Bevormundung versus Respekt: Wie Deutschland und Russland mit den Ländern Afrikas umgehen
Von Gert Ewen Ungar
Ein Tweet des Auswärtigen Amtes, der die Verhöhnung des russischen Außenministers Sergei Lawrow zum Ziel hatte, der zu diesem Zeitpunkt gerade Afrika besuchte, steht symbolisch für die unterschiedlichen Afrika-Strategien von Deutschland und Russland. Deutschland verliert auf dem afrikanischen Kontinent massiv an Einfluss. Der ungeschickte Tweet, durch den sich unter anderem die Sprecherin des Generalsekretärs der Afrikanischen Union, Ebba Kalondo, an koloniale Zeiten und eine damit verbundene Überheblichkeit der Kolonialherren erinnert fühlte, hat diese Entwicklung sicherlich noch einmal beschleunigt. Deutschland hat sich deklassiert. Das Auswärtige Amt hat alle Klischees über überhebliche und arrogante Deutsche, die auf andere Länder und Kulturen nur herabblicken, mit einem einzigen Tweet bestätigt.
The Russian Foreign Minister #Lavrov is in Africa, not to see 🐆, but to bluntly claim that #Ukraine’s partners “want to destroy everything Russian”. Here is a 🧵 with all of his “evidence”: 1/3
— GermanForeignOffice (@GermanyDiplo) January 24, 2023
Auch die deutsche Außenministerin war inzwischen mehrfach in Afrika. Sie brachte von ihren Reisen übrigens nichts mit, von schönen Bildern abgesehen, die - würden sie eine andere Person in der gleichen Pose zeigen - in Deutschland mit dem Vorwurf "kulturelle Aneignung" bedacht würden. Was andere nicht dürfen, Baerbock darf es, ohne dafür medial abgestraft zu werden. Im Gegenteil brechen deutsche Journalisten angesichts einer Obst tragenden Außenministerin in Niger geradezu in Euphorie aus. Was mit all der Freude allerdings verdeckt wird, ist, dass der Besuch ansonsten ergebnislos verlief.
Das ist kein Einzelfall. All das mediale Lob für Baerbock kann kaum über die Tatsache hinwegtäuschen, dass ihr auch in Afrika inzwischen ganz regelmäßig die Tür vor der Nase zugeschlagen wird. Lediglich in Marokko hat Deutschland einen Fuß in der Tür. Deutschland hat dem Land Unterstützung für die Anerkennung der von Marokko völkerrechtswidrig annektierten Teile der Westsahara zugesichert. Marokko bedankt sich jetzt mit Kooperation im Ukraine-Konflikt. Allerdings ist auch hier der außenpolitische Schaden größer als der Nutzen. Die Behauptung der deutschen Außenministerin, dass Deutschland sich für die Einhaltung des Völkerrecht stark mache, wurde durch den Schritt als Lüge entlarvt. Andere afrikanische Länder wie beispielsweise Mali gehen zu Deutschland inzwischen deutlich auf Distanz.
Auch in Äthiopien konnte Baerbock bei ihrem Besuch nicht punkten. In Äthiopien, das gerade von einer Hungerkatastrophe getroffen wird, versuchte sie die westliche Sicht durchzusetzen, dass am Hunger Putin und der "Überfall Russlands auf die Ukraine" Schuld seien. Nun ist jedem außerhalb der westlichen Medienblase klar, dass dem nicht so ist.
Die durch die Türkei zustande gekommene Vereinbarung zwischen Russland und der Ukraine zur Ausfuhr von Getreide aus der Ukraine hat nicht dazu geführt, dass dieses Getreide wie versprochen in die notleidenden afrikanischen Regionen verschifft wurde. Es landete überwiegend in der EU, unter anderem, um Schweine zu füttern. Auch die Probleme bei der Ausfuhr von russischem und weißrussischem Dünger hat allein die EU zu verantworten.
Die Nahrungsmittelknappheit geht daher auch auf das Konto von Deutschland, das die EU-Sanktionen nicht nur bedingungslos mitträgt, sondern auch mit verantwortet. Das weiß man in Afrika allerdings deutlich besser als in Deutschland, das medial von diesen Fakten gut abgeschirmt wird. Das deutsche Narrativ geht auf jeden Fall an der Realität vorbei. Es lässt sich daher in Ländern außerhalb des Westens auch nicht durchsetzen. Das allerdings ist nur ein Problem deutscher Entwicklungspolitik.
Zwar beteuern Vertreter deutscher Politik immer wieder, gerade in der Entwicklungspolitik sei das Ziel die Kommunikation auf Augenhöhe. Das allerdings wird konterkariert vom konkreten Handeln und einer in sich widersprüchlichen politischen Agenda.
So stellte Entwicklungsministerin Svenja Schulze (SPD) am 25. Januar die neue Afrika-Strategie vor. Die Strategie war vom Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) gemeinsam mit Experten in mehreren Monaten Arbeit entwickelt worden. Die Strategie ist wie die gesamte deutsche Außenpolitik von Widersprüchen getragen, die sich nicht schließen lassen. So beteuert das BMZ zwar,
"Eine Partnerschaft beruht auf Respekt und Gegenseitigkeit. Sie setzt die Bereitschaft zu strukturellen Veränderungen auf beiden Seiten voraus – und den Willen, die Prioritäten des Gegenübers anzuerkennen und sich für diese starkzumachen. Das BMZ tritt daher für eine angemessene Mitsprache afrikanischer Staaten und der AU in den multilateralen Foren ein."
Das Bekenntnis zur Augenhöhe geht sogar noch ein bisschen weiter
"Eine vertiefte Reflexion der Folgen der Kolonialzeit versteht das BMZ als Grundlage für einen offenen, ehrlichen Dialog. Es will Bevormundung vermeiden und setzt sich kritisch mit dem eigenen Verständnis von guter Entwicklung auseinander."
Das, was auf den ersten Blick weitsichtig und angesichts der kolonialen Geschichte reflektiert wirkt, wird dann aber schon wenige Zeilen später widerrufen. Da wird deutlich, Deutschland gibt vor, wie es zu laufen hat.
“Ein wachsender Anteil der afrikanischen Partnerländer des BMZ wird inzwischen als zumindest gemäßigt autokratisch bezeichnet. Für das BMZ bedeutet dies, eine klare, wertegeleitete Interessenspolitik zu formulieren und die institutionellen und gesellschaftlichen Grundlagen für demokratische Teilhabe weiter zu fördern. Es wird dabei Anstrengungen auf Partnerseite zur Stärkung von Demokratie und Rechtsstaatlichkeit und zur Achtung der Menschenrechte besonders unterstützen. Zugleich wird es die Entwicklung der Governance-Bedingungen in Partnerländern genau verfolgen, um Länderportfolien gegebenenfalls entsprechend anzupassen.”
Es geht damit auch ganz offenkundig um Gängelung, Bevormundung und Besserwisserei. Mit der Augenhöhe ist es spätestens an dieser Stelle auch schon wieder vorbei, mit der Achtung grundlegender völkerrechtlicher Prinzipien sowieso.
Darüber hinaus bekennt sich das BMZ zu einer "Feministischen Entwicklungspolitik" und bemerkt dabei die Widersprüchlichkeit nicht, in der sich das Konzept aufhängt. Ihm haftet eine tief kolonialistische Geisteshaltung an.
"Eine feministische Entwicklungspolitik ist das Leitbild für alle Bereiche der deutschen Entwicklungszusammenarbeit – so auch für die Zusammenarbeit mit Afrika. (...) Dazu gehört auch, rassistische Strukturen und postkoloniale Kontinuitäten zu vermeiden und sich für marginalisierte Gruppen wie Menschenmit Behinderungen, Indigene oder LGBTQI* und ihre Rechte einzusetzen."
Zusammenarbeit mit Deutschland bedeutet, die zwangsweise Implementierung von in Deutschland etablierten Werten und Vorstellungen gegen Tradition und kulturelle Indentität. Nach einleitenden Bekenntnissen zur Augenhöhe, zur Vorsicht im Umgang und zum Respekt vor dem Gegenüber, wird offenbar, dass Deutschland in seiner Entwicklungs- und Außenpolitik eine modernisierte Version kolonialen Bevormundung vertritt.
Die "Werte" für die sich das BMZ einsetzt, sind im Westen entstanden, setzen für ihr Verständnis eine westliche geprägte Identität voraus und sind daher auch nur im Westen anwendbar. Sie gehen nicht nur an den konkreten Bedürfnissen afrikanischer Länder vorbei, sie sind gefählrlich, denn sie sorgen absebar für von außen betriebene gesellschaftliche Spaltung und sind obendrein ein Mittel zur Legitimation von Einmischung bis hin zum Regime-Change. Deutschland fühlt sich bereichtigt, sich in die inneren Angelegenheiten anderer Länder einzumischen. Ein weiterer Einflussverlust Deutschlands ist mit dieser Agenda vorprogrammiert, zumal es mit Russland und China bessere Alternativen zu einer Kooperation mit Deutschland und der EU für die Länder des afrikanischen Kontinents gibt.
Es geht der Bundesregierung in ihrer "Kooperation" vor allem um Zugang zu Rohstoffen, Zugang zu Arbeitskräften und um Afrika als Absatzmarkt. Daraus macht Deutschland auch gar keinen Hehl. Dass sich die Zusammenarbeit für Deutschland lohnen müsse, wird offen zugegeben. Warum es dafür zustätzlich noch notwendig ist, sich noch in Belehrungen und Bevormundungen im Hinblick auf Minderheitenrechte zu ergehen, erschließt sich nicht. Es macht Deutschland als Kooperationspartner aber auf jeden Fall unattraktiv. Dass diese Rechte dazu instrumentalisiert werden können, sich in die inneren Angelegenheiten einzumischen und unter Umständen darüber Gesellschaften gespalten und Umstürze befördert werden, macht Deutschland nicht nur unattraktiv, sondern für potentielle Partnerländer sogar gefährlich. Dass Deutschland bereit ist, derartige Instrumente zu nutzen, hat es vielfach bewiesen.
Russlands Haltung ist hier grundlegend anders. Natürlich hat auch Russland wirtschaftliche Interessen. Aber es verknüpft eine wirtschaftliche Kooperation nicht mit politischer Einflussnahme. Eine wirtschaftliche Zusammenarbeit mit Russland hat keine politische Einflussnahme in die inneren Angelegenheiten der Länder zur Folge.
Der grundlegender Unterschied ist: Russlands Außenpolitik basiert auf der Anerkennung von Staaten und nicht auf der Anerkennung von Regierungen, wie das in Deutschland inzwischen Praxis geworden ist. Diese Abkehr westlicher Länder vom völkerrechtlichen Prinzip der Anerkennung von Staaten, unabhängig von ihren Regierungen, praktiziert auch Deutschland. Für die globale Stabiliät ist dies gefährlich, denn es erhebt den Regime-Change zum legitimen Mittel der Außenpolitik. Mit dieser Praxis sabotiert Deutschland die internationale Rechtsordnung. In der Afrika-Strategie ist dieses Mittel als legitim angelegt.
Russland mischt sich nicht in die inneren Angelegenheiten anderer Länder ein. Wer jetzt in diesem Zusammenhang auf die Ukraine verweist, und meint, damit das Gegenteil beweisen zu können, hat den Zusammenhang nicht verstanden. Die Entwicklung in der Ukraine hin zum Krieg verdankt sich westlicher Einmischung und dem im Westen verbreiteten Glauben daran, dazu ein exklusives Recht zu haben.
Die Geschichte des Ukraine-Konflikts war zunächst die Geschichte westlicher und deutscher Einmischung, der Förderung und Finanzierung von Opposition, von nationalistischen Kräften bis schließlich hin zum Putsch im Jahr 2014. Ohne die Verletzung völkerrechtlicher Grundsätze durch den Westen und durch Deutschland würde es den Ukraine-Konflikt nicht geben. In Deutschland weigert man sich, diese Fakten zur Kenntnis zu nehmen. Deutsche Politik verweigert sich folglich auch der sich aus diesen Fakten ergebenden notwendigen Schlussfolgerung, diese Strategie zu überdenken und künftig zu unterlassen. Damit wird Deutschland jedoch als Kooperationspartner unattraktiv und isoliert sich immer weiter. Die lange Kette der außenpolitischen Misserfolge Baerbocks belegen dies.
Der Einflussgewinn Russlands in Afrika aber ist seiner Fähigkeit zur Diplomatie geschuldet. Und darüber hinaus dem, was die Bundesregierung nur vorgibt zu wollen: Echter Begegnung auf Augenhöhe ohne koloniale Allüren.
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Am 24. Februar kündigte der russische Präsident Wladimir Putin an, gemeinsam mit den Streitkräften der Donbass-Republiken eine militärische Spezialoperation in der Ukraine zu starten, um die dortige Bevölkerung zu schützen. Die Ziele seien, die Ukraine zu entmilitarisieren und zu entnazifizieren. Die Ukraine spricht von einem Angriffskrieg. Noch am selben Tag rief der ukrainische Präsident Wladimir Selenskij im ganzen Land den Kriegszustand aus.
Der Westen verurteilte den Angriff, reagierte mit neuen Waffenlieferungen, versprach Hilfe beim Wiederaufbau und verhängte Sanktionen gegen Russland.
Auf beiden Seiten des Konfliktes sind zahlreiche Soldaten und Zivilisten getötet worden. Moskau und Kiew haben sich gegenseitig verschiedener Kriegsverbrechen beschuldigt. Tausende Ukrainer sind mittlerweile aus ihrer Heimat geflohen.