Dokumenten-Leak der Bundesregierung: Es gibt ihn doch, den großen Plan
Von Tom J. Wellbrock
Mediale Aufmerksamkeit wird das geleakte Papier der Bundesregierung wohl nicht erzeugen, spielen doch die Medien selbst eine gewichtige Rolle bei dem, was man nun nachlesen kann.
Damals, als ein Papier bekannt wurde, das die bewusste Angsterzeugung in der ersten Phase der Corona-Episode belegte, erbarmten sich noch einige Medien, kurz und schmerzlos darüber zu berichten. Enthusiasmus sieht zwar anders aus, aber ein paar Tage lang wurde die Tatsache thematisiert, dass etwa Kindern gezielt Angst gemacht werden sollte. Weil sie – so lautete die Vorgabe – für den möglichen Tod ihrer Großeltern verantwortlich sein könnten, wenn sie nicht gehorchten und täten, was ihnen aufgetragen wurde.
Wie wir wissen, hatte das Papier keine Konsequenzen. Im Gegenteil, die öffentlich gewordene To-do-Liste der Angsterzeugung und der Repressalien wurde einfach weiter abgearbeitet. Es schien, als habe es das Papier nie gegeben. Das jetzt von den NachDenkSeiten bekannt gemachte Dokument ist nicht weniger brisant, womöglich sogar noch drastischer.
Russische Desinformation, überall russische Desinformation!
Das Papier mit dem griffigen Titel "Laufende Aktivitäten der Ressorts und Behörden gegen Desinformation im Zusammenhang mit RUS Krieg gegen UKR" müsste ein Skandal sein, der die Daseinsberechtigung der gesamten Bundesregierung infrage stellen könnte. Denn es offenbart, dass nicht einfach nur auf eine üble Weise Stimmung gegen Russland gemacht werden soll. Vielmehr geht es um eine konzertierte Aktion, die bereits bei der Einflussnahme bei Kindern beginnt und irgendwo mitten in der Gesellschaft endet. Es gibt also faktisch niemanden, der sich der Propaganda entziehen kann.
Mit dem Wissen über dieses Papier ergibt die – im wahrsten Sinne – gleichgeschaltete Medienberichterstattung einen weiter gefassten Sinn, als bisher bekannt war. Denn es sind nicht mehr nur die Entscheidungen der Chefredaktionen, die zur eklatant eingefärbten Publikation von Berichten mit Russland-Bashing und Russophobie führen. Es ist vielmehr eine Art staatlicher Auftrag, der von den Auftragnehmern brav ausgeführt wird.
Beispiele ließen sich so viele anführen, dass sie den Rahmen dieses Textes sprengen würden. Aber ein gutes Beispiel ist das Format von Markus Lanz, das auf den vorderen Plätzen bei der Hetze und der Lüge steht. Kurz nach den Anschlägen auf die Nord-Stream-Pipelines führte Lanz ein Interview, das einem die Sprache verschlägt. Der Interviewte heißt Christian Mölling und ist Forschungsdirektor bei der "Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik".
Diese wiederum bedankt sich auf ihrer Webseite für die großzügigen Spenden des Auswärtigen Amtes, des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (BAMF), des Bundesministeriums für Verteidigung (BMVg), der Europäischen Kommission, der Friede Springer Stiftung und weiteren edlen Geldgebern.
Bei Lanz wird Mölling bemüht neutral als Politikwissenschaftler und Experte für Sicherheitspolitik vorgestellt. Und was er zu sagen hat (bei entsprechend suggestiver Fragestellung von Lanz), unterstreicht die Bedeutung und die Wirksamkeit des geleakten Papiers der Bundesregierung. Mit keinem einzigen Wort erwähnen Lanz und Mölling die Möglichkeit, dass in erster Linie die USA ein Interesse an der Sabotageaktion gegen die Pipelines haben. Als einziger Staat, der für die Sabotage verantwortlich gemacht werden kann, wird Russland genannt. Mit "Argumenten" übrigens, die so sehr an den Haaren herbeigezogen sind, dass man fürchten muss, die Gesprächsteilnehmer könnten bewusstseinserweiternde Substanzen genommen haben, bevor sie sich zu ihrem Gespräch trafen.
Und genau darum geht es ja. Das geleakte Papier zeigt umfassend auf, dass das Narrativ der "russischen Desinformation" lang und breit in Gesellschaft, Politik und Medien etabliert werden soll. Mit Erfolg, wie es im Papier heißt, denn so sei beispielsweise die Etablierung des Begriffes "Task Force gegen Desinformation" bereits gelungen. Desinformation – das ist selbstredend ausschließlich russische Desinformation.
Das Schweigen der Medien
Der auf den NachDenkSeiten erschienene Artikel über den Whistleblower und seine Informationen zu staatlich angeordneter Propaganda und Desinformation fand bisher faktisch kein Medienecho. Kein Wunder, spielen doch die Medien bei der Verbreitung staatlicher Propaganda eine herausragende Rolle. Durch nahezu alle Medien und Formate (wenige Ausnahmen können das Narrativ kaum beeinflussen) zieht sich der Faden der Meinungsmache, die nicht die geringste Rücksicht auf Fakten, Fairness und Ausgewogenheit nimmt. Und einmal mehr wird die Unschuldsvermutung nicht nur mit Füßen getreten, sondern schlicht ignoriert. Seit "Butscha" und unzähligen anderen Beispielen der letzten Jahre wissen wir, dass die Verurteilung eines "Täters" durch die "Medienrichter" keiner Beweisaufnahme bedarf. Wer der Täter für was auch immer ist, wird einfach entschieden, publiziert und als Beweisführung proklamiert.
Das Schlimme an dieser Vorgehensweise ist die Tatsache – und somit sind die Medien nicht nur ignorant, sondern selbst Täter –, dass niemand mehr da ist, der sie hinterfragt, der sie kritisiert, recherchiert und entsprechende Medienstücke publiziert. Im Gegenteil, wer es wagt, auch nur Millimeter von den Vorgaben abzuweichen, läuft Gefahr, diffamiert, beleidigt, verurteilt und seiner beruflichen Existenz beraubt zu werden.
Man muss sich bewusst machen: In Gefahr ist jeder, der nicht so denkt, wie es erwartet wird. Das geleakte Papier ist also nicht nur die Enthüllung einer manipulativen Politik. Es steht auch für die Diffamierung und Bestrafung abweichender Meinungen. In diesem Zusammenhang bekommen Kontosperrungen, Videolöschungen, Kanalabschaltungen und mediale Hetzjagden auf Andersdenkende eine völlig neue Bedeutung. In immer mehr Fällen müssen sich Menschen auf harte Konsequenzen gefasst machen, die einem Verhalten oder Denken folgen, das weder illegal noch sonst wie sanktionsfähig wäre, würde man die Begriffe Demokratie, Meinungs- und Pressefreiheit ernst nehmen.
Nur die Spitze des Eisberges
Das geleakte Papier der Bundesregierung sei laut dem Whistleblower, der es den NachDenkSeiten zugespielt hat, nur die Spitze des Eisberges. Die Öffentlichkeit mache sich keine Vorstellung davon, was noch alles im Hintergrund laufe. Wörtlich sagte der Whistleblower gegenüber den NachDenkSeiten:
"In meinen Augen ist es ein Blick in den Abgrund der gebündelten Aktivitäten einer horizontalen (ressort-übergreifenden) und vertikalen Integration moderner Staatspropaganda. Von den Ministerien und ihren Partnerschaften mit transatlantischen Denkfabriken wie dem ISD bis hinab in die Presse, 'Faktenchecker', Social Media, 'Multiplikatoren', 'kritische Zivilgesellschaft' und so weiter. Selbst vor der Einbindung von Schulen und Kindern im Grundschulalter machen Sie nicht halt."
Die Diffamierung und Kriminalisierung von Menschen – ganz ohne sachliche Grundlage und juristische Tatbestände – hat also eine neue Stufe erreicht. Und sie reicht tief hinein in Politik, Gesellschaft und Medien. Das dünne Eis der Demokratie, auf dem wir schon lange stehen, knirscht inzwischen nicht mehr nur. Es hat erhebliche Risse, man könnte aufgrund der aktuellen Ereignisse auch sagen: Lecks. Und die sind ziemlich sicher irreparabel.
Tom J. Wellbrock ist Autor und Texter. Er betreibt den Blog Neulandrebellen.
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