Wer wird die neuen Grenzen Russlands anerkennen?
Von Dmitri Bawirin
Die Antwort auf die Frage, welches der unabhängigen Länder die neuen Grenzen der Russischen Föderation in absehbarer Zeit offiziell anerkennen wird, ist sehr einfach, wenn auch ungenau: nahezu keines, doch das ist unwichtig.
Wahrscheinlich wird es Ausnahmen geben – und wir werden Sie darüber informieren, doch wir können diese Länder bereits jetzt einkreisen. Da ist Syrien, dessen Volksvertreter für eine andere militärische Spezialoperation gegenüber Moskau dankbar sind. Es sind Nordkorea und Venezuela, die hinsichtlich Sanktionen nichts zu verlieren haben, aber stets gegen die USA vorgehen wollen. Und Abchasien und Südossetien, mehr oder weniger von demselben Klub der Länder anerkannt.
Die Übrigen werden sich der Stimme enthalten, einschließlich der engsten Verbündeten. Im Falle des Präsidenten Weißrusslands Alexander Lukaschenko ist immer noch nicht ganz klar, ob er die Krim als Teil Russlands anerkannt hat oder ob die Krim stillschweigend als Teil Russlands ohne Anerkennung durch Weißrussland existiert.
Die Anerkennung/Nichtanerkennung dieser Art ist weitgehend reine juristische Kasuistik. Armenien kämpfte zweimal mit Aserbaidschan um Karabach und gewann einmal, hat aber weder damals noch heute dessen Unabhängigkeit anerkannt.
Die Vereinigten Staaten drohen China mit einer militärischen Intervention im Falle eines Übergriffs auf Taiwan, erkennen Taiwan jedoch als Teil der Volksrepublik China an.
"Kosovo je Srbija" gilt in der russisch-serbischen Freundschaft als Kennwort – und wird es auch bleiben. Uns und der Mehrheit der Serben ist jedoch klar, dass Belgrad die Kontrolle über das Kosovo nicht zurückgewinnen wird. Sechs Millionen Serben können zwei Millionen Albaner nicht kontrollieren, wenn diese bereit sind, Widerstand zu leisten, auch unabhängig von der Haltung der USA. Dieser Krieg ist bereits verloren.
Der serbische Präsident Aleksandar Vučić hat übrigens im Voraus verkündet, dass er die Plebiszite in der DVR, der LVR und den Gebieten Saporoschje und Cherson nicht anerkennen werde, da er nicht gewillt sei, einen vergleichbaren Präzedenzfall wie im Kosovo zu bestätigen. Eine entgegengesetzte Haltung nahm der Führer der bosnischen Serben Milorad Dodik ein, denn er benötigt einen gegenteiligen Präzedenzfall und eine Trennung von Bosnien- Herzegowina. Noch aber ist die Republika Srpska kein souveräner Staat, obwohl sie viele Attribute der Souveränität besitzt.
Im Allgemeinen denkt jeder zuerst an sich selbst. Und der Grundgedanke fast aller Staaten der Welt ist es, die eigene territoriale Integrität vor internen Separatisten und externen Eingriffen zu schützen. Man will bei anderen nicht fördern, was man selbst zu erleiden fürchtet.
Die USA sind eine Atommacht, die schon lange jegliche Furcht verloren hat und sich daher bereitwillig an Experimenten zur Spaltung anderer Länder beteiligt, sei es Jugoslawien oder Syrien. Denjenigen, die ihre Politik nachahmen, garantieren sie ihren Schutz vor Übergriffen. Aber selbst in ihrem Fall ist die Frage der offiziellen Anerkennung oder Nichtanerkennung nicht so bedeutend, dass sie das loyale Spanien (es hat Angst, Katalonien und das Baskenland zu verlieren) oder das fanatisch ergebene Rumänien (es fürchtet um Siebenbürgen) zur Anerkennung des Kosovo zwingen würden.
Gleichermaßen wird Moskau gegenüber seinen Verbündeten eine wohlwollende Ruhe bewahren, wenn seine neuen Grenzen nicht in irgendeiner offiziellen Form anerkannt werden. Für uns ist es wichtig, dass sie de facto anerkannt werden. Das heißt, dass sie nicht von fremden Truppen angerührt werden, und die De-jure-Anerkennung kann warten.
Die Erwartungen Russlands an das Verhalten seiner Partner laufen auf das Verbot der Einmischung und der Unterstützung seiner Feinde in Kiew oder Washington hinaus. Dabei sind sie nicht verpflichtet, sich auf Probleme (z. B. US-Sanktionen) einzulassen, nur weil wir ein gewisses Maß an externem Respekt benötigen. Russland ist seiner eigenen Stärke durchaus sicher.
Der gegenwärtige Prozess der Neugestaltung der Grenzen liegt im besonderen nationalen Interesse Russlands. Dieses ist so besonders und so national, dass es einfach niemanden hat, mit dem es die Kosten für seine Sicherung teilen kann, was jedoch auch nicht nötig ist, denn diese Umgestaltung wird höchstwahrscheinlich nicht die letzte sein.
Eine solche Ausrede könnte wie eine Selbstrechtfertigung des Fuchses [aus der Fabel] von Krylow wirken: Kaum kam er an die Trauben, erklärte er sie für zu grün. Es macht keinen Sinn zu bestreiten, dass die offizielle Anerkennung von – beispielsweise – Cherson als Teil Russlands die Barrieren für ausländische Investitionen in dieser Region beseitigen wird. Aber bevor dies geschieht (und es wird irgendwann in der Zukunft geschehen), müssen wir das aktuellere und globale Problem der Ukraine lösen, deren Führung immer noch beabsichtigt, diese Gebiete mit militärischen Mitteln zurückzuholen.
Davon, wie schnell, effizient und zuverlässig es gelöst wird, hängt von der Anerkennung der neuen Grenzen durch Drittländer ab – nicht durch den Westen, sondern durch den Osten. Man wird diese Grenzen zunächst behaupten müssen, aber im Osten versteht man es zu warten.
In diesem Zusammenhang stellt sich eine weitere Frage: Wozu bedurfte es dann überhaupt Volksabstimmungen, die in einer Reihe von Bevölkerungszentren unter Kriegsbedingungen durchgeführt werden mussten? Weshalb war es nötig, zusätzliche Risiken zu schaffen, wenn selbst in den Dokumenten der Verbündeten diese Gebiete auf unbestimmte Zeit Teil der Ukraine bleiben werden? Schon jetzt ist alles klar – ohne Bürokratie und Augenwischerei.
Die Antwort ist ebenfalls sehr einfach – und es liegt nicht daran, dass der amtierende russische Präsident ein Jurist ist (obwohl auch das stimmt).
Diese Referenden wurden weder für die USA noch für die Ukraine, China oder Serbien abgehalten. Sie sind aber auch keine Formalität, die manche für obligatorisch erachten (was nicht der Fall ist; im Kosovo gab es zum Beispiel kein Referendum).
Diese Geschichte handelt überhaupt nicht von externen Beobachtern, sondern einzig und allein von uns – den "alten" und "neuen" Russen.
Es ist ein Gespräch mit unseren neuen Landsleuten über unsere gemeinsame Zukunft. Hier geht es um den integralen Aufbau eines Landes auf der Grundlage eines Vertrages, nicht um eine Forderung, Teil dieses Landes zu werden. In der Tat, starke Imperien, einschließlich des amerikanischen Imperiums mit seiner Hauptstadt Washington, erlauben sich Derartiges oft – und zerfallen danach unverbindlich. Der Donbass, Saporoschje und Cherson sind jedoch keine Kolonien – sie sind Teil des historischen Russlands und werden von Menschen bewohnt, die man hier bereits früher für Landsleute gehalten hat.
In vielerlei Hinsicht sind sie es immer noch, wovon nicht nur die russische Sprache zeugt, sondern auch die russische (nicht ukrainische) Wahrnehmung der gemeinsamen Geschichte, deren Helden Peter der Große und Schukow sind, nicht Masepa und Bandera. Allerdings sollten wir uns auch nichts vormachen: Mehr als 30 Jahre des Lebens in verschiedenen Staaten mit unterschiedlichen Medien und unterschiedlichen Lehrplänen tragen dazu bei, dass Unterschiede entstehen.
Ein Zusammenraufen unter starkem, auch militärischem Druck von außen steht uns noch bevor, und das Plebiszit ist ein Prolog zur Wiederaufnahme des allgemeinen Flusses der Geschichte.
Wie lange dieser andauern wird und ob er wieder durchbrochen werden kann, hängt nur geringfügig von der Akzeptanz der Form unserer Beziehungen durch andere Länder ab. Sondern vor allem – von uns selbst.
Mehr zum Thema – Scott Ritter: Nach Beitritt der Volksrepubliken zu Russland befindet sich die NATO in einem Dilemma
Übersetzt aus dem Russischen.
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Am 24. Februar kündigte der russische Präsident Wladimir Putin an, gemeinsam mit den Streitkräften der Donbass-Republiken eine militärische Spezialoperation in der Ukraine zu starten, um die dortige Bevölkerung zu schützen. Die Ziele seien, die Ukraine zu entmilitarisieren und zu entnazifizieren. Die Ukraine spricht von einem Angriffskrieg. Noch am selben Tag rief der ukrainische Präsident Wladimir Selenskij im ganzen Land den Kriegszustand aus.
Der Westen verurteilte den Angriff, reagierte mit neuen Waffenlieferungen, versprach Hilfe beim Wiederaufbau und verhängte Sanktionen gegen Russland.
Auf beiden Seiten des Konfliktes sind zahlreiche Soldaten und Zivilisten getötet worden. Moskau und Kiew haben sich gegenseitig verschiedener Kriegsverbrechen beschuldigt. Tausende Ukrainer sind mittlerweile aus ihrer Heimat geflohen.