Meinung

"Nothing personal, just business": Spitzensport in der Zwickmühle zwischen Gier und Russophobie

Großbritannien drängt Geldgeber der Olympiade in Paris, russische Athleten nicht zuzulassen ‒ das IOC hingegen versucht, "auf zwei Stühlen zu sitzen", und wirbt für die Russen profithalber. Die Russen selbst sollten jedoch überlegen, ob sie das Ganze überhaupt brauchen.
"Nothing personal, just business": Spitzensport in der Zwickmühle zwischen Gier und RussophobieQuelle: Sputnik © Alexey Filippov

Von Jelena Karajewa, RIA Nowosti

Aus einem Schreiben der britischen Kulturministerin (Lucy Frazer heißt sie) an die Hauptsponsoren der Olympischen Spiele in Paris geht hervor, dass sich die Ministerin darüber bewusst ist, "dass Sport und Politik in Russland und Weißrussland eng miteinander verwoben sind", und dass sie, Lucy Frazer, "entschlossen ist, nicht zuzulassen, dass die Regime in Russland und Weißrussland den Sport für ihre Propagandazwecke nutzen".

Hier sollte man eigentlich laut loslachen, denn vor genau 43 Jahren hat die britische Regierung selbst "Sport und Politik eng miteinander verwoben", indem sie den Untertanen Ihrer Majestät die Teilnahme an den Olympischen Spielen von 1980, die in Moskau stattfanden, untersagte. London und Washington (solange das Duo auf der Bühne gut läuft, wechselt man ja nicht die Darsteller) waren empört darüber, dass die UdSSR beschlossen hatte, ihre südlichen Grenzen zu verteidigen und Truppen in Afghanistan zu stationieren. Der Aufschrei ging um die ganze Welt, obwohl die Briten schon seit Jahrzehnten in Afghanistan ihr Unwesen trieben und zuvor mit einem Knall rausgeschmissen worden waren. Die Amerikaner sind dann auch abgehauen. Aber in einer anderen Zeit. Buchstäblich vor unseren Augen.

Das IOC, das sich in einer interessanten Lage befindet, überlegt, wie es allen gerecht werden kann. Man hat den sogenannten "neutralen Status" für Russen eingeführt. Aber heute können wir endgültig feststellen, dass die Stellung der "unabhängigen Athleten" bei den Olympischen Spielen im Allgemeinen sehr wenig beneidenswert ist. Ihnen wird das Recht auf eine nationale Uniform, eine Flagge und eine Hymne im Falle eines Sieges verwehrt. Grob gesagt sind sie Waisen. Menschen ohne Heimat. Und auch ohne Heimatland.

Denn ‒ ob es nun den zahlreichen Lucy Frazers gefällt oder nicht ‒ der Sportler oder die Sportlerin repräsentiert, wenn er oder sie das Stadion betritt, nicht sich selbst, so hübsch und muskulös, sondern er oder sie repräsentiert unter anderem die Nation, das Volk. Die Kultur. Die Traditionen. Die Geschichte. Also die Ideale.

Aber nicht die Politik. In ihrem westlichen, betrügerischen Sinne.

Frazer greift zu dem, was sie für einen großen Trumpf hält, indem sie sich direkt an die großen Bosse wendet. Nein, es ist nicht das IOC. Es sind diejenigen, die für die Olympischen Spiele zahlen. Es sind sämtliche Sponsoren à la Coca-Cola, Intel, Samsung, Visa etc. Sie mögen es sehr, wenn ihre Logos vor dem Hintergrund hübscher und muskulöser Körper aufflackern. Und die großen Bosse, wie Frau Frazer meint, können und sollten das IOC unter Druck setzen, um russischen und weißrussischen Athleten den Zugang zu den Olympischen Spielen in Paris gänzlich zu verwehren.

In der französischen Hauptstadt laufen die Vorbereitungen für die Eröffnung und Durchführung des wichtigsten Sportereignisses bereits auf Hochtouren. Zunächst streikte die Müllabfuhr, und heute sind die Straßen von Paris mit Abfällen übersät und werden von Rattenschwärmen beherrscht. Macron, der geschworen hatte, dass die abgebrannte Notre Dame "auf jeden Fall zu den Olympischen Spielen wiederaufgebaut wird", hat abermals gelogen: Es wird berichtet, dass das wichtigste katholische Heiligtum des Landes, ein Symbol von Weltbedeutung, bestenfalls bis Ende nächsten Jahres wiederaufgebaut werden kann. Wie sich die Zuschauer in der Stadt fortbewegen werden, ist ebenfalls fraglich, denn es gibt Probleme mit der U-Bahn, noch mehr Probleme mit dem Straßentransport, das Hauptstadion ist wegen Sanierungsarbeiten geschlossen, und was dort geschieht, ist nicht bekannt. Ob das Stade de France rechtzeitig wieder in Form sein wird, ist ungewiss. Angesichts der Mittagspausen, der langen Ferienzeiten, der mangelhaften Logistik, der teuren Energie und der Tatsache, dass nur wenige Menschen auf dem Bau arbeiten wollen, sind die Zweifel berechtigt.

Die großen Bosse im Sponsorenteam werden wohl kaum die Ärmel hochkrempeln, um die französischen Arbeitnehmer zu unterstützen.

Das IOC, das seit einem Jahr auf mehreren Stühlen sitzt, möchte russische und weißrussische Athleten einladen, weil sie in den Sportarten stark sind, die man gewöhnlich als fernsehtauglich bezeichnet, also die bei den TV-Übertragungen die meisten Zuschauer erreichen. Aber es will sich nicht mit den Briten und ihren Anhängern anlegen. Es ist also wahrscheinlich, dass sich das IOC an die Entscheidung der großen Bosse im Sponsorenteam halten wird.

Aber das wirft die Frage auf, wie wir uns entscheiden. Wir sind uns bewusst, dass die Werte und Ideale des Spitzensports ‒ Selbstaufopferung, Selbstbeherrschung, Siegeswille, die Liter Blut und Schweiß, die für einen Sieg vergossen wurden ‒ bereits in den Müll gewandert sind, wenn auch in den französischen. Und dass diese Werte von den Ratten von Paris aufgefressen wurden.

Und vielleicht sollten wir darüber nachdenken, ob wir dorthin gehen sollten, wo es bei einem Sieg keine russische Trikolore und keine Hymne geben wird, wo wir immer "zweifelhafte Russen" wären? Vielleicht ist es besser, einfach zu Hause zu bleiben? Und den Organisatoren und Teilnehmern das Rattenrennen überlassen ‒ das mittlerweile zu ihrem Lieblingssport geworden ist.

Übersetzt aus dem Russischen. Der Artikel ist am 13. März auf ria.ru erschienen.

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