Baerbock fordert Tribunal gegen Russland – Der deutsche Geist ist aus der Flasche
Von Gert Ewen Ungar
Der 18. Januar ist der Tag, an dem in Russland an den Durchbruch der Leningrader Blockade erinnert wird. Die Blockade der Stadt durch die deutsche Wehrmacht dauerte dann noch einige Zeit, aber ein erster Korridor zur Versorgung der notleidenden Bevölkerung war geöffnet. Der 18. Januar stellt einen Wendepunkt im Krieg des faschistischen Deutschland mit der Sowjetunion dar. Mit der Blockade Leningrads wollte die deutsche Wehrmacht die Dezimierung der Bevölkerung durch Hunger und Seuchen erreichen. Es war kein militärisches Ziel, es handelte sich dabei um eines der grausamsten Verbrechen in der Geschichte Europas.
Das russische Fernsehen berichtet ausführlich, Russlands Präsident Putin tritt in schwarzem Anzug und mit schwarzer Krawatte vor die Kamera, um an die Geschehnisse von damals zu erinnern, er trifft sich mit Überlebenden, die berichten. Gezeigt wird auch ein Trailer für einen Film, der im Februar in die russischen Kinos kommt. Der Film trägt den Titel "Nürnberg". Es geht dabei um das Nürnberger Tribunal, auf dem die Verbrechen von Nazi-Deutschland unter internationaler Anklage standen. Auch Putin macht auf den Film aufmerksam und äußert sich zu den Nürnberger Prozessen. Er merkt an, dass es die Erinnerung an Vergangenes ist, die heute vor der Wiederholung der Fehler schützt.
Von geschichtlichem Wissen offenkundig völlig befreit, tritt in diesen Tagen auch eine Deutsche auf die mediale Bühne und fordert erneut ein Tribunal – dieses Mal allerdings mit Russland auf der Anklagebank. Es ist die deutsche Außenministerin Annalena Baerbock (Die Grünen), die mit dieser gleich in mehrfacher Hinsicht schrägen Idee auf sich aufmerksam macht. Der Vorschlag ist nicht nur geschichtsvergessen, sondern geht zudem von fragwürdigen Behauptungen aus und zielt darüber hinaus auf eine Institutionalisierung eines Systems, das westliche Rachegelüste bedient und eine internationale rechtliche Ungleichheit festschreibt. Wie so oft, wenn Baerbock öffentlich auftritt, wünscht man sich, sie hätte besser geschwiegen.
Die deutsche Außenministerin verfügt gar nicht über den notwendigen breiten Blick, über die notwendigen Informationen, um überhaupt fachlich in der Lage zu sein, die Notwendigkeit eines Tribunals auch nur halbwegs objektiv abzuwägen. Sie informiert sich ausschließlich in westlichen Medien und ausschließlich aus westlichen Quellen. Die sind aber Teil der Kriegsführung und alles andere als dazu geeignet, einen unparteiischen Blick auf das Geschehen in der Ukraine zu vermitteln.
Zudem ist Baerbock selbst eingebettet in die westliche Kriegsagenda, verurteilt jede Information aus Russland als Desinformation, während sie die Positionen und Behauptungen der Ukraine unkritisch übernimmt und unhinterfragt als Tatsache darstellt. Sie fordert Waffen, lehnt Verhandlungen ab, sagt der Ukraine bedingungslose Unterstützung zu – wenn eine Person sich für die Forderung einer Verurteilung Russlands durch ihr eigenes politisches Agieren völlig disqualifiziert hat, dann ist es Baerbock. Sie ist Partei. Bestes Beispiel für ihre Einseitigkeit ist der Umgang der Außenministerin mit Butscha. Es sind unbewiesene Behauptungen, die sie wiederholt und denen sie den Anschein verleiht, bewiesen zu sein. Sie sind es nicht.
Ebenfalls heute sagte der russische Außenminister Sergei Lawrow, der kollektive Westen benutze die Ukraine, um die nach dem Zweiten Weltkrieg gefundene rechtliche Ordnung systematisch zu zerstören. Baerbocks Vorschlag ist dafür ein gutes Beispiel. Sie will ihr Sondertribunal auf ukrainisches Recht bauen.
Das ukrainische Recht ist aber nun wahrlich kein guter Rechtsrahmen für die Wahrheitsfindung im Ukraine-Konflikt. Die Schieflage des ukrainischen Rechts ist im Gegenteil eine der Ursachen für diesen Konflikt. Die Sprachgesetzgebung, mit der die russische Sprache diskriminiert wird, war einer der Auslöser für die Eskalation. Die Verweigerung des Kiewer Regimes, die Verfassung wie in Minsk 2 zugesagt zu ändern, bereitete den Weg in den Krieg.
Schon der Vorschlag, ausgerechnet dieses Recht als Rechtsgrundlage für ein Tribunal zu nehmen, in dem angebliche Verbrechen aufgearbeitet werden sollen, die in ebendiesem Recht ihre Ursache haben, ist mehr als bloß bizarr. Es ist eine zynische Verhöhnung des Rechtsbegriffes.
Obwohl der Vorschlag Baerbocks, ein Sondertribunal nach ukrainischem Recht und angereichert mit internationalen Vertretern, keine realistische Aussicht auf Umsetzung hat, wird er in den deutschen Medien diskutiert. Der Grund, warum er keine Aussicht auf Umsetzung hat, ist dabei offensichtlich.
Der Internationale Strafgerichtshof (IStGH) mit Sitz in Den Haag kann keine eigenen Ermittlungen anstellen, denn sein Mandat ist bewusst so gehalten, dass die westlichen Staaten wegen der von ihnen geführten Angriffskriege nicht belangt werden können. Vor dem russischen Einmarsch in die Ukraine gab es nämlich von westlichen Bündnissen geführte Angriffskriege auf Libyen, den Irak und Jugoslawien. Auch zu Syrien und Afghanistan ließe sich gegen westliche Mächte bei einem breiter gefassten Mandat des IStGH ermitteln. Für diese offenen Brüche des Völkerrechts durch westliche Staaten musste sich bisher niemand rechtlich verantworten. Das soll auch so bleiben.
Also muss ein Weg gefunden werden, bei dem die westlichen Verbrechen straffrei bleiben, Russland aber gerichtet werden kann. Baerbock möchte ein institutionalisiertes Zwei-Klassen-System in die internationalen Beziehungen einführen. Der Gedanke ist zutiefst neokolonial. Folgt man Baerbocks Skizze, so gibt es Staaten, die nicht zur Rechenschaft gezogen werden können, und Staaten, die sich einer zudem willkürlichen Form der Rechtsprechung aussetzen müssen.
Dass ein Tribunal, wie es Baerbock entwirft, keinerlei internationale Anerkennung erwarten kann, muss wohl nicht extra gesagt werden. In der Idee drückt sich westliche Arroganz und Überheblichkeit in Reinform aus. Damit wird auch deutlich, wie wenig es Baerbock mit der Idee eines Sondertribunals um Recht und Gerechtigkeit geht.
Um die geht es ihr aber auch nicht, sondern ausschließlich darum, Russland zu ruinieren, bestrafen, isolieren, ihm das Gespräch zu verweigern. Es sind kindliche und kindische Regungen, die Baerbock als Person antreiben. Sie haben in der internationalen Diplomatie nichts zu suchen.
In ihnen spiegelt sich zudem ein Überlegenheitsgefühl gegenüber Russland, für das es für eine Deutsche keinerlei Anlass gibt. In dieser Asymmetrie schwingt eine tief rassistische Grundhaltung mit, eine Haltung, die auch den Generalplan Ost, den Überfall des faschistischen Deutschlands auf die Sowjetunion und die menschenverachtende Blockade Leningrads möglich gemacht hat. Im Vorschlag für ein Sondertribunal wird sichtbar, wie weit Baerbock im Denken von ihren Bekenntnissen zu Verhandlungen auf Augenhöhe entfernt ist. Sie fühlt sich als Herrenmensch, der das Recht hat, der Welt zu befehlen, über sie zu richten und sie zu ordnen.
Faktisch fordert Baerbock die Zweiteilung des internationalen Rechts: eines für den Westen, eines für die Staaten außerhalb des Westens. Ihr Ziel ist es, Ungleichheit und Asymmetrie in den internationalen Beziehungen zu institutionalisieren. Sie fordert eine Art neokoloniale Weltordnung, in der sich alle Länder bedingungslos, vor allem aber rechtlos und ohne jede Souveränität dem kollektiven Westen unterzuordnen haben.
Was sie dabei auslässt, ist, dass es schon für die Forderung nach einem Sondertribunal gegen Russland immer weniger Gründe gibt. Russlands Begründung für die militärische Spezialoperation ist unter anderem die Selbstverteidigung nach Paragraf 51 der UN-Charta. Sowohl der damalige französische Präsident Hollande als auch die an den Verhandlungen beteiligte Angela Merkel sowie der damalige ukrainische Präsident Petro Poroschenko haben deutlich gemacht, dass es bei den Verhandlungen in Minsk nie um Frieden, sondern um Zeit zur Aufrüstung ging. Seit 2015 bilden die USA zudem in der Ukraine Militärs nach NATO-Standard aus. Mit welchem Ziel?
Auch die aktuellen Entwicklungen in Deutschland und der EU, die Verweigerung jeglicher Diplomatie unter anderem von der deutschen Außenministerin persönlich, das beispiellose Ausmaß von Waffenlieferungen bei gleichzeitigem Fehlen eines Gesprächs- und Verhandlungsangebots, macht den Willen zum Krieg deutlich. Ziel ist der Sieg über Russland. Dabei könnte der Westen den Krieg unmittelbar beenden, wenn Frieden in seinem Interesse läge, denn die Ukraine ist wirtschaftlich und militärisch vollkommen vom kollektiven Westen abhängig. Der Westen will den Krieg und Annalena Baerbock will ihn auch. Das sollte für die Zukunft im Gedächtnis bleiben.
Dass Russland die Wahrheit sagt, wenn es behauptet, es ginge darum, Massaker an der Bevölkerung in der Ostukraine zu unterbinden, macht die Ukraine mit ihrem Kriegsverbrechen jeden Tag deutlich. Diese sind belegt. Baerbock leugnet sie und tut sie als russische Desinformation ab. Die russischen Strafverfolgungsbehörden jedoch sammeln jeden Tag Beweise, dokumentieren den Beschuss mit westlichen Waffen, die Toten und Verletzten. Diese Beweisführung hat insgesamt deutlich mehr Substanz als die Vorwürfe gegen Russland auf Grundlage von Hobbyforensikern à la Bellingcat, in die Baerbock Vertrauen setzt.
Und natürlich werden diese Beweise mit dem Ziel gesammelt, einen Prozess einzuleiten, um schließlich dem Recht zur Geltung zu verhelfen. Geplant ist ein Tribunal nach dem Vorbild Nürnbergs. Es ist kein Zufall, dass Putin dieses Thema heute gesetzt hat. Und im Gegensatz zu Baerbock kann sich Russland bei seinem Vorhaben auf eine breite Unterstützung durch die Welt verlassen, denn außerhalb der westlichen Blase ist es eine Binsenweisheit, was Lawrow ausgesprochen hat. Der Westen zerstört internationales Recht und die nach dem Zweiten Weltkrieg gefundene internationale Ordnung. Man muss dem Einhalt gebieten.
Die internationale Solidarität ist daher auch nicht auf Seiten Baerbocks. Sie muss im Gegenteil aufpassen, dass nicht sie es ist, die vor einem Sondertribunal landet, schließlich trägt sie für das Scheitern von Minsk 2 eine Mitverantwortung. Vor einem solchen Tribunal wird es einer Deutschen nicht gelingen, ein absurdes, weil ahistorisches Narrativ vom grundlosen russischen Überfall als Argument geltend machen zu können.
Es wird dann darum gehen, wer zu welchem Zeitpunkt welchen Schritt der Eskalation eingeleitet hat, wer welche Türen zugeschlagen hat, wer welche Verbrechen unterstützt und gefördert hat. In diesem Zusammenhang sieht es dann für Deutschland nicht viel anders aus als nach 1918 und 1945. Deutschland trägt eine wesentliche Schuld an der Entwicklung hin zum Krieg.
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Am 24. Februar kündigte der russische Präsident Wladimir Putin an, gemeinsam mit den Streitkräften der Donbass-Republiken eine militärische Spezialoperation in der Ukraine zu starten, um die dortige Bevölkerung zu schützen. Die Ziele seien, die Ukraine zu entmilitarisieren und zu entnazifizieren. Die Ukraine spricht von einem Angriffskrieg. Noch am selben Tag rief der ukrainische Präsident Wladimir Selenskij im ganzen Land den Kriegszustand aus.
Der Westen verurteilte den Angriff, reagierte mit neuen Waffenlieferungen, versprach Hilfe beim Wiederaufbau und verhängte Sanktionen gegen Russland.
Auf beiden Seiten des Konfliktes sind zahlreiche Soldaten und Zivilisten getötet worden. Moskau und Kiew haben sich gegenseitig verschiedener Kriegsverbrechen beschuldigt. Tausende Ukrainer sind mittlerweile aus ihrer Heimat geflohen.