Argentinien, Brasilien, Chile, Mexiko gegen Ausweitung der israelischen Kolonialisierung Palästinas
Von Maria Müller
Vier lateinamerikanische Regierungen kritisierten am vergangenen Freitag in einer gemeinsamen Erklärung die Politik Israels, durch eine immer weitere Besiedlung palästinensischer Gebiete die Landesgrenzen Israels de facto auszuweiten. Israel nennt das "die natürliche Ausdehnung" ihrer als Kolonien bezeichneten Siedlungen in besetzten Territorien.
Obwohl zahlreiche Bebauungen selbst gegen israelisches Recht verstoßen –, ganz zu schweigen vom UNO-Völkerrecht –, wird die schrittweise Besatzung mit staatlicher Duldung unaufhaltsam fortgesetzt. Geschützt von schwer bewaffneten Militärs nehmen sich die Siedler das Land, das ihnen nicht gehört – die legitimen Besitzer hingegen werden immer weiter enteignet und in die Enge getrieben.
Die Zwei-Staaten-Lösung
Dagegen richten sich die Mahnungen der vier Präsidenten Alberto Fernandez, Lula da Silva, Andrés López (AMLO) und Gabriel Boric. Mit tiefer Besorgnis verurteile man das Vorgehen der neuen israelischen Regierung unter Ministerpräsident Benjamin Netanjahu. Die "Zwei-Staaten-Lösung" werde dadurch immer weiter erschwert. Gemeint ist damit die Schaffung eines eigenen Palästinenserstaates neben Israel. Laut Netanjahu sollen nun wieder Tausende neuer Häuser in "Kolonien" im Westjordanland gebaut und neun erbaute Siedlungen in den palästinensischen Gebieten unter militärischer Besatzung "legalisiert" werden.
Die lateinamerikanischen Präsidenten verurteilen Israels Pläne. Sie seien
"einseitige Maßnahmen, die schwerwiegende Verstöße gegen das Völkerrecht und die Resolutionen des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen, insbesondere Nummer 2334 (Dezember 2016), darstellen und zusätzlich zur Eskalation der derzeitigen Spannungen beitragen".
Und weiter:
"Unsere Regierungen lehnen jede Maßnahme ab, die die Lebensfähigkeit der Zwei-Staaten-Lösung gefährdet, in der Israel und Palästina sichere und international anerkannte Grenzen teilen können, während sie die legitimen Bestrebungen beider Völker respektieren, in Frieden zu leben".
Die Regierungen von Argentinien, Brasilien, Chile und Mexiko rufen des weiteren Israelis und Palästinenser dazu auf, Handlungen und Provokationen, die eine weitere Eskalation der Gewalt fördern könnten, zu unterlassen. Sie fordern, die Verhandlungen wieder aufzunehmen, um eine friedliche Lösung des Konflikts zu erreichen.
Bevölkerungswachstum in den Siedlungen
Die Zahl der israelischen Siedler, die in den im Westjordanland errichteten Siedlungen leben, hat nach eigenen Angaben erstmals eine halbe Million überschritten. Noch im Jahr 2008 betrug die Zahl der israelischen Siedler im Westjordanland unter 290.000. Schon damals wies die israelische Organisation Peace Now (Frieden jetzt) darauf hin, dass das Bevölkerungswachstum der Siedler im palästinensischen Westjordanland in den Vorjahren 5 Prozent ausmachte, während es innerhalb der international anerkannten Grenzen Israels lediglich 1,8 Prozent waren.
Die neun Siedlungen, die Israel nun "legalisieren" will, waren nach israelischem Recht illegal, weil sie ohne Genehmigung der Regierung errichtet wurden. Die UNO bezeichnet jede israelische Siedlung im Westjordanland nach internationalem Recht als illegal.
Eine faktische Annexion palästinensischer Gebiete
Die Legalisierungen durch die neue Regierung bedeuten eine faktische Annexion aller bisher gewaltsam besetzten Gebiete Palästinas durch Israel. Es ist eine in Besitznahme fremder Territorien unter Anwendung von Waffengewalt …, denn diese Gebiete wurden von der internationalen Völkergemeinschaft als Teil des künftigen palästinensischen Staates anerkannt. Wobei das palästinensische Volk über eine staatliche Verwaltung und eine eigene Regierung verfügt – sowie über international anerkannte und per UNO-Recht definierte Grenzlinien seines Landes Palästina.
Die Doppelmoral westlicher Staaten zeigt sich auch in diesem Fall, da die Annexionen nur dann zu einem Aufschrei der Empörung führen, wenn sie angeblich von Russland vorgenommen werden. Doch im Gegensatz zur Krim und dem Osten der Ukraine, wo Volksabstimmungen mit überwältigenden Ergebnissen stattfanden, gab es solche Abstimmungen an keinem Punkt der israelisch-palästinensischen Geschichte.
Immer wieder fanden militärische Angriffe von beiden Seiten der Grenze statt, wobei Israel mit seinem weit überlegenen Waffenarsenal in den vergangenen Jahren palästinensische Städte schonungslos bombardierte. Das Leiden der palästinensischen Zivilbevölkerung aufgrund der tödlichen Zerstörungen von Wohnhäusern, Schulen und Hospitälern besonders im Gazastreifen ist unvergesslich – auch in Lateinamerika.
Sanktionen wegen eines diplomatischen Erfolges
Die Politik Israels verliert auf der internationalen Bühne immer mehr an Rückhalt. Ein Höhepunkt seiner Aggressionen gegen Palästina erfolgte als Reaktion auf eine UNO-Abstimmung zugunsten Palästinas.
Im Dezember vergangenen Jahres verabschiedete die UN-Generalversammlung auf Vorschlag der Regierung der Palästinensischen Autonomiebehörde eine Resolution, (mit 87 Ja-Stimmen angenommen, 26 Nein-Stimmen und 53 Enthaltungen). Damit wurde das höchste Gericht der Vereinten Nationen aufgefordert, den Konflikt in Übereinstimmung mit dem Völkerrecht und der UN-Charta zu entscheiden.
Das Gericht sollte auch israelische Maßnahmen untersuchen, deren Ziel es ist, die demografische Zusammensetzung der Bewohner Jerusalems und den Status der Hauptstadt zu verändern. Dazu gehört die Vertreibung von palästinensischen Bewohnern aus ihren Häusern in Ostjerusalem. Israel versucht, die geteilte Stadt ausschließlich unter die eigene Kontrolle zu bringen, während Palästina zumindest den Ostteil für sich als Hauptstadt beansprucht.
Während die palästinensische Seite die Annahme ihrer Resolution als großen diplomatischen Sieg feierte, lehnte Israel die Entscheidung frontal ab und beschloss, die Palästinenser sollten "dafür bezahlen". Umgehend ergriff man Sanktionen, darunter das "Einfrieren" von Bankkonten in Millionenhöhe –, das Geld des palästinensischen Volkes.
In der Folge verstärkte sich die Auseinandersetzung in der UN-Vollversammlung. Im Januar stimmten 40 Mitgliedsstaaten gegen die Repression Israels aufgrund einer UN-Abstimmung.
"Unabhängig von der Position jedes Landes zu der Resolution (Palästinas) lehnen wir Strafmaßnahmen als Reaktion auf ein Ersuchen um ein Gutachten des Internationalen Gerichtshofs und allgemeiner als Reaktion auf eine Resolution der Generalversammlung ab und fordern ihre sofortige Rücknahme",
so der Resolutionstext dieser Verurteilung Israels.
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