Wo bleibt die Diplomatie? Keine Annäherung zwischen Russland und der Ukraine in Sicht
Eine Analyse von Rainer Rupp
Am 5. Januar hat der Verteidigungsminister der Ukraine Alexei Resnikow dem ukrainischen TV-Sender ICTV im Rahmen des Formats Telemarathon ein bemerkenswertes Interview gegeben, das vom Großteil der westlichen, selbst-erklärten "Qualitätsmedien" ignoriert wurde. Die russische Nachrichtenagentur Sputnik war die einzige Agentur, die die Kernaussage von Resnikow zur NATO und der ukrainischen Rolle in diesem Krieg in einemInterview (ab Min. 11:05) aufgegriffen hat. Dank Sputnik wissen wir inzwischen, dass der Ukrainer Resnikow und der Russe Nikolai Patruschew, seines Zeichens Sekretär des mächtigen Sicherheitsrats der Russischen Föderation, in einem wichtigen Punkt, nämlich dem Kriegsgrund in der Ukraine, übereinstimmen.
Schauen wir uns zuerst an, was der ukrainische Verteidigungsminister dazu äußerte: "Auf dem NATO-Gipfel in Madrid im Juni 2022 wurde deutlich hervorgehoben, dass die Russische Föderation in den kommenden zehn Jahren die größte Bedrohung für die Allianz sein würde. Heute ist die Ukraine dabei, diese Bedrohung der NATO zu beseitigen. Wir erfüllen heute die NATO-Mission. Sie, die NATO, ist es nicht, die ihr Blut vergießt. Wir vergießen unseres. Deshalb ist sie verpflichtet, uns mit den nötigen Waffen zu versorgen."
Anschließend steigerte sich Resnikow in die Erzählung hinein, dass seine "westlichen Partner" ihm ständig in Briefen und Telefongesprächen versicherten, dass die Ukraine "wie ein echter Schild die gesamte zivilisierte Welt, den ganzen Westen" gegen die Russen verteidigt. Er sagte, noch zu den Weihnachtsfeiertagen habe er von westlichen Verteidigungsministern Grußkarten und Textnachrichten mit diesbezüglichen Aussagen bekommen.
Weiter betonte Resnikow seine "absolute" Sicherheit über den kommenden NATO-Beitritt der Ukraine und sagte, er sei "überzeugt, dass dies eine absolut realistische Möglichkeit ist. (...) Natürlich werden wir bei dieser politischen Entscheidung keinen Konsens finden, solange wir nicht gesiegt haben. Das ist klar. Aber nach dem Sieg (über Russland), und nachdem eine Art Frieden eingekehrt ist, werden die NATO-Länder in erster Linie am Aufbau einer Sicherheitsarchitektur interessiert sein. Sie (die NATO-Länder) haben ihre eigenen Schwachstellen erkannt, sie haben gesehen, wer stark und mächtig ist. Heute unterrichten sie uns, aber morgen werden unsere Offiziere, Unteroffiziere und sogar gewöhnlichen Soldaten ihnen beibringen, wie man gegen die Russen kämpft. Russland bleibt eine der Bedrohungen für die NATO und für Europa insgesamt".
Am 10. Januar hat die britische NachrichtenagenturReuters berichtet, dass das führende Mitglied der russischen Regierung für internationale Sicherheitsfragen, Nikolai Patruschew, der Kernaussage des ukrainischen Verteidigungsministers Resnikow zustimmt.
Im Westen wird Nikolai Patruschew als einer der größten Hardliner im direkten Umfeld von Präsident Putin angesehen, der die Entscheidung auf dem Schlachtfeld und den russischen Sieg in der Ukraine versprochen hat. Denn Patruschew, wie inzwischen fast alle Russen, hat nach den öffentlichen Eingeständnissen des ehemaligen französischen Präsidenten Hollande und Ex-Kanzlerin Merkel, dass sie mit der Minsk-II-Vereinbarung Russland belogen und betrogen haben, kein Vertrauen mehr in westliche Versprechen und Verträge.
Merkel und Hollande haben sich jüngst sogar gebrüstet, dass es ihnen gelungen sei, die Russen mit Minsk II hinters Licht zu führen, nur um für die Ukraine Zeit zu schinden, die der Westen nutzte, um die anti-russischen Fanatiker dort über acht Jahre hinweg bis an die Zähne zu bewaffnen, um sie dann gegen den Donbass zu hetzen. Dadurch war ein militärisches Eingreifen Russlands absolut sicher und man hatte es dort, wo man es haben wollte: als schuldige Partei, die einen Krieg angefangen hat. Vor diesem Hintergrund setzen die Russen nicht mehr auf Diplomatie mit dem Westen, sondern sie suchen die Entscheidung nur noch auf dem Schlachtfeld, wo sie ihrem Mut, Können und ihrer eigenen Kraft vertrauen, ohne dem Westen auch nur noch eines Blickes zu würdigen.
Als besagter Patruschew am 10. Januar um eine Stellungnahme zu dem Interview von Resnikow gebeten wurde, sagte er laut Reuters: "Die Ereignisse in der Ukraine sind kein Zusammenstoß zwischen Moskau und Kiew – dies ist eine militärische Konfrontation zwischen Russland und der NATO und vor allem mit den Vereinigten Staaten und Großbritannien, sagte Patruschew gegenüber der russischen Zeitung Argumenty i Fakty."
"Die Pläne des Westens sind, Russland aufzuspalten, und es schließlich vollkommen von der politischen Landkarte der Welt verschwinden zu lassen", sagte Patruschew. Auch Kremlsprecher Dmitri Peskow stimmte Patruschew zu und betonte seinerseits, dass die NATO und vor allem die Vereinigten Staaten längst Teil des Ukraine-Konflikts sind: "De facto sind sie bereits zu einer indirekten Partei in diesem Konflikt geworden. Sie versorgen die Ukraine mit Waffen, Technologien, Geheimdienstinformationen und so weiter", äußerte sich Peskow auf einer Pressekonferenz.
In diesem Zusammenhang sollte man sich zwei Artikel von Newsweek ansehen, in denen der ukrainische Botschafter in Großbritannien, Vadym Prystaiko, demonstriert, wie durchgedreht und realitätsfern die Chefetage der ukrainischen Diplomatie nach Pipi-Langstrumpf-Methode sich die Welt zurechtlegt:
Prystaiko, der zuvor als Außenminister der Ukraine, Botschafter in Kanada und Vertreter bei der NATO in Brüssel tätig war, sagte Newsweek in einem am 10. Januar veröffentlichten Interview, dass "die intensive Unterstützung für und die wachsende Zusammenarbeit der NATO mit der Ukraine bedeutet", dass es nur "logisch" ist, dass "seine Nation dem transatlantischen Bündnis beitreten wird". Es sei "albern, etwas anderes vorzutäuschen." Weiter führte er aus: "Unser Dialog mit dem Rest der Welt – zumindest der westlichen Welt – sollte sehr einfach sein. Die Ukraine gewinnt, wird Mitglied der Europäischen Union und der NATO. Und das war's."
In einem anderen am 7. Januar veröffentlichten Interview mit Newsweek erklärte Prystaiko: "Der Westen hat jetzt eine einzigartige Chance. Es gibt nicht viele Nationen auf der Welt, die es sich erlauben würden, so viele Menschenleben, Territorien und Jahrzehnte der eigenen wirtschaftlichen Entwicklung zu opfern, nur um den Erzfeind zu besiegen." Er fuhr fort: "Ich verstehe das Problem des russischen Atomarsenals, dass sie am Ende den Knopf drücken und den ganzen Planeten zerstören können. Ich verstehe sogar, was Elon Musk sagt und worüber er sich Sorgen macht. Aber damit sind wir jetzt oder werden später konfrontiert. Es wird nicht besser."
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