Was Algeriens Mitgliedschaft für BRICS bedeutet
Von Alexander Männer
Die Vereinigung BRICS, bestehend aus Brasilien, Russland, Indien, China und Südafrika, gehört aktuell zu den perspektivreichen Kooperationsformen der Welt und strebt unlängst ihre Erweiterung an. Diese Staatengruppe steht für Multilateralismus und eine gerechtere Wirtschaftsordnung – ein neuer Weg und eine Alternative zur globalen US-Hegemonie, der sich zahlreiche Länder anschließen wollen.
Nachdem bereits Argentinien und der Iran Ende Juni ihre Aufnahmeanträge eingereicht hatten, brachten sich auch Ägypten, Saudi-Arabien und die Türkei als mögliche Beitrittskandidaten ins Gespräch. Jedoch passierte in dieser Frage bislang wenig.
Dafür bemüht sich nun ein anderes Land offiziell um eine Aufnahme in der Vereinigung: Wie Medien am Montag berichteten, soll Algerien einen Antrag auf Beitritt zu BRICS gestellt haben. Laut einer Mitteilung des algerischen Außenministeriums hat das Land alle notwendigen Maßnahmen für die Mitgliedschaft in der Gemeinschaft getroffen.
Dass die Demokratische Volksrepublik Algerien durchaus ernsthafte Ambitionen auf einen Beitritt hegte, wurde unter anderem bei dem diesjährigen BRICS-Gipfel im Juni deutlich, an dem das nordafrikanische Land als Beobachter teilnahm. Der algerische Präsident Abdelmadjid Tebboune hatte damals deutlich gemacht, dass Algerien als "Pionier des Blockfreiheitsprinzips" an einem Beitritt zu BRICS interessiert sei und sich schon bald für die Mitgliedschaft qualifizieren werde. Tebboune sagte bei der Konferenz:
"Unsere Erfahrungen aus der Vergangenheit haben uns gezeigt, dass das Ungleichgewicht auf der internationalen Bühne und die Marginalisierung der Schwellenländer in den internationalen Gremien Quellen der Instabilität, des Mangels an Gleichheit und der fehlenden Entwicklung sind."
Algeriens Beitrag zu BRICS
Da die algerische Führung die Idee von einer neuen und gerechteren Weltordnung offensichtlich teilt, ist der Beitritt zu BRICS inmitten der globalen Unsicherheiten aus ihrer Sicht absolut pragmatisch und folgerichtig. Aber was würde Algeriens Mitgliedschaft für die Staatengruppe selbst bedeuten?
Grundsätzlich ist anzumerken, dass Algerien über viel politisches und wirtschaftliches Potenzial verfügt. Mit zirka 43 Millionen Einwohnern ist es flächenmäßig der größte Staat Afrikas und der zehntgrößte Staat der Welt. Mit einem Bruttoinlandsprodukt von 170 Milliarden US-Dollar und einem Pro-Kopf-Einkommen von knapp 4.000 Dollar gehört Algerien eher zu den reicheren Ländern des afrikanischen Kontinents. Im globalen Index für Wettbewerbsfähigkeit von 2019 belegte es allerdings nur den 89. Platz unter 140 Ländern.
Nicht zu vergessen ist, dass Algerien zu den einflussreichsten der insgesamt 22 arabischen Staaten zählt, deren Stimme auf der internationalen Bühne immer mehr Gewicht bekommt. Auf dem kürzlichen Gipfeltreffen der Arabischen Liga in der Hauptstadt Algier konnte Algerien seinen Einfluss in der arabischen Welt offenbar vergrößern und macht inzwischen Saudi-Arabien den Führungsanspruch in der Vereinigung streitig. Die Aufnahme Algeriens in die BRICS-Gruppe würde in diesem Zusammenhang zweifellos sowohl die Position des nordafrikanischen Landes selbst als auch die der BRICS-Staaten verbessern.
Darüber hinaus ist Algerien sehr reich an Ressourcen und gilt in der Mittelmeerregion als einer der wichtigsten Exporteure für Erdöl und Erdgas. Das Land liefert über eine Pipeline nach Spanien allein etwa 12 Prozent des gesamteuropäischen Gasbedarfs und ist für die EU angesichts der Energiekrise auch als Öllieferant wieder gefragt. Im August berichtete das Handelsblatt über einen Algerien-Besuch des französischen Präsidenten Emmanuel Macron, der offenkundig neue Energiequellen für Europa erschließen will und Algerien daher als wichtigen künftigen Energielieferanten ansieht. Für Algier würde das nicht nur zusätzliche Einnahmen bedeuten, sondern auch mehr Einfluss im Mittelmeerraum. Daher sind gute Beziehungen zu einem Gasförderland heutzutage generell für jeden Akteur ratsam.
Enge Beziehungen zu Russland und China
Für BRICS ist Algerien aber auch deshalb interessant, weil es mit Russland bereits sehr eng im Rahmen der OPEC+ zusammenarbeitet und sein Vorgehen in diesem Bereich koordiniert. Diesbezüglich ist zu betonen, dass Algerien und Russland langjährige Handels- und Wirtschaftspartner sind, die ihren Handelsumsatz sogar trotz der seit 2014 bestehenden Sanktionen in dieser Zeit um mehr als das Dreifache steigern konnten. Auf dem 25. russisch-algerischen Wirtschaftsforum, das im April dieses Jahres in Sankt Petersburg stattfand, bekräftigten beide Länder die Bedeutung ihrer bilateralen Kooperation, die eine strategische Zusammenarbeit im Energiesektor, bei der Landwirtschaft und im Sicherheitsbereich umfasst. So ist Algerien nach Indien und China inzwischen der drittgrößte Importeur russischer Waffen, die etwa 80 Prozent des algerischen Kriegsgerätes ausmachen.
Aufgrund ihrer Russland-Politik hat die Führung in Algier bereits massive Kritik aus den Vereinigten Staaten auf sich gezogen. Laut Angaben von The North Africa Post haben 27 Mitglieder des US-Kongresses im September im Zusammenhang mit Algeriens Waffengeschäften mit Russland Sanktionen gegen Algier gefordert.
Abgesehen von Russland unterhält Algerien ebenfalls sehr enge Beziehungen zu China, das für Washington die größte zukünftige Herausforderung darstellt. Diese Beziehungen bekamen spätestens in der aktuellen Phase eine strategische Dimension, nachdem beide Seiten der Agentur Anadolu zufolge am 1. November einen fünfjährigen strategischen Kooperationspakt unterzeichnet haben. Zwischen ihnen bestand davor bereits eine umfangreiche wirtschaftliche Partnerschaft: Algerien beteiligt sich seit 2018 an Chinas "Belt and Road Initiative" und kooperiert mit Peking auch im Energiebereich. Politisch bekräftigen beide Seiten, unter anderem die Ziele und Grundsätze der Charta der Vereinten Nationen zu schützen und das Prinzip der Nichteinmischung in innere Angelegenheiten zu befolgen.
Ein BRICS-Beitritt Algeriens ist insofern zu begrüßen, da es im Kontext des Multilateralismus die westliche Hegemonie ablehnt und die Staatengruppe als eine "Alternative für mehr Ausgewogenheit in der Weltpolitik" betrachtet. Eine Aufnahme würde zusätzliche Herausforderungen für die Sanktionspolitik und die Versuche des Westens bedeuten, Russland oder China wirtschaftlich zu isolieren und die Weltwirtschaft weiter einseitig zu bestimmen.
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