Es ist nicht die Sorge vor "Russlands Einflussnahme", sondern die Angst vor Dissens
Von Caitlin Johnstone
Ich selber weiß, dass ich keine Propagandistin Russlands bin. Ich werde nicht von Russland bezahlt, ich habe keine Verbindungen nach Russland, und bevor ich 2016 als politische Kommentatorin in Erscheinung trat, habe ich mir sehr wenig Gedanken über Russland gemacht.
Meine Meinungsartikel über das westliche Imperium erscheinen manchmal in russischen Medien, weil ich alle meine Texte zur Weiterverbreitung freigebe. Aber meine Texte waren immer etwas, das ich aus eigenem Antrieb geschrieben habe, ohne dass ich sie erst jemandem vorlegen musste. Ohne dafür bezahlt zu werden oder Bedingungen unterworfen zu sein. Ich bin buchstäblich nur eine gewöhnliche westliche Zeitgenossin, die ihre politischen Meinung im Internet teilt, und diese Meinung stimmt nun mal nicht mit jenen des US-Imperiums überein.
Doch seit Jahren beobachte ich, wie Leute mit dem Finger auf mich zeigen, als Beispiel dafür, wie "russische Propaganda" funktioniert. Dies hat dazu beigetragen, mein Verständnis für die Panik vor dem "russischen Einfluss" zu schärfen, die in den vergangenen Jahren aufgekommen ist. Und es hat mir die Erkenntnis darüber gebracht, wie ernst diese Panik genommen werden muss.
Dies ist einer der Gründe, warum mich die Berichterstattung von Matt Taibbi über das Projekt Hamilton 68 nicht überrascht hat: Eine Informationsoperation, die vom Washington-Sumpf betrieben und von imperialistischen Denkfabriken unterstützt wird, die im Laufe der Jahre Hunderte – wenn nicht Tausende – von völlig herbei fantasierten Geschichten über einen angeblichen Einfluss Russlands in den sozialen Medien hervorbrachte.
Hamilton 68 gab vor, sich auf die Spur der Versuche Russlands zu machen, das westliche Denken in den sozialen Medien zu beeinflussen. Aber Twitter fand schließlich heraus, dass diese "Russen", die von Hamilton 68 verfolgt wurden, tatsächlich größtenteils echte, hauptsächlich US-amerikanische Menschen waren, die zufällig Dinge äußerten, die nicht perfekt mit dem Konsens in Washington, D.C. zusammenpassten.
Diese Menschen waren oft rechtskonservativ ausgerichtet, umfassten aber auch Leute wie den Redakteur bei Consortium News Joe Lauria, der von den Rechtskonservativen dermaßen weit entfernt ist, wie nur irgend möglich. Hamilton 68 spielte eine massive Rolle dabei, das Feuer der öffentlichen Hysterie über den russischen Online-Einfluss anzufachen, aber während sie dies taten, gaben sie vor, das Verhalten russischer Einflussoperationen zu verfolgen. In Wirklichkeit verfolgten sie abweichende Meinungen.
Eines der verrücktesten Dinge, die heute in der Welt passieren, ist die Art und Weise, wie der Westen durch westliche Propaganda einer Gehirnwäsche unterzogen wird, damit er wegen russischer Propaganda in Panik gerät, also über etwas, das im Westen keine sinnvolle Existenz hat. Bevor RT in Großbritannien verboten wurde, zog es satte 0,04 Prozent des gesamten britischen Fernsehpublikums an. Russlands viel zitierte Kampagne auf Facebook zur Beeinflussung der US-Präsidentschaftswahlen hatte größtenteils nichts mit der Wahl zu tun und beschränkte sich laut Facebook auf "ungefähr eine von 23.000 Inhalten".
Untersuchungen der New York University über russisches Troll-Verhalten auf Twitter im Vorfeld der Wahlen 2016 haben "keine Hinweise auf einen bedeutsamen Zusammenhang zwischen der Exposition gegenüber der russischen Einflusskampagne im Ausland und Änderungen in Einstellungen, Polarisierung oder Wahlverhalten" ergeben. Eine Studie der Universität von Adelaide ergab, dass trotz aller Warnungen vor russischen Bots und Trollen nach Beginn der russischen Invasion in der Ukraine seither die überwältigende Mehrheit des nicht organischen Verhaltens auf Twitter antirussischer Natur war.
Russland übt im Wesentlichen keinen Einfluss darauf aus, was im Westen gedacht wird, aber wir alle sollen wegen "russischer Propaganda" hysterisch werden, während westliche Oligarchen und Regierungsbehörden uns ständig mit Propaganda zutexten, die darauf abzielt, unsere Zustimmung zu jenem Status quo herbeizuführen, von dem sie profitieren.
Trotzdem hören wir aus dem westlichen Imperium noch immer Forderungen nach noch mehr narrativem Management, wie ein kürzlich im Magazin American Purpose erschienener Artikel mit dem Titel "The Long War of Ideas" (Der lange Krieg der Ideen) belegt, der von Leuten wie Bill Kristol beworben wird. Der Autor Davind Lowe fordert eine Wiederbelebung von Taktiken des Kulturkriegs der CIA, die während des Kalten Krieges angewendet wurden. Jeden Tag predigt ein weiterer liberaler Politiker von der Notwendigkeit, mehr zu tun, um den russischen Einfluss zu bekämpfen und die US-amerikanischen Köpfe vor "Desinformation" zu schützen. Auch wenn uns immer wieder gezeigt wird, dass sie in Wahrheit wollen, dass die Stimmen des Widerspruchs zum Schweigen gebracht werden.
Das sehen wir an den kontinuierlichen Bemühungen, die Zensur im Internet zu vertiefen; an der verlogenen, neu entstandenen "Faktenprüfer"-Industrie; an den Aufrufen, die finanziellen Mittel für die formellen Propagandaorganisationen der US-Regierung wie Radio Free Europe/Radio Liberty und Radio Free Asia zu erhöhen; an der Art und Weise, wie in den vergangenen Jahren abweichende Meinungen über Russland gewaltsam aus den westlichen Medien entfernt wurden; an der Art und Weise, wie vom Imperium verstärkt Troll-Operationen auf den Weg gebracht werden, um Kritiker der US-Außenpolitik online niederzubrüllen; an der Art und Weise, wie Zensur per Algorithmen gesteuert wird, was zu einer der wichtigsten Methoden geworden ist, um abweichende Meinungen zum Schweigen zu bringen.
Dabei wird behauptet, dass diese massive Eskalation von Propaganda, Zensur und Online-PsyOps nötig sind, um den "russischen Einfluss" zu bekämpfen, während die einzigen Einflussoperationen, denen wir in irgendeiner Weise ausgesetzt sind, immer nur westlichen Ursprungs sind. Und sie wollen noch mehr davon einsetzen.
Unsere Herrscher sind eigentlich nicht besorgt über "Russlands Einfluss", sie sind besorgt über Dissens. Sie befürchten, dass die Öffentlichkeit dem "Wettbewerb der Großmächte", dem sie uns auf absehbare Zeit unterwerfen wollen, nicht zustimmen wird, wenn sie keinen massiven Einfluss auf unser Denken ausüben können. Sie wissen, dass wir sonst erkennen würden, dass unsere Interessen durch die Wirtschaftskriegsführung, die explodierenden Militärausgaben und durch das zunehmende nukleare Risiko beschädigt werden, was zwangsläufig mit diesem "Wettbewerb" einhergehen wird, bei dem Russland unterworfen und der Aufstieg Chinas gestoppt werden soll.
Sie propagieren die Bedrohung durch ausländische Propaganda, um weitere Propaganda zu rechtfertigen. Wir werden dazu manipuliert, Absichten zuzustimmen, denen kein gesunder Menschenverstand jemals ohne ausgiebige Manipulation zustimmen würde.
Übersetzt aus dem Englischen.
Caitlin Johnstone ist eine unabhängige Journalistin aus Melbourne, Australien. Ihre Webseite findet sich hier und man kann ihr auf Twitter unter @caitoz folgen.
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