Montjan: Den Konflikt zu lösen, heißt begreifen, dass alles lange vor 2022 begann
Von Tatjana Montjan
China hat nun also seine "Position zu einer politischen Lösung der Ukraine-Krise" veröffentlicht.
Mich persönlich interessiert vor allem der erste Absatz, in dem es heißt, dass die Souveränität aller Länder geachtet und die Souveränität, Unabhängigkeit und territoriale Unversehrtheit aller Staaten wirksam garantiert werden sollte. Dass das Völkerrecht gleichermaßen und einheitlich und ohne doppelte Standards angewendet werden muss.
Natürlich werden der Westen und das Speckreich (so bezeichnet Montjan die Ukraine nach dem Sieg des "Euromaidan" 2014 - Anm. d. Red.) jammern, sie seien weiße, flauschige, unschuldige Opfer einer nicht provozierten Aggression, die gegen nichts verstoßen hätten und für die Souveränität, Unabhängigkeit und territoriale Integrität der Ukraine kämpfen. Wer aber ein funktionierendes Gedächtnis hat, erinnert sich daran, wie es wirklich war. Wie der Staatsstreich in der Ukraine durchgeführt wurde, wie Victoria Nuland auf dem Maidan Gebäck verteilte und wie die obszönen Kompradoren die Ukraine sprichwörtlich für dieses Gebäck zu einem Bruchteil ihres Wertes an den Westen verkauften, womit sie sie jeder Souveränität und Unabhängigkeit beraubten.
Dabei wird noch nicht einmal darauf eingegangen, wie die so genannte "ATO" ("Antiterroristische Operation", offizielle Bezeichnung des durch Kiew seit April 2014 geführten Krieges im Donbass - Anm. d. Red.) begann und wie Kriegsflugzeuge auf Befehl der Putschisten und ihrer westlichen Herren friedliche Städte im Donbass bombardierten. Vergessen sind auch die Minsker Vereinbarungen, die nach dem freimütigen und zynischen Eingeständnis der westlichen Führer von Anfang an niemand umsetzen wollte.
Eine unglaubliche Anzahl ukrainischer Bürger wurde infolge des Staatsstreichs getötet (sogar bei lebendigem Leibe verbrannt, in Odessa am 2. Mai 2014), aus ihren Häusern vertrieben, Repressionen ausgesetzt. Nicht nur, dass niemand dafür zur Rechenschaft gezogen wurde, nicht nur, dass niemand seine Schuld zugegeben hat, jetzt beklagen die Täter auch noch heuchlerisch die Verletzung ihrer Rechte. Dabei wird völlig vergessen, dass die Gegner des Putsches ebenfalls ukrainische Staatsbürger sind (oder zumindest zum Zeitpunkt des Putsches waren) und ebenfalls Rechte haben, die auf schamlose und zynische Weise verletzt und bis heute nicht wieder hergestellt wurden.
Die Putschisten des Maidan sind Räuber, die das gemeinsame Haus an sich gerissen haben, indem sie die Miteigentümer und früheren Mitbewohner vertrieben sowie die verbliebenen in Angst und Schrecken halten. Vor neun Jahren haben sie und ihre westlichen Herren sich in meiner Heimat eingenistet, das Haus nach ihren Vorstellungen umgebaut und sich daran gewöhnt, es als ihr Eigentum zu betrachten. Doch dann geschah das, was eigentlich schon vor neun Jahren hätte geschehen müssen - die vertriebenen Miteigentümer der Ukraine setzten sich schließlich in Russland mit ihren Forderungen nach russischem Beistand durch und fordern ihre verletzten Rechte zurück. Und jetzt schreien die Plünderer so laut, dass man ihre Kiemen sehen kann:
"Das gehört uns! Wir haben es uns vor so langer Zeit unter den Nagel gerissen, acht Jahre lang war alles in Ordnung, wie kommt das, was ist passiert, warum jetzt?"
Infolgedessen bekämpfen sich der Westen und Russland auf dem Territorium der Ukraine - hauptsächlich durch die Hand der ukrainischen Bürger, aber auch mit erheblicher Beteiligung von Bürgern zahlreicher anderer Länder in verschiedenen Formen. Aber das ist die nächste Ebene der Geopolitik.
Ich denke, dass China für die auch von mir vertretene Interpretation der Ereignisse eintreten wird. Um den Konflikt zu lösen, muss zuerst verstanden werden, wer die Souveränität und territoriale Integrität der Ukraine als Erster verletzt hat. Diese Analyse muss ehrlich, ohne Doppelmoral, Lügen, Heuchelei, Verdrehung von Tatsachen erfolgen. Und auch nicht nach dem vom Westen so geliebte Prinzip "Du verstehst nicht, das ist etwas völlig anderes".
Denn es ist höchste Zeit, zu den "Wurzeln" zurückzukehren - dorthin, wo alles wirklich begann. Es hat eben nicht am 24. Februar 2022 begonnen, sondern viel, viel früher.
Tatjana Montjan ist eine bekannte ukrainische Rechtsanwältin und Publizistin. Vor Beginn der russischen Militäroperation musste sie Kiew verlassen, nachdem sie vor der UNO über die Zustände in der Ukraine gesprochen hatte. Derzeit lebt sie im Donbass, engagiert sich für humanitäre Hilfe und unterhält tagesaktuelle Videoblogs. Man kann ihr auf ihrem Telegram-Kanal folgen. Seit Neuestem führt sie eine Meinungskolumne beim RT.
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Am 24. Februar kündigte der russische Präsident Wladimir Putin an, gemeinsam mit den Streitkräften der Donbass-Republiken eine militärische Spezialoperation in der Ukraine zu starten, um die dortige Bevölkerung zu schützen. Die Ziele seien, die Ukraine zu entmilitarisieren und zu entnazifizieren. Die Ukraine spricht von einem Angriffskrieg. Noch am selben Tag rief der ukrainische Präsident Wladimir Selenskij im ganzen Land den Kriegszustand aus.
Der Westen verurteilte den Angriff, reagierte mit neuen Waffenlieferungen, versprach Hilfe beim Wiederaufbau und verhängte Sanktionen gegen Russland.
Auf beiden Seiten des Konfliktes sind zahlreiche Soldaten und Zivilisten getötet worden. Moskau und Kiew haben sich gegenseitig verschiedener Kriegsverbrechen beschuldigt. Tausende Ukrainer sind mittlerweile aus ihrer Heimat geflohen.