EU bleibt auf Kriegskurs – Friedensinitiativen kommen aus anderen Teilen der Welt
Von Gert Ewen Ungar
In den USA hat der Wahlkampf begonnen. Wie Wahlkämpfe es so mit sich bringen, steht plötzlich das Wohl des Wahlvolks im Mittelpunkt der politischen Aufmerksamkeit. Um dieses Wohl steht es in den USA nicht gut. Die Inflation ist aufgrund der Sanktionen hoch, für dieses Jahr wird erwartet, dass die Wirtschaft knapp an der Rezession vorbeischrammt, die Armut und vor allem die Unsicherheit nehmen zu. Obendrein klopft gerade noch eine Finanzkrise an die Tür. Die Behauptung Joe Bidens, Schuld an der Misere habe allein Wladimir Putin, zieht beim Wahlvolk nicht.
Zwar ist noch nicht deutlich, wie stark die Erschütterungen durch die aktuellen Bankencrashs sein werden. Dass sie jedoch Folgen für die US-Wirtschaft haben werden, ist jetzt schon klar. Die Krise bedroht neben dem Finanzsektor auch noch einen der wichtigsten Sektoren der US-Wirtschaft, die Hightech-Branche.
Aus diesem Grund schmälern weitere Zusagen von Waffenlieferungen und finanzieller Unterstützung in Milliardenhöhe an die Ukraine Bidens Aussichten auf eine Wiederwahl. Das Geld wird zu Hause gebraucht, die Ukraine ist dem US-Wähler egal. Biden wird daher im Kampf um seinen Wiedereinzug ins Weiße Haus von einer weiteren Unterstützung Abstand nehmen.
Darüber hinaus rüsten sich die USA für eine immer weitergehende Eskalation gegenüber China. In China, nicht in Russland, sehen die Vereinigten Staaten ihren wahren Gegner. China ist nach Auffassung der USA das einzige Land der Welt, das die US-Hegemonie ernsthaft infrage stellen könnte. Die Ukraine steht in der Rangliste außenpolitischer Prioritäten der USA relativ weit hinten.
Daher wurde ein Szenario entwickelt, mit dem sich der Ausstieg aus der weiteren Finanzierung des Krieges für die USA gesichtswahrend bewerkstelligen lässt. Die Ukraine wird von Journalisten aus den USA und Deutschland beschuldigt, verantwortlich für den Anschlag auf die Pipeline Nord Stream zu sein. Die Geschichte ist wenig glaubwürdig, bereitet aber offenbar vor, die Ukraine fallen zu lassen.
Die Kiewer-Führung reagierte empört auf die Vorwürfe und wies sie zurück. Allerdings kennt kaum jemand so gut die Mechanismen und Wirkungsweisen westlicher Propaganda wie der ukrainische Präsident Wladimir Selenskij. Er kann sich an einer Hand abzählen, was die "Enthüllung" für ihn und sein Regime bedeutet. Die USA ziehen sich zurück. Noch sind es nur leise Stimmen, die eine Abkehr fordern, aber sie werden zahlreicher und lauter.
Deutlich lauter und vernehmbarer sind die Friedensinitiativen aus China, Indien und zuletzt sogar aus Saudi-Arabien. Der außenpolitische Blog German-Foreign-Policy macht auf einen Beitrag der in Dubai erscheinenden Zeitung The National aufmerksam, der die Friedensinitiative Saudi-Arabiens beleuchtet. Saudi-Arabiens Außenminister Prinz Faisal bin Farhan Al Saud erklärte die Bereitschaft seines Landes, zwischen den beiden Konfliktparteien zu vermitteln. Das Land unterstütze internationale Bemühungen, eine politische Lösung zu finden.
Das Blatt zitiert den Außenminister nach einem Treffen mit Russlands Außenminister Sergei Lawrow mit den Worten:
"Ich bestätigte seiner Exzellenz, dem russischen Außenminister, die Bereitschaft des Königreichs, alle Anstrengungen zu unternehmen, um zwischen den Parteien zu vermitteln."
Der Besuch Faisal bin Farhans in Moskau erfolgte nur kurze Zeit nach seinem Besuch in Kiew, wo er dem Land zwar humanitäre Unterstützung, aber keine Waffenlieferungen zugesagt hatte. Lawrow bestätigte zudem, dass Saudi-Arabien neben anderen Ländern bereits eine zentrale Rolle bei der Vermittlung eines Gefangenenaustauschs gespielt habe.
Auch Chinas Friedensinitiative nimmt immer deutlicher Gestalt an. So scheint ein Treffen von Chinas Präsident Xi Jinping mit seinem russischen Amtskollegen Putin in Moskau in der kommenden Woche anberaumt zu sein, dem ein Gespräch mit dem ukrainischen Präsidenten folgen soll. Selenskij hat die Zeichen der Zeit wohl erkannt und zeigt sich offen.
Auch die Türkei, die am Zustandekommen des erneut verlängerten Getreideabkommens maßgeblich beteiligt war, unternimmt weitere Anstrengungen zur Vermittlung. Ebenso führt Brasiliens Präsident Lula da Silva mit beiden Seiten Gespräche und versucht zwischen ihnen zu vermitteln.
Ganz anders dagegen Deutschland und die EU. So forderte zuletzt Außenministerin Annalena Baerbock (Die Grünen) auf der Konferenz der Außenminister der G20-Staaten in einem bizarren direkten Appell an den russischen Außenminister, er solle den Krieg sofort beenden.
Dabei blieb unklar, ob Baerbock die komplexe Gemengelage tatsächlich nicht versteht oder einfach ignoriert. Sie reduziert den Konflikt beharrlich auf die Formel, wenn sich Russland zurückziehe, sei der Krieg vorbei. Das mag als Slogan griffig klingen, hat aber mit der politischen Realität wenig zu tun, da damit die Probleme, die zum Konflikt geführt haben, weiterhin nicht gelöst wären. Russland fürchtet um seine Existenz als Staat. Die Forderungen Baerbocks zeigen, dass diese Befürchtungen nicht unberechtigt sind.
Faktisch forderte sie in ihrem peinlichen Auftritt von ihrem russischen Kollegen die bedingungslose Kapitulation Russlands. Dazu besteht aus militärischer Sicht weder ein Anlass, noch wäre Lawrow als Außenminister zu einem solchen Schritt befugt. Was Baerbock mit ihrem Auftritt bezwecken wollte, bleibt unklar. Echte Verhandlungen lehnt sie ohnehin ab.
Auch aus der EU kommt keine Friedensinitiative. So versicherte EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen in einem Pressestatement nach ihrem Besuch im Weißen Haus der Ukraine weiterhin die bedingungslose Unterstützung der EU und sicherte die Aufnahme von ukrainischen Flüchtlingen zu.
Damit wird deutlich, dass Impulse für eine politische Lösung des Konflikts weiterhin nicht aus der EU kommen. Die EU leistet keinen Beitrag zum Frieden in Europa. Gleichzeitig zeigt sich, dass die EU und Deutschland einen hohen Preis für ihr Beharren auf einer militärischen Lösung zahlen werden. In einem Beitrag im Handelsblatt stellt der Grünen-Politiker Jürgen Trittin klar, dass der Preis für die Integration der Ukraine in die Strukturen der EU vor allem Deutschland zu zahlen habe.
"Die Ukraine braucht belastbare Sicherheitsgarantien. Solche Garantien und das Heranführen der Ukraine an die EU werden die Europäer und vor allem die Deutschen bezahlen müssen", so Trittin.
Gleichzeitig stellt der Politiker klar, dass ein Ende der Kampfhandlungen für ihn nur unter zwei Voraussetzungen vorstellbar wäre. Zum einen dürfe Russland seine militärischen Maximalziele nicht erreichen, zum anderen müsse Russland international, – also auch von Indien, China und Brasilien isoliert werden. Damit stellt sich auch Trittin in die Reihe derjenigen, die durch unrealistische Zielformulierungen einen langen Krieg begünstigen. Gleichzeitig wird in der Aussage der Dominanzanspruch des Westens deutlich. Die Länder des Globalen Südens sollen sich weiter den Vorgaben und dem Ordnungsrahmen aus dem Westen fügen. Schon allein daran wird Trittins Idee scheitern.
Dabei ist die Position der immer weitergehenden militärischen Unterstützung durch die EU und Deutschland extrem kurzsichtig. Nach dem Ende des Konflikts, wenn der Rauch über dem Schlachtfeld abgezogen und die Sicht wieder klar ist, wird die Ukraine erkennen, wer für die Zerstörung der Infrastruktur der Ukraine und den Tod zahlloser ukrainischer Soldaten politisch die größte Verantwortung trägt und wer einen konstruktiven Beitrag zur Lösung des Konflikts geleistet hat. Ob die Ukraine dann immer noch ein Interesse an einer weitergehenden Integration in einen Staatenbund hat, der ihre komplette Zerstörung vorangetrieben hat, wird sich dann zeigen. Vermutlich ist das Projekt der Westintegration der Ukraine gerade an sein Ende gekommen.
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Auf beiden Seiten des Konfliktes sind zahlreiche Soldaten und Zivilisten getötet worden. Moskau und Kiew haben sich gegenseitig verschiedener Kriegsverbrechen beschuldigt. Tausende Ukrainer sind mittlerweile aus ihrer Heimat geflohen.