Wir sind Kriegspartei – Allein Moskau entscheidet, wann entsprechend darauf reagiert wird
Von Dagmar Henn
Bei jedem einzelnen Schritt auf den Abgrund zu, den die Bundesregierung tut, wird beteuert, das sei noch gar nicht schlimm, das sei immer noch keine Kriegsbeteiligung, alles ist gut. Denn irgendwie scheint selbst bei den trunkenen Politikern wie Medienleuten in Berlin die berechtigte Vermutung zu bestehen, dass "die Deutschen" in ihrer Gesamtheit es doch nicht so lustig fänden, wenn auch noch "Kriegsbeteiligung" draufstünde, wo tatsächlich Kriegsbeteiligung drin ist.
Das ZDF jedenfalls fand wieder einen willfährigen Völkerrechtler, der dem deutschen Publikum bestätigte, selbst die Leopard-Kampfpanzer seien noch immer keine Beteiligung: "Entscheidend sei nicht, was man liefere, sondern ob und wie man in konkrete Militäroperationen eingebunden sei, so Völkerrechtsexperte Alexander Wentker." Wenn eigene Streitkräfte beteiligt seien, erst dann werde ein Staat zur Kriegspartei. Dazwischen sei eine Grauzone.
"Zum einen müssen die Handlungen Teil von Militäroperationen sein, es muss also ein direkter Bezug zu Kampfhandlungen bestehen. Zum zweiten muss der unterstützende Staat seinen Beitrag hinreichend eng mit der unterstützten Kriegspartei koordinieren."
Ob Herr Wentker zu diesem Zeitpunkt bereits die jüngste Äußerung von Bundesaußenministerin Annalena Baerbock kannte, "wir kämpfen einen Krieg gegen Russland", ist seinem Beitrag leider nicht zu entnehmen.
Viel Erfahrung hat Herr Wentker offenbar auch nicht; er hat zwar der Vita nach mit viel Geld vornehme Adressen gesammelt (wie die Universität Oxford oder das Amt der Vereinten Nationen für die Koordinierung humanitärer Angelegenheiten) und hat eine – sicherlich gut bezahlte – Stelle am Max-Planck-Institut für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht, konnte aber erst im letzten Jahr das zweite juristische Staatsexamen ansteuern. Ein typischer Fall für das Kind aus gutem Hause, von einer Familie mit guten Beziehungen. Und das ist genau die Ausgabe "Experte" bar jeder Lebenserfahrung, die auch sonst derzeit die lukrativsten Posten besetzt.
Das ZDF schließt seinen Beitrag mit den Sätzen: "Aus völkerrechtlicher Sicht lässt sich das beantworten. Welche Bewertung die russische Regierung trifft, ist wiederum eine andere Frage." Der letzte Satz klingt bereits nach der Kategorie: "Ein Teil dieser Antworten würde die Bevölkerung verunsichern."
Und das ist dann auch die erste Annäherung an die ganze Wahrheit. Das Wort "Grauzone" hätte nämlich der Ehrlichkeit halber ausbuchstabiert werden müssen. Es bedeutet schlicht, dass es keine genaue Festlegung gibt und es mithin den Beteiligten – um es genauer zu sagen, dem potentiellen Gegner, oder noch genauer Russland – überlassen bleibt festzulegen, wo diese Linie verläuft.
Natürlich laviert das ZDF wie sämtliche Medienkollegen um das klitzekleine Problem herum, dass die Panzer mit Mannschaft "geliefert" werden müssen, weil die Ausbildungszeiten für Ukrainer schlicht zu lang wären. Damit sind dann sowohl der direkte Bezug zu Kampfhandlungen als auch die enge Koordinierung mit der unterstützten Kriegspartei gegeben.
Entscheidend ist aber ein ganz anderer Punkt, und dass darüber das ZDF seine Zuschauer in falscher Sicherheit wiegt, ist eine geradezu verbrecherische Täuschung. Denn abgesehen davon, dass die Äußerung von Baerbock durchaus als eine Kriegserklärung gedeutet werden kann, liegt die Entscheidung darüber, wo innerhalb der Grauzone die deutsche Beteiligung beginnt, einzig bei Russland. Wenn die Bewertung dort so ausfallen sollte, dass Deutschland jetzt beteiligt ist, bei wem meint das ZDF, sich dann beschweren zu können? Bei Herrn Wentker etwa, der dann ein nettes Briefchen an den Kreml schreibt, dass das seiner Meinung nach völkerrechtlich doch gar nicht zutreffe?
Und wie glaubt man beim ZDF, würde diese Bewertung von Moskau verkündet werden? Durch ein ebenso nettes Briefchen mit der Schneckenpost an das Bundeskanzleramt oder nicht doch schneller und direkter als Visitenkarte von Herrn Kinschal? Es scheint sich niemand Gedanken gemacht zu haben, was das für Deutschland bedeuten würde.
Um den allzu Begriffsstutzigen einmal auszumalen, was das bedeuten könnte: Wenn man in Deutschland eines Morgens aufwacht und der Strom ist weg, wenn es dann auch kein Fernsehen gibt und das batteriebetriebene Radio gerade noch berichten kann, dass das Regierungsviertel in Berlin eine Trümmerlandschaft ist, dann dürfte der Grund dafür darin bestehen, dass Russland Deutschland nun als Kriegspartei anerkannt hat. Auch die Anwohner diverser Kommandoeinrichtungen der Bundeswehr dürften durch einen lauten Knall bestenfalls noch einmal geweckt worden sein.
Wobei, vielleicht passiert das doch nicht vor dem Aufwachen, sondern im Verlaufe des Tages. Die betroffenen Herrschaften sollten doch besser bereits hinter ihren Schreibtischen sitzen, wenn ihr Bürogebäude pulverisiert wird. Nebenbei, das geschähe alles mit konventionellen Waffen. Wer es nicht glaubt, darf sich gern in die Eigenschaften von Hyperschall-Lenkflugkörpern vertiefen und dabei nicht vergessen: die jeweilige kinetische Energie wächst mit dem Quadrat der Geschwindigkeit eines Gegenstandes. Und keine Sorge, Russland hat bereits genug davon.
Ob und wann es passiert, entscheidet man einzig und allein in Moskau. Genau das ist der Punkt, an dem Berlin, wenn es denn unbedingt Krieg führen wollte, bereits einen fatalen Fehler begangen hat: In Berlin hat man bereits zu Beginn die Kontrolle über jede Eskalation an den Großen Bruder und an den potenziellen Gegner übergeben.
Nur, damit der Groschen endgültig fällt, noch eine kleine Erinnerung als Sahnehäubchen: Diese böse alte Nummer mit dem Waffenstillstand. Weil es nämlich keinen Friedensvertrag zwischen Deutschland und Russland gibt, waren die ganzen vergangenen 78 Jahre nur eine lange Unterbrechung. "Ist eine bestimmte Dauer nicht vereinbart worden, so können die Kriegsparteien jederzeit die Feindseligkeiten wieder aufnehmen", sagt dazu Artikel 36 der Haager Landkriegsordnung. Und Artikel 40 besagt: "Jede schwere Verletzung des Waffenstillstandes durch eine der Parteien gibt der andern das Recht, ihn zu kündigen und in dringenden Fällen sogar die Feindseligkeiten unverzüglich wieder aufzunehmen."
Ist das lautstark angekündigte Auftauchen deutscher Panzer auf russischem Boden (nie vergessen, Herr Scholz, auch Cherson und Saporoschje sind als russischer Boden zu betrachten, ganz gleich, was Sie davon halten) eine schwere Verletzung dieses Waffenstillstands? Deutsche Panzer mit deutscher Besatzung und mit dem in Russland so "beliebten", unvergessenen Balkenkreuz?
Und sollte jemand von der deutschen Regierung nach einer jederzeit "unverzüglich" möglichen russischen Feststellung, man befinde sich jetzt im Krieg, dieser Feststellung widersprechen wollen, an wen wollte er sich dann wenden? An Joe Biden? An den Papst?
Wäre das ZDF dieses eine Mal ehrlich gewesen und hätte seinen Zuschauern ausbuchstabiert, was das unschuldig klingende Wort "Grauzone" tatsächlich bedeutet, es hätte seinen Zuschauern gleich anraten können, künftig jeden Abend ein Dankschreiben an den Kreml zu schicken. Denn dank der Irrsinnsentscheidung über deutsche Kampfpanzer beruht zukünftig jeder Tag, an dem noch keine hyperschnellen explosiven Gegenstände vom Himmel fallen, nur noch darauf: auf Langmut und Gnade Russlands.
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