachter keine Möglichkeit haben, die Referenden zu beobachten.
Entsprechend fiel meine Antwort an den NDR aus:
"Sehr geehrter Herr Hagen, der Punkt ist nicht,
was Sie oder ich wollen.
Es geht um eine Aussage – dass keine Möglichkeit besteht, die Referenden zu beobachten –, die faktisch falsch ist.
Unabhängig von der Bewertung der Referenden gehört zu einer objektiven Berichterstattung, dass gesagt wird, was den Tatsachen entspricht.
Wenn Sie Ihre Berichterstattung wertend gestalten möchten, müssten Sie darauf hinweisen, dass Besuche der Referenden nicht in Ihrem Sinne sind.
Mein Anliegen bleibt also weiterhin bestehen.
MfgT. J. Wellbrock"
Eine weitere Antwort erhielt ich nicht und mache diesen Fall daher, wie in meiner ersten Mail an den NDR angekündigt, publik.
Bisher bin ich davon ausgegangen, dass der Job von Wahlbeobachtern darin besteht, Wahlen oder ähnliche Vorgänge zu beobachten. Das scheint mir durchaus schlüssig zu sein, denn wenn man sich von einem Vorgang ein Bild machen will, scheint die Anwesenheit entsprechender Personen als ein recht probates Mittel.
Um es weniger zynisch zu formulieren: Für den NDR besteht diese Notwendigkeit offensichtlich nicht, denn wie die Referenden ablaufen, hat der Sender bereits entschieden. Und das ganz ohne Reporter, die sich alles vor Ort hätten ansehen können.
Referenden in der Ukraine: Alles "Schaller" und Rauch
Der Geschäftsführer des nordhessischen Versorgers Energie Waldeck-Frankenberg (EWF), Stefan Schaller, gehört wohl zu denen, die sich gern selbst einen Eindruck verschaffen wollen. Er reiste also als Wahlbeobachter in die Ukraine. Derweil passierte daheim Unglaubliches. Landrat Jürgen van der Horst teilte nicht nur Folgendes mit:
"Die erzwungenen Referenden Russlands in der Ukraine sind heuchlerisch und völkerrechtswidrig und ein Vorwand, um sich die von Russland besetzten Gebiete in der Ukraine zu eigen zu machen. Diese rechtswidrige Annexion verurteilen wir aufs Schärfste."
Er kündigte zudem an, dass Schaller "von seinen Aufgaben freigestellt" werden solle. Die endgültige Entscheidung soll am heutigen Montag, den 26. September 2022 fallen, und es ist für den Wahlbeobachter zu hoffen, dass die Veröffentlichung seines Falls das Schlimmste verhindern kann.
Als schlicht unverschämt, unerhört, unverfroren und ohne jede Empathie muss man die Erklärung Schallers bewerten, der seine Reise so begründete:
"Ich wollte mir vor Ort ein Bild von der Situation machen. Auch weil ich glaube, dass objektive Informationen nie falsch sein können."
Wie kann er nur! Die Zeiten objektiver Bilder sind vorbei, und zwar nachhaltig. Seinen Ärger kaum verstecken konnte auch der (immer noch!) scheidende ukrainische Botschafter in Deutschland, Andrei Melnyk. Er meldete sich am letzten Samstag mit folgenden Worten:
"Ich appelliere an den Landrat von Waldeck-Frankenberg als Aufsichtsratsvorsitzender von EWF: Herr van der Horst, schmeißen Sie Stefan Schaller, der dem russischen Aggressionskrieg Beihilfe leistet, sofort raus."
Scheinberichte in deutschen Medien
Wir lernen: Die Einordnung von Vorgängen, an denen man selbst nicht beteiligt ist und zu denen man auch kein Personal schickt, um eine solche Einordnung vorzunehmen, wird also vom Schreibtisch aus gefällt. Es reicht ja auch, wenn irgendjemand irgendwo in der Ukraine sagt, das sei alles Humbug, diese Referenden seien nur Schein.
Der Mainstream bedankt sich artig für solche Vorlagen und schreibt empört, dass russische Soldaten von Haustür zu Haustür gehen, um die Menschen im Donbass – übrigens immer noch die Menschen, die seit mehr als acht Jahren mit Befehl aus Kiew getötet und mit Bomben in Angst und Schrecken versetzt werden – mit vorgehaltener Waffe zum Abstimmen im russischen Sinne zwingen.
Am Ende fällt die Bilanz deutscher Medienarbeit einmal mehr desaströs aus. Es wird geschrieben, was das Zeug hält, man überbietet einander. Fakten spielen dabei jedoch keinerlei Rolle.
Dank Herrn Hagen vom NDR wissen wir das jetzt auch endgültig.
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Am 24. Februar kündigte der russische Präsident Wladimir Putin an, gemeinsam mit den Streitkräften der Donbass-Republiken eine militärische Spezialoperation in der Ukraine zu starten, um die dortige Bevölkerung zu schützen. Die Ziele seien, die Ukraine zu entmilitarisieren und zu entnazifizieren. Die Ukraine spricht von einem Angriffskrieg. Noch am selben Tag rief der ukrainische Präsident Wladimir Selenskij im ganzen Land den Kriegszustand aus.
Der Westen verurteilte den Angriff, reagierte mit neuen Waffenlieferungen, versprach Hilfe beim Wiederaufbau und verhängte Sanktionen gegen Russland.
Auf beiden Seiten des Konfliktes sind zahlreiche Soldaten und Zivilisten getötet worden. Moskau und Kiew haben sich gegenseitig verschiedener Kriegsverbrechen beschuldigt. Tausende Ukrainer sind mittlerweile aus ihrer Heimat geflohen.